NUTZWERT: Handgemachte Biere aus Spanien – einfach köstlich
04.09.2011 - weltonline.de / Madrid für Deutsche
Meist eiskalt als "Caña" aus dem Fass serviert, ist spanische "Cerveza" ein wunderbarer Durstlöscher im Sommer. Bier aus Spanien schmeckt süffig wie Limonade und passt deshalb wunderbar an Strandbars, auf Musikfestivals und zu "Pescaito Frito", frittiertem Fisch. Ein gastronomisches Highlight war Bier in der uralten Weinkultur Spaniens bislang allerdings nicht.
Es ist ein kühler Sommerabend in Cáceres in der spanischen Region Extremadura, und ich sitze im Innenhof eines Stadtpalais, in dessen Mitte ein uralter Feigenbaum wächst. Auf einem kleinen Flohmarkt habe ich zwischen rostigen Werkzeugen und Postkarten mit verblichenen Aufnahmen der Gegend ein kurioses Buch mit dem Namen "El Banquette de los nobles Caballeros" entdeckt. Verfasst im Jahr 1542 von Doctor Luis Lobera de Ávila, medizinischer Betreuer des spanischen Hochadels und privater Hofarzt von Karl V., der ab 1516 als König Karl I. in Spanien regierte.
Laut der Beschreibung ist es eines der ersten Bücher, die in Spanien über gesunde Ernährung geschrieben wurden. Ich blättere es interessiert durch, um dann das gut eingeschenkte Glas meines geliebten Rioja "Marqués de Cáceres" in Empfang zu nehmen. Mir gegenüber hat sich ein älterer Señor im weißen Leinenhemd niedergelassen. Er prostet mir mit seiner Bierflasche zu, auf der in mittelalterlicher Schrift "Legado de Yuste" gedruckt ist. Yuste ist der Name des Hieronymitenklosters hier in der Extremadura, auf dessen Grund Karl V. einen Palast errichtete, sein letztes Refugium.
Der Señor schaut ironisch auf mein Weinglas, lässt seine Flasche dagegen klirren und sagt: "Ja, ja, der Wein ist das Getränk, das wir mit dem Adel verbinden, aufgrund seiner Qualität und seiner Eleganz und weil er das Adelige ja oft auch im Namen trägt. ‚Marqués de Cáceres', das war zum Beispiel ein echter Markgraf aus dem 18. Jahrhundert."
Ich blicke den Señor skeptisch an, er nimmt mir mit einem Nicken mein neu erstandenes Buch aus der Hand, schlägt "El Banquette de los nobles Caballeros" auf Seite 71 auf und lässt seinen Zeigefinger auf einem Zitat des Hofarztes Doktor Lobera nieder:
"Bier muss, um exzellent zu sein, aus Weizen, Hefe, Hafer, Hopfen und dem besten Wasser bestehen. Es muss gut gekocht und gereinigt sein, hell und nicht trüb und bereits vor Tagen hergestellt. Bier erhöht die Kraft, vermehrt das Blut, provoziert das Urinlassen, führt sanft ab und fördert den ruhigen Schlaf."
Doktor Lobera habe Karl V. bereits im Jahr 1537 zu jeder Mahlzeit handgemachtes Bier verschrieben, erzählt der Señor. "Auf Anraten des Doktors wurde die Bierfabrik gleich neben dem Kloster Yuste errichtet. Und das unter Aufsicht der besten Braumeister aus Flandern, damit sich Karl V. auch in seinen letzten Jahren stets an der extremadurischen Cerveza stärken und erfrischen konnte." Im Jahr 1537? Aber das war ja beinahe schon vor einem halben Jahrtausend!
Der Señor entfernt sich mit einer tiefen Verbeugung rückwärts von meinem Tisch und ruft mir mit einem Augenzwinkern zu: "Claro que sí! Prost und adios, liebe Marquise!"
Tatsächlich eröffneten in Spanien in den vergangenen Jahren Dutzende von Kleinbrauereien. Daneben gibt es den noch jungen Trend der handgemachten Biere aus Zutaten biologischen Ursprungs, die eine erfrischende und zudem sehr wohlschmeckende Alternative zu dem in den Sommermonaten etwas ermüdenden Rioja sind. Was als Hobby einer Handvoll Bierfanatiker begann, hat sich inzwischen als neuer Aspekt der spanischen Gastronomie entwickelt. Im Mainstream ist diese neue Bier-Bewegung aber noch nicht angelangt.
