KOMMENTAR: Deutschland muss sich von der Vollbeschäftigung verabschieden

28.09.2007 - Wilhelm Klümper / ptx 

Die Wirtschaft brummt. Die Unternehmen stellen wieder ein. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie in den vergangenen zwölf Jahren nicht. Hurra, das sind tolle Nachrichten. Dagegen steht allerdings die brutale Wahrheit, dass noch über 3,5 Millionen Menschen in Deutschland ohne Job sind. Und Wirtschaftsfachleute warnen, dass das Wachstum seinen Zenit bereits überschritten habe und das kleine Jobwunder schon bald vorbei sei. Wir werden daher wohl weiterhin mit millionenfacher Arbeitslosigkeit zu rechnen haben.Gleichzeitig wird so getan, dass das mit der Vollbeschäftigung schon wieder werde. So heißt es in einem Leitantrag des SPD-Vorstandes für den bevorstehenden Parteitag: Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit. Deshalb wollen wir Vollbeschäftigung. Das ist als Option ohne Wenn und Aber zu unterstreichen. Allerdings hat sich die Arbeitswelt radikal verändert.Als Deutschland noch eine Industriegesellschaft mit Vollbeschäftigung war, da wurde in den westlichen Marktwirtschaften fast alles und in China und anderen Schwellenländern nahezu nichts für den Weltmarkt produziert. Die Automatisierung der Produktion und die Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft haben massenhaft Jobs hier zu Lande überflüssig gemacht. Das ist vor allem bitter für die vielen Arbeitslosen, die sich sehnlichst einen Job wünschen. Vielleicht ist es an der Zeit, vom hehren Streben nach Vollbeschäftigung Abschied zu nehmen, da der deutsche Arbeitsmarkt auch auf Dauer nicht genügend Arbeitskräfte nachfragt.Ein Bürgergeld für alle könnte eine Alternative sein, die der Realität Tribut zollt. Dabei handelt es sich um ein staatliches Grundeinkommen für alle Bürger, das die Existenz sichert. Dieses Bürgergeld wäre unabhängig von Bedürftigkeit und ersetzte alle staatlichen Zahlungen. Wem das nicht reicht, der geht weiterhin auf Jobsuche. Die Bürger müssten ihre Ansprüche nicht mehr begründen und sich nicht mehr der ständigen Kontrolle der Arbeitsagenturen unterziehen.Zur Finanzierung könnte ein Abspecken der Arbeitslosenverwaltung und Hartz-IV-Bürokratie beitragen. Jahrzehntelang aufgelegte staatliche Wirtschafts- und Bildungsprogramme haben die Arbeitslosigkeit nicht aus der Welt schaffen können. Bislang wird das Bürgergeld an prominenter Stelle vom CDU-Ministerpräsidenten Althaus und dem Drogeriekettenbesitzer Werner gefordert. Deutschland sollte über das Bürgergeld in einer breiten Debatte streiten, denn der bisherige Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit kann als verloren bezeichnet werden.

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