TIPP: Flechas del angel del olvido

Mit den Erinnerungen ist es so eine Sache. Einerseits leben wir von den schönen, andererseits leiden wir an den schlechten. Nicht nur man selbst stellt sich immer wieder in den Kontext von Vergangenheit und Gelebtem, sondern ist auch für andere in der Kontinuität einer Rolle gefangen, die man einmal gespielt hat. Was wäre also, wenn man das leere Blatt Papier namens Ich neu von Anfang an beschreiben könnte? Vergisst man mit dem bisherigen Leben auch den eigenen Charakter? Ist man immer nur punktuell im Leben das, was das Leben aus einem bis dahin gemacht hat?

Das sind nur einige der Fragen, die das Theaterstück „Flechas del angel del olvido“ von José Sanchis Sinisterra in der Inszenierung von Miguel Torres im Teatro Lagrada aufwirft. Eine junge Frau wurde verwirrt auf der Straße aufgelesen, sie scheint an Amnesie zu leiden. Was nun beginnt, ist ein Ziehen und Zerren von vier Besuchern, die alle behaupten, eine ihnen nahestehende Person in der Frau zu erkennen und versuchen sie von der jeweiligen Identität zu überzeugen. Da ist Selma, die glaubt, die abenteuerlustige Schwester vor sich zu haben; Efrén, der seine Frau wiedererkennt und die lesbische Dora, die mit ihrer egoistischen Exfreundin abrechnen möchte. Nur Erasmo kommt im Auftrag der vermeintlichen Großmutter und scheint selbst nicht so recht zu wissen, wo sein Platz auf der Welt ist. Schließlich entscheidet sich die Frau für keine der vier Lebensvarianten, sondern für eine, die tatsächlich nicht nur ein neues Kapitel in ihrem Leben sein könnte, sondern die eigene Geschichte neu schreiben will.

Minimalistisch und konzentriert will Miguel Torres die Gegebenheiten erzählen. Er versucht, durch Fade-Outs und eingefrorene Spielerpositionen einen schnellen Wechsel zu schaffen, den Zuschauer immer wieder mit einer neuen Situation zu überraschen. Schade darum, dass die schauspielerische Umsetzung eines interessanten Stoffes, teilweise eher einer Boulevardklamotte gleicht. So ist der großmäulige und anscheinend in dubiose Geschäfte verwickelte Efrén nur ein aufgeblähter Zuhälterproll, der wenig Bedrohliches und viel Lächerliches an sich hat.

Auch Maite Zahonero als Selma hält sich an einstudierte, posenhafte Gesten einer oberflächlichen Schickse fest. Nuria Garrudo als Protagonistin weiß allerdings zu überzeugen: In ihrem stummen Spiel gegenüber den Anfeindungen, dem Misstrauen und den Vorwürfen reagiert sie sensibel auf jeden einzelnen der Lebensentwürfe, der ihrer Vergangenheit angehören könnte.

Fazit: Ein Stück, das den Zuschauer im Unklaren über Identität und Fremdbestimmung lässt und gerade dadurch anregt, selbige zu reflektieren.

Flechas del angel del olvido ist noch bis 1. Februar im Teatro Lagrada zu sehen. Der Eintritt beträgt 12 Euro.