14.02.2022 - Philipp Dyckerhoff, pdy@pecuniaconsult.com
Mit Urteil vom 27. Januar 2022 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun endlich bestätigt, dass das Modelo 720 in vielen Details nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Das war vielen Betroffenen aufgrund der absurd hohen Strafen, die mit dem Modelo 720 verbunden waren, schon längst klar und man muss sich wirklich wundern, dass eine Entscheidung in einer so offensichtlich klaren Angelegenheit fast eine Dekade braucht.
Die ersten Klagen gegen das Modelo 720 erfolgten schon 2013. Die EU-Kommission eröffnete dann 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Spanien, das Spanien offensichtlich nicht sonderlich interessierte. Die 2017 gesetzte Frist, das Modelo 720 anzupassen, interessierte auch niemanden in der Regierung. Schließlich verklagte die EU-Kommission Mitte 2019 Spanien vor dem EuGH.
Wie geht es nun weiter?
Durch das Urteil wurde das Modelo 720 nicht außer Kraft gesetzt, es ist weiterhin geltendes Recht. Allerdings können die hohen Strafen nicht mehr angewendet und es dürfte wohl eine Verjährungsfrist von vier Jahren eingeführt werden.
Betroffene, die in der Vergangenheit Strafen zahlen mussten, können diese zurückfordern. Das dürfte erfahrungsgemäß allerdings nicht ganz einfach sein – Hacienda zahlt ungerne Geld zurück. Hinzu kommt, dass die spanische Regierung offensichtlich „vorausschauend“ gehandelt, indem schon 2015 Gesetze dahingehend geändert wurden, es den betroffenen Bürgern zu erschweren, irgendwann in der Zukunft Schadensersatzforderungen gegen den Staat durchzusetzen. Gegen dieses Vorgehen hat die EU-Kommission am 24.6.2020 ebenfalls Klage vor dem EuGH eingereicht (Rechtssache C-278/20, zu finden im Amtsblatt Nr. 2020/C 271/40 der Europäischen Union vom 17. August 2020). Mit Datum 9.12.2021 findet man hier im Internet die Schlussanträge des Generalanwalts mit folgenden Stichpunkten, die für sich sprechen: „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verstoß des spanischen Gesetzgebers gegen das Unionsrecht – Schäden, die dem Einzelnen entstanden sind – Nationale Rechtsvorschriften, mit denen die Regelung über die Haftung des Staates als Gesetzgeber für Verstöße gegen das Unionsrecht an die für Verstöße des Gesetzgebers gegen die spanische Verfassung geltende Regelung angepasst wurde – Entschädigung, die unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird – Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz“.
Dieses Thema läuft also noch. Aus Sicht des Autors ein höchst peinliches Verhalten der Regierung eines EU-Mitglieds.
Zur Erinnerung: Was ist „modelo 720“?
Wenn in Spanien unbeschränkt steuerpflichtige Personen in einer der drei Kategorien (1) Konten (Girokonto, Tagesgeld, etc.), (2) Wertpapiere jeglicher Art, Lebensversicherungen, Unternehmensbeteiligungen, etc. oder (3) Immobilien und Grundstücke jeweils in Summe mehr als 50.000 Euro im Ausland besitzen, dann müssen sie für die jeweilige Kategorie die Erklärung „modelo 720“ beim spanischen Finanzamt einreichen.
Hintergrund
Anfang 2013 wurde das entsprechende Gesetz in Spanien erlassen, mit erstmaliger Wirkung für das Steuerjahr 2012. Die Erklärung hat reinen Informationscharakter, aus ihr leitet sich keine direkte Steuerzahlungspflicht ab. Natürlich sollte man für die deklarierten Vermögenswerte im Rahmen der Einkommen- bzw. Vermögenssteuer-erklärung dann auch korrekte Angaben machen.
Mit dem Gesetz versuchte der spanische Staat die hohen Vermögenswerte, die insbesondere von vielen Spaniern im Ausland gehalten werden, wieder ins Land zurück zu holen bzw. die darauf anfallenden Kapitalertrags– und ggfs. auch Vermögenssteuern einzutreiben. Eine Amnestie-Regelung von November 2012 wurde damals von weniger als 10% der mutmaßlich Betroffenen genutzt – obwohl die Sanktionen erstaunlich gering waren. Um den Druck zu erhöhen, wurden beim „modelo 720“ sehr hohe Sanktionen eingebaut: insbesondere für den Fall, dass jemand gar nicht deklariert hat und „erwischt“ wurde. Diese Sanktionen konnten zusammen mit den Steuernachzahlungen sogar den Wert des betroffenen Vermögens übersteigen. Auch wenn man Fehler machte bei der Erklärung oder einzelne Werte vergaß, waren unverhältnismäßig hohe Strafen vorgesehen. Dazu kommt, dass es beim „modelo 720“ keine Verjährung gab.
Der Bürger ist der Dumme
Das Gesetz an sich mag ja legitim sein für einen Staat, der versucht, mehr Steuerehrlichkeit von seinen Bürgern zu erwirken. Allerdings waren die Strafen völlig unverhältnismäßig und die Art und Weise, wie der spanische Staat mit seinen Steuerpflichtigen umgeht, ist sehr fragwürdig: Das Gesetz regelt viele Details nicht eindeutig und lässt Fragen offen, die in vielen Fällen vom spanischen Finanzamt gar nicht oder nur unzureichend beantwortet worden sind. Das Gesetz lehnt sich an die steuerliche Systematik Spaniens an, dabei wurde offensichtlich vergessen, dass es sich um die Erklärung von Auslandsvermögen handelt, das häufig einer anderen Systematik unterliegt. Das Gesetz verlangt Unfehlbarkeit vom Bürger, andererseits sind Fehler bei der Erklärung vom (fehlbaren) Gesetzgeber vorprogrammiert, der Bürger sollte dafür Strafe zahlen!
Selbst Bürger, die immer die Erträge ihres Auslandsvermögens deklariert und ihre Vermögenssteuererklärung abgeben haben – das spanische Finanzamt kannte also alle Details – müssen trotzdem das „modelo 720“ abgeben bzw. unterlagen den hohen Strafen, wenn sie es nicht tun.
Und was bedeutet das nun für den Einzelnen?
Derzeit ist die Pflicht zur Deklarierung des Auslandsvermögens also weiterhin geltendes Recht. Immerhin dürfen die hohen Strafen nicht mehr angewendet werden und Betroffene können mit dem Prozess der Rückforderung der ggfs. bezahlten Strafen beginnen. Immerhin gibt auch für die Rückforderung der Strafzahlungen anscheinend keine Verjährung, ganz der „Logik“ des ursprünglichen Modelos 720 folgend.
Es wird erwartet, dass die Verjährungsfrist, wie z.B. auch bei der Einkommensteuer, auf vier Jahre begrenzt werden wird. Fraglich ist nur, wie lange die spanische Regierung nun dafür benötigt, das Gesetz neu zu formulieren.
Der Autor empfiehlt, der Pflicht zur Abgabe der Erklärung auch weiterhin nachzukommen. Sollte jemand es bisher verpasst haben, das modelo 720 überhaupt abgegeben zu haben, empfiehlt es sich, es verspätet einzureichen, zumindest mit den Daten rückwirkend bis 2018 (2017 und die Jahre davor dürften verjährt sein).
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