HINTERGRUND: Der digitale Don

11.10.2010 - Robin Hartmann 

Das Internet-Videoportal Youtube ist zwar sehr bekannt – bisher aber nicht unbedingt für anspruchsvolle Inhalte. Die Mehrheit der von Nutzern hochgeladenen, oft selbst aufgenommenen Videos dreht sich hauptsächlich um Banalitäten. Dennoch, auf dieser Plattform werden bisweilen Stars, oder besser Sternchen geboren, besonders witzige oder spektakuläre Clips weltweit oft millionenfach angeklickt.

Dass auch sein Don Quijote einmal zu diesem Helden der Netzwelt gehören könnte, hätte sich der Autor Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616) wohl selbst in seinen abenteuerlichsten Geschichten nicht ausdenken können. Doch bei Google, denen bekanntlich auch Youtube gehört, arbeitet man gerade daran. Der tragische Held Don Quijote und sein Kompagnon Sancho Pansa sollen in einer Art digitalem Buch wieder einmal auferstehen, ihre Abenteuer dann rund um den Globus Leser im Internet unterhalten.

In Zusammenarbeit mit der „Real Academia Española“ und der „Asociación de Academias de la Lengua Española“ präsentierten Vertreter von Youtube und Google jetzt ihre Vorstellung des Don Quijotes der Zukunft: Die zwei Bücher, die das erste Mal 1605 bzw. 1615 in Spanien erschienen und bereits von Akademikern wie dem Schriftsteller und Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa interpretiert wurden, sollen nun von Youtube-Nutzern in aller Welt „vorgelesen“ werden.

Jeder, der sich zur Teilnahme an dem Projekt berufen fühlt, kann sich einen Youtube-Zugang anlegen und bekommt bei der Anmeldung auf der Webseite
http://www.youtube.com/elquijote automatisch ein Stück Text aus dem Don Quijote zugewiesen. Dieses wird, laut vorgelesen, von einer Webcam aufgezeichnet und anschließend ins Netz gestellt. Auf diese Weise soll eine „einzigartige Neufassung“ entstehen, an der sich aber maximal 2149 Menschen beteiligen können (so viele Textfragmente werden zugewiesen).

Die beiden ersten Paragraphen verlasen der Direktor der „Real Academia Española“, Víctor García de la Concha sowie der Generaldirektor von Google Spanien, Javier Rodríguez Zapatero, der anschließend etwas kryptisch verkündete, man wolle einen Don Quijote schaffen, der „alle fünf Sinne anspricht“.

Fest steht: auch für die RAE ist das Projekt Neuland, nachdem man bereits fünf gedruckte Sonderausgaben des Don Quijote veröffentlichte (1780, 1782, 1787, 1819 und 2004), soll in nicht allzu ferner Zukunft nun die sechste, digitale Fassung erscheinen. Wann genau, das hängt von der Zusammenarbeit mit den Nutzern ab, man verspricht sich bei Youtube jedenfalls eine „rege Teilnahme an dem Projekt“. Sind die 2149 Textstücke sämtlich verlesen, werden Mitarbeiter des „Centro de Estudios Cervantinos“ sie in die korrekte Reihenfolge bringen. Das hat seinen Sitz in Alcalá de Henares, wo Miguel de Cervantes Saavedra vermutlich geboren wurde.

Bleibt nur zu hoffen, dass dem digitalen Don das Schicksal der unzähligen Stars und Sternchen erspart bleibt, die durch Youtube, wie Andy Warhol wohl gesagt hätte, „15 Minuten Ruhm“ ernteten – sie sind meist längst vergessen, verschwunden in der Unendlichkeit des World Wide Web. Doch sollte das passieren, kann man ja immer noch zu einer gedruckten Fassung greifen – dem zeitlosen Kampf gegen die Windmühlen kann nicht einmal das Internet etwas anhaben.



Robin Hartmann ist freier Journalist und hat unter anderem für die BILD,WELTonline, die Frankfurter Rundschau und die TAZ veröffentlicht. Momentanstudiert er Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt.

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