Albert Sanchis Pujol, Braumeister in der "Almogàver Brewery", organisiert seit einigen Monaten "Bierproben" in der Region Barcelona. Dort bietet er sechs bis acht Sorten der handgemachten Biere zum Probieren an. Sie schärfen den Sinn für Bier im Allgemeinen und sind ein guter Einstieg in das noch recht wenig erschlossene Terrain der "Cerveza Artesanal", der Biere jenseits des gewöhnlichen Geschmacks. Als Berater von Restaurants schwört Albert Sanchis Pujol auf die Fusion dieser Biere mit der asiatischen, katalanischen und baskischen Küche, ähnlich den Küchenmeistern von Karl V., die auf dessen Schloss in Yuste ein gastronomisches Labor entwickelten und mit selbst angebauten Produkten und internationalen Einflüssen experimentierten.
Die folgende Auswahl der besten handgemachten Biere aus kleinen Produktionen im iberischen Raum erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt hier noch viel Neues zu entdecken.
1. IllaEines feuchtfröhlichen Abends diskutierten fünf Bierfreunde auf der Terrasse einer Bar auf der Insel Menorca über die spanische Wirtschaftskrise. Noch in derselben Nacht beschlossen sie, ihre Ersparnisse zusammenzuwerfen, um zukünftig handgemachtes Bier herzustellen. Gerade mal ein Jahr später standen die Flaschen der neuen Marke in einigen Gourmetläden, Bars und Restaurants von Menorca. Die Insel ist ihrerseits für Sensibilität gegenüber handwerklichen Traditionen bekannt: Ob das nun Gin ist, die zeitlosen Lederschläppchen, genannt "Menorquinas", der Wein oder exquisiter Biokäse.
Heute hat die Illa-Manufaktur drei Angestellte und produziert mehr als 500 Liter Pilsener am Tag. Das biotrübe Bier wird mit einheimischen Zutaten vor Ort von Hand produziert, nur das Malz kommt aus Deutschland.
2. MenduiñaAlberto Fernández, er stammt aus einem malerischen, galicischen Dorf, kreierte mit "Menduiña" ein handgemachtes Malzbier, das ausschließlich aus einheimischen Zutaten Galiciens hergestellt wird. Diese vereinen sich zu einer leichten Textur, die den traditionellen Geschmack der Gegend in sich trägt. Das Hopfenaroma ist leicht säuerlich und gleicht so dem sprudelnden, galicischen Wein, mit dem es nun konkurrieren muss. Alberto Fernández lernte auf einer Geschäftsreise nach Patagonien einige "Artesanos" kennen, die dort ganz ohne Zusatzstoffe wohlschmeckende Biere mit argentinischem Aroma entwarfen. Anschließend besuchte er Produzenten in Deutschland, Italien und Katalonien, um sein Wissen weiter zu verfeinern.
Er fügt seinem Menduiña Essenzen von Kamille, Lorbeer, wilden Kastanien und ein wenig Biohonig zu und entwickelte einen Geschmack für jede Jahreszeit. Menduiña ist noch ein Geheimtipp: Pro Woche stellt Alberto Fernández gerade mal 30 Liter her, die er persönlich in kleine Restaurants und Bars mit innovativer Getränkekarte liefert.
3. Tyris
"Tyris" aus Valencia ist ein leichtes, bernsteinfarbenes Bio-Weißbier, mit mittelstarker Kohlensäure sanft getrübt. Es ist weder gefiltert noch pasteurisiert oder konserviert und enthält deshalb seine natürlichen Vitamine. Übersetzt klingt seine "Nota de Cata", die professionelle Bewertung der Bierprobe, wie die Beschreibung eines Parfums und nicht wie die eines Bieres: "Sein Aroma erinnert an eine Blumenwiese im Frühling und ist noch mit einem Hauch Hefe und Zitronenessenz aromatisiert. Der Einstieg ist sanft und süßlich mit einer liebenswerten Passage voller Tiefe. Eine elegante Säuerlichkeit bringt das Geschmackserlebnis auf den Punkt."
4. IneditDie luxuriöseste unter den handgemachten Bierkreationen Kataloniens stammt aus den Händen echter gastronomischer Größen. Inedit ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von Ferran Adrià, dem innovativsten Koch Spaniens, den Sommeliers seines gerade geschlossenen, weltberühmten Restaurants "El Bulli" und den Braumeistern der Traditionsbrauerei Estrella Damm. Das Bier wurde eigens zu dem Zweck erfunden, die Haute Cuisine zu begleiten. Inedit ist ein Hybride von Hellem und Weißbier mit verschiedenen Fermentationsstärken, bei dessen Produktion wilder Hopfen in Koriander gebadet, mit geraspelter Orangenschale berieselt und anschließend mit einigen Tropfen von Lakritz-Essenz versehen wird.