SERIE: Interkulturelle Hürden

11.01.2009 - Anne Rupp 

Kulturunterschiede betreffen weitaus mehr Aspekte als Architektur, Essverhalten, Gebräuche etc.. Es gibt auch Unterschiede in der Art zu kommunizieren, arbeiten und managen, die – wenn nicht erkannt - Ursachen für Missverständnisse und Misserfolge sein können. Dies trifft nicht nur auf weit voneinander entfernte Kulturen zu, sondern auch auf relativ nah beieinander liegende Länder wie Deutschland und Spanien. Die vorliegende Serie befasst sich mit einigen typischen Unterschieden zwischen Spaniern und Deutschen und gibt Tipps zur Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit. Ich stütze mich dabei sowohl auf Ergebnisse von wissenschaftlichen Untersuchungen als auch auf meiner Erfahrung als interkulturelle Trainerin.

Direkte und indirekte Kommunikation

Ein wichtiger Unterschied zwischen Spaniern und Deutschen betrifft die Direktheit von Aussagen. Sehen wir uns zunächst ein konkretes Beispiel aus der Praxis an (realer Fall): Die spanische Geschäftsführerin eines Unternehmens bittet eine deutsche Angestellte zu einem Gespräch. Zwischen der Deutschen und ihren spanischen Kollegen sind Spannungen aufgetreten. Die Geschäftsführerin beschreibt ihre Wahrnehmung: „Manchmal bittest du deine spanischen Kollegen um etwas und fragst sie, ob sie es dir am gleichen Tag fertig stellen können. Vielleicht hat aber die betreffende Person so viele andere dringende Angelegenheiten zu erledigen, dass es ihr am gleichen Tag nicht möglich ist. Es fällt ihr aber schwer, dir einfach mit ‚Nein‘ zu antworten, daher sagt sie etwas im Stil von: ‚Jetzt sofort kann ich es nicht machen, aber ich werde versuchen, es später zu machen‘. Du lässt dann nicht locker und fragst: ‚Später, wann genau?‘.

In Wirklichkeit wollte deine Kollegin dir ‚Nein‘ sagen, es scheint jedoch so, als ob du dies nicht verstehst, denn du hakst beständig nach und lässt nicht locker, was die andere Person in eine unangenehme Situation bringen kann. Auf der anderen Seite scheinst du kein Problem damit zu haben, einfach ‚Nein‘ zu sagen, was andere Personen vor den Kopf stoßen kann. Es kann auf die anderen forsch und aggressiv wirken und zu schlechter Stimmung dir gegenüber führen“.

Die beschriebene Situation ist kein Einzelfall, sondern ein typisches Beispiel für einen direkteren bzw. indirekteren Kommunikationsstil. Studien beschreiben diese Unterscheidung folgendermaßen: In Kulturen, für die ein direkter Kommunikationsstil typisch ist, stellt es ein Ideal dar, das zu sagen, was man denkt, auch wenn es sich um eine negative Botschaft handelt. Die Bedeutung von Gesagtem wird in der Regel wörtlich genommen (‚meine Kollegin hat gesagt, sie probiert es später, also frage ich nach, wann genau, damit ich mich darauf einstellen kann‘).

Im Normalfall wird relevante Information explizit gegeben, es ist nicht notwendig, zwischen den Zeilen zu lesen. Deutschland zählt neben Ländern wie Holland zu den weltweit direktesten Kulturen. In vielen anderen Kulturen, unter anderm in Spanien, wird oftmals ein indirekter Kommunikationsstil bevorzugt. Dies gilt vor allem dann, wenn ein Anliegen oder Vorschlag abgelehnt wird, Kritik geