WISSENSWERT: Das Deutsche Archäologische Institut Madrid
04.03.2012 - Doris Oberleiter / Madrid für Deutsche

Neben der deutschen Schule, dem Goethe-Institut und der Botschaft gibt es in Madrid noch eine weitere deutsche Institution, die vielen allerdings leider nicht so geläufig ist: Das Deutsche Archäologische Institut Madrid, kurz DAI. Die wissenschaftliche Einrichtung hängt am deutschen Außenministerium und befasst sich mit der Geschichte der Iberischen Halbinsel und Marokkos, von Beginn der Menschheit bis zum islamischen Mittelalter. Wir haben Dirce Marzoli, die erste Direktorin des Institutes zum Interview gebeten, sie erzählt über die Ursprünge, die Gegenwart und die Zukunft des DAI in Madrid.
Das Deutsche Archäologische Institut hat eine lange Geschichte in Spanien, wo liegen die Ursprünge?Marzoli: Die erste Niederlassung einer Vertretung des DAI erfolgte im Jahr 1943. Sie wurde von H. Schlunk betreut und bestand aus einer kleinen, öffentlich zugänglichen Bibliothek. Allerdings konnte sie nicht lange bestehen: Kurz nach Ende des Krieges musste sie geschlossen werden. Die damals noch recht geringen Bestände der Bibliothek kam in die Obhut der Alliierten-Kommission. Neun Jahre später, am 2. März 1954 erfolgte die Gründung der Abteilung mit ihrem ersten Direktor Helmut Schlunk. Seither ist die Abteilung ununterbrochen aktiv.
Neben den Franzosen (Casa de Velázquez), sind wir die einzigen ausländischen Archäologen, die einen festen Sitz in Spanien haben. Das macht unsere Arbeit, auch als Vermittler, umso verantwortungsvoller.
Was genau sind denn die Aufgaben des DAI?Marzoli: Als wissenschaftliche Institution liegt unser Hauptaugenmerk auf der Forschung. Unser Aufgabenbereich umfasst die Archäologie der Iberischen Halbinsel und Marokkos und zwar von Anbeginn der Menschheit bis zum islamischen Mittelalter. Wir führen Ausgrabungen durch, geben Publikationen heraus. Außerdem organisieren wir Tagungen, Kongresse und Workshops. Dabei schaffen wir ein Forum der Begegnung und des wissenschaftlichen Dialogs. Darüber hinaus wollen wir die Bedeutung der Archäologie der Iberischen Halbinsel auch über den wissenschaftlichen Kreis hinaus vermitteln und bekannt machen, denn leider gibt es da noch große Defizite. Selbst in der deutschen Gemeinschaft in Madrid wissen viele nichts von unserer Existenz, obwohl wir hier schon seit fast sechs Jahrzehnten arbeiten und im Kreise der spanischen Archäologen gut bekannt sind. Der Freundeskreis Link zum
Artikel über den Freundeskreis, der im Jahr 2003 gegründet wurde, leistet gerade auf diesem Gebiet der Vermittlung zur breiteren Öffentlichkeit eine bedeutende Arbeit.
Es gibt auch eine Bibliothek hier im Haus, richtig?Marzoli: Ja, sie ist zusammen mit der Fotothek sogar das Herzstück unseres Institutes. Mit Stolz kann ich sagen, dass es sich sogar um eine der drei größten Fachbibliotheken des Landes handelt. Sie umfasst rund 80.000 Büchern und über 500 laufende Zeitschriften. Ein Teil des Bestandes ist über eine Datenbank auch im Internet abrufbar, das macht die bibliographische Recherche um Vieles einfacher.
Laien denken bei Archäologie wahrscheinlich zuallererst an Ägypten, Rom oder Griechenland, welche interessanten Fundstätten gibt es denn in Spanien?Marzoli: Es stimmt, in Spanien gibt es kein Olympia oder Knossos, aber eine Vielzahl sehr bedeutender Fundplätze aus den verschiedensten Epochen. Atapuerca in der Nähe von Burgos, zum Beispiel, ist einer der weltweit wichtigsten Fundplätze des Frühen Menschen. Die Höhle von Altamira beeindrucken mit ihren kunstvoll bemalten Wänden, Los Millares mit seiner imposanten kupferzeitlichen Befestigung, die Dolmen von Antequera, das griechische Emporion, römische Städte wie Mérida, Itálica … u.a.m. Grabungsplätze des DAI werden oft zu sehr interessanten und wunderschönen Ausflugszielen : Munigua, Zambujal, Guarda und viele andere Plätze sind als Zeugen unserer Vergangenheit Referenzen der Archäologie. In der Serie Hispania Antiqua haben Mitarbeiter des DAI die Archäologie der Iberischen Halbinsel beschrieben, dort findet der Leser einen guten Überblick, auch einen leichten Einstig in die Materie. Wunderschöne Bilder illustrieren die Monumente und archäologischen Landschaften.
Welche Fundorte betreut denn das DAI Madrid und wie kommt die Leitung einer Ausgrabung zustande?Marzoli: Im Moment gibt es neun laufende Grabungsprojekte, dazu zählen die kupferzeitliche Siedlung Torres Vedras nördlich von Lissabon, die römische Stadt Munigua bei Villaneva de Ríos y Minas (Sevilla), Los Castillejos de Alcorrín bei Manilva (Málaga), eine befestigte Siedlung im phönizischen Einzugsbereich oder die romanisierten Heiligtümer bei Alandroal, in Guarda und auf dem Monte do Facho (Vigo) . Von großem Interesse ist zudem die Ausgrabung des islamischen Ansitzes in Ar-Rumaiya bei Córdoba. In der Regel treten ortsansässige Archäologen mit Angeboten der Zusammenarbeit an uns heran, so entstehen die paritätischen Kooperationen mit spanischen, portugiesischen und marokkanischen Kollegen. Man muss wirklich sagen, dass wir ein großartiges Gastrecht genießen, die Kooperationen funktionieren ganz ausgezeichnet.
Und was passiert mit den Fundstücken?Marzoli: Die bleiben natürlich vor Ort und werden an die Museen, die für die jeweiligen Ausgrabungsstätten zuständig sind übergeben.
Wie finanzieren sich die teilweise doch recht aufwendigen Ausgrabungen?Marzoli: Zum Großteil werden wir vom deutschen Außenministerium finanziert. Daneben werden wir auch Drittmittel gefördert, zum Beispiel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Thyssen Stiftung oder der Gerda Henkel Stiftung. Auch die Kooperationspartner beteiligen sich an der Realisierbarkeit der Unternehmen, meistens mit der Bereitstellung von Infrastruktur, Unterkunft und so weiter. Für besondere, vor allem der Öffentlichkeit zugewandte Arbeiten, erhalten wir dankenswerter Weise auch die Unterstützung des vor drei Jahren gegründeten Freundeskreises der Madrider Abteilung und von der Theodor Wiegand Gesellschaft (Bonn).
Sie selbst sind was Spanien angeht „Wiederholungstäterin“, vor ihrer jetzigen Position als Erste Direktorin, die sie seit 2004 innehaben, waren Sie schon einmal hier. Was begeistert Sie an diesem Land?Marzoli: Spanien ist und war schon immer ein Land, das wie ein Magnet wirkt und das schon seit der frühesten Geschichte Völker von weither angezogen hat. Die Iberische Halbinsel war auch trotz der geografischen Lage nicht isoliert, sondern Teil der Gesamtgeschichte. Diese dynamische Beteiligung an grenzübergreifenden Entwicklungen, die man hier besonders gut Erforschen kann, macht für mich die Faszination aus. Ich stehe schon seit meinem Studium in engem Kontakt mit dem DAI und als ich 1988 das erste Mal eine Anstellung an der Madrider Abteilung des DAI fand, war es die Neugier und die Chance ein neues Land, seine Kultur und vor allem seine Geschichte kennenzulernen, die mich angetrieben hat. Ein Grund für die Entscheidung war auch die Erwartung mit Forschern zusammenzuarbeiten, von denen ich aus der Literatur schon wusste, wie exzellent sie sind.
Das DAI hier in Madrid hat sich im letzten Jahr im Umbau befunden, Anfang März wird es nun die feierliche Wiedereröffnung geben, was ist für dieses Jahr noch geplant?Marzoli: Wir freuen uns sehr über die Fertigstellung der Umbauarbeiten, dann kann die Bibliothek wieder normal genutzt werden und auch sonst kommt alles wieder an seinen Platz und in Gang. Die Wiedereröffnung wird ein großes Fest, das passenderweise mit dem Datum der Eröffnung des Institutes im Jahr 1954 übereinstimmt. Friederike Fless, die Präsidentin des DAI wird zu diesem Anlass nach Madrid kommen und den Festvortrag der Wiedereröffnungsfeier halten, auch Botschafter R. Silberberg wird Grußworte sprechen, unter den Gästen werden sich viele Freunde und Archäologen finden. Ansonsten wird im neuen Jahr die Fotoausstellung Blick-Mira fortgesetzt, die als Wanderausstellung gerade in Portugal ist und im Anschluss nach Pamplona weiterzieht. Daneben wird es Kongresse und Kolloquien zu aktuellen Themen geben, an denen namhafte Forscher aus unterschiedlichen Ländern teilnehmen. Selbstverständlich sind auch Ausgrabungen geplant, eine zum Beispiel in Los Castillejos de Alcorrín (Málaga), Mogador (Marokko) und Ar Rumaniya (Córdoba).
Vielen Dank für das Gespräch!
Weiter Informationen: http://www.dainst.org/de/department/madrid?ft=all