HINTERGRUND: Ein historisches Juwel - die 'Real Academia de la Historia'

15.11.2011 - Doris Oberleiter / Madrid für Deutsche 

Im Barrio de las Letras, wo Lope de Vega lebte, Miguel de Cervantes begraben und die ersten Teile seines Werkes „Don Quijote de la Mancha“ gedruckt wurden, haben nicht nur Literaten Geschichten und damit auch Geschichte geschrieben. Geschichte spielt im Literatenviertel Madrids auch in einem anderen Zusammenhang eine ganz besonders wichtige Rolle. Dort befindet sich nämlich der Sitz der „Real Academia de la Historia“, der königlichen Akademie der Geschichte. Was als Diskussionsrunde wissenschaftlich interessierter Freunde begann, erhielt im Jahr 1738 den „Segen“ von König Philipp V. Seither steht die Institution im Dienst der Erforschung der spanischen Geschichte und zwar in vielfältiger Hinsicht: Der antiken und modernen Geschichte, der politischen, zivilen, kirchlichen und militärischen Geschichte, jener der Wissenschaften, der Kunst und der Literatur. Die Real Academia de la Historia gehört zu den ältesten königlichen Akademien in Spanien. Nur die bereits 25 Jahre zuvor unter königlichen Schutz gestellte Akademie der Sprache ist älter.

Nachdem die Real Academia de la Historia lange Zeit im königlichen Palast und später in einem Gebäude an der Plaza Mayor untergebracht war, ist sie seit 1874 in der Calle León zu finden. Steht man heute vor dem von außen recht unscheinbaren Gebäude, erbaut von Juan de Villanueva, jenem Architekten, der sich durch den Entwurf des Prado unsterblich gemacht hat, ahnt man nicht, welche Schätze sich im Inneren verbergen. Entgegen vielen Gerüchten, sind diese Schätze nicht nur Wissenschaftlern zugänglich. „Es gibt viele Legenden rund um die Real Academia de la Historia, die allermeisten davon sind aber nicht wahr“, sagt Jorge Maier Allende, seines Zeichens Sekretär im Kabinett der Antike in der Real Academia de la Historia, korrespondierendes Mitglied derselben, Mitglied im Deutschen Archäologischen Institut und Präsident des Freundeskreises des Deutschen Archäologischen Instituts. So kann man das historische Juwel nach Voranmeldung und Vereinbarung eines Termins sehr wohl in kleinen Gruppen besichtigen. Und der Besuch zahlt sich auf alle Fälle aus.

Beim Eingang wundert man sich vielleicht noch über das viele Sicherheitspersonal und den Metalldetektor, betritt man den Sitzungssaal, wird aber ganz schnell klar, warum die wissenschaftliche Institution so gut gesichert ist: Hier wachen nämlich vier Gemälde von Goya, zum Teil noch im originalen Rahmen, über die wöchentliche Zusammenkunft der Mitglieder der Real Academia de la Historia. „Die Bilder zählen zu den besten offiziellen Porträts von König Karl IV und seiner Gemahlin Maria Luisa von Parma“, erklärt Jorge Maier Allende. Jeden Freitagabend nehmen die 36 so genannten „Academicos numerarios“ an dem großen Konferenztisch Platz und besprechen anstehende Forschungsprojekte, Konferenzen oder Veranstaltungen. Neben diesen 36 Akademikern gibt es noch 370 so genannte „Academicos Correspondientes“ aus den Provinzen Spaniens und aus dem Rest der Welt, die den Sitzungen beisitzen können, sich aber nicht direkt an den Diskursen der Akademiker beteiligen.

Hat man sich an den Goyas im großen Sitzungssaal satt gesehen, geht es weiter über die „Galeria de los Directores“, wo links und rechts Gemälde ehemaliger Direktoren der königlichen Akademie zu bestaunen sind, in die „Sala de Conferencias“, wo dem Namen entsprechend vor allem Vorträge und Konferenzen stattfinden. Kopien von Tizian und edle Wandteppiche schmücken diesen Saal. Weiter geht es anschließend über eine schmale Treppe in das Nebengebäude, das im Laufe der Jahre und mit dem immer größer werdenden Fundus an den Sitz der Real Academia angegliedert wurde. „Hier haben wir einige Werke, die eigentlich dem Prado gehören, einen Teil des so genannten `Prado disperso´, dem zerstreuten Bestand des berühmten Museums“, erklärt Jorge Maier, der die Räumlichkeiten in und auswendig kennt. In diesem Gebäudeteil befindet sich auch der „Salón de actos públicos“. „Hier wird der feierliche Eintritt eines neuen Akademikers gefeiert“, sagt Maier Allende und weiter erklärt der Doktor der Frühgeschichte und Archäologie, „Mitglied der Real Academia de la Historia zu sein, ist die Krönung einer wissenschaftlichen Karriere und eine außerordentliche Ehre.“ Die Akademiker selbst suchen passende Kandidaten aus und beschließen die Aufnahme eines neuen Mitgliedes.

Die letzte Station der Besichtigung ist die Archäologische Sammlung. Maier Allende erklärt: „Wir wollten mit dieser Sammlung kein Museum errichten, es geht darum, historisch wichtige Stücke aus verschiedenen Epochen zu präsentieren. Viele der hier ausgestellten Stücke stammen aus Schenkungen privater Sammler.“ Zu sehen sind zum Beipiel Funde aus der Zeit der Griechen, aus den Tagen der Römer und aus fernen Orten, wie zum Beispiel Ninive. Ein Highlight ist eine große Silberplatte des Theodosius aus dem 4. Jh. Sie wurde 1847 in der Extremadura gefunden und zieht heute Wissenschaftler und Interessierte aus der ganzen Welt an. Daneben gibt es auch noch einen beeindruckenden Reliquien-Altar, der arabische Kunst mit christlichen Elementen vermischt und den Gebetsschal eines Kalifen aus dem 10. Jh. zu bestaunen. „Der größte Schatz in diesem Haus ist allerding die Bibliothek: zahllose Archive, Manuskripte wissenschaftlicher, bibliografischer und dokumentarischer Art haben einen unschätzbaren Wert“, sagt der Experte Jorge Maier Allende.

Dieser reiche Fundus, der wie bereits Jorge Maier Allende berichtet, teilweise von privaten Sammlern gespendet wurde, ist ein Weg, über den sich die Real Academia de la Historia finanziert. „Daneben gibt es private Sponsoren und finanzielle Unterstützung durch den Staat, das geht jedoch nur über spezielle Projekte, fixe staatliche Mittel gibt es keine“, erklärt Jorge Maier Allende. Solche Projekte waren zum Beispiel die Erstellung des „ Atlas Cronológico de la Historia de España“ oder des „Diccionario Biográfico Español“, der 40.000 Biografien bedeutender Persönlichkeiten der spanischen Geschichte umfasst.

Wer Lust auf einen Besuch in der Real Academia de la Historia bekommen hat, findet nähere Informationen und Kontaktdaten hier:
http://www.rah.es/

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