KOMMENTAR: Spanische Tugend

29.09.2008 - Süddeutsche Zeitung 

Im Grunde ist der Deutsche dem Spanier wohlgesonnen. In kaum ein Land reist er so häufig wie auf die iberische Halbinsel. Er muss dort auf nichts verzichten, was er aus seiner Heimat kennt, und wird dazu meist auch noch in seiner Muttersprache eingeladen (Wurstel + Bier, 100 m links). Ja, eine ganze Insel im Osten haben die Spanier den Freunden aus dem Norden billig überlassen. Da können sie sich austoben.

Deshalb haben wir ihnen den EM-Titel gegönnt, so wie man dem gutmütigen Tollpatsch eben auch mal was gönnt. Dann aber kamen Nadal und Sastre, gewannen Wimbledon und die Tour und erinnerten uns daran, dass wir beim Tennis und beim Radeln schon seit Bobbele und Ulle nix mehr zu bestellen haben. Das tat weh. Und jetzt auch noch die Banken: Santander, Banco Bilbao
und Popular tun gerade so, als gäbe es keine Kreditkrise; als kollabierte nicht in ihrem schönen Spanien der Häusermarkt. Ja, sie gebärden sich als Weltmeister im Subprimekriseaussitzen.

Und plötzlich entdeckt der Deutsche ein neues, bohrendes Gefühl, das er im Zusammenhang mit Spanien bisher nicht kannte: Neid. Ihre irritierend gute Laune hatten wir bislang wohlwollend dem südländischen Temperament zugeschrieben; die aufgesetzte Heiterkeit berührte uns nicht, solange sie von Misserfolg begleitet war. Jetzt aber wirkt sie provozierend. Jetzt, da uns die Spanier sogar in einer Disziplin etwas vormachen, in der es wie in keiner auf deutsche Tugenden ankommt: Solidität, Vorsicht und Gewissenhaftigkeit.

Wie kann die Bank Santander in einem Quartal 2,5 Milliarden Euro Gewinn machen, in dem die Deutsche Bank - die deutscheste aller deutschen Banken - schon froh darüber ist, dass sie keine roten Zahlen schreibt? 2008 sollen es sogar zehn Milliarden Euro werden. Dafür muss eine Commerzbank selbst in guten Zeiten fünf Jahre arbeiten. Und die Zeiten sind nicht gut.

Analysten glauben jetzt, das spanische Wunder schlau erklären zu können. Santander und Co. hätten es gemacht wie die Fußballer: Aus einer starken Defensive (restriktive Kreditvergabe, gutes Risikomanagement, hohe Rücklagen) phantasievoll angegriffen (Expansion in Lateinamerika statt wie alle anderen in den USA).

Wir vermuten etwas anderes. Könnte nicht auch hier Eufemiano Fuentes, der Doping-Arzt, seine Finger im Spiel haben? EPO, CDO - das klingt doch so ähnlich. Plötzlich passt alles zusammen. Heißt es nicht, spanische Banken seien so erfolgreich, weil die Aufsichtsbehörden enge Regeln streng kontrollierten? Dass wir nicht lachen. Auch das suspekte Rad-Team um Sastre behauptet doch, "das ehrgeizigste Anti-Doping-Programm in der Geschichte des Sports" zu betreiben.

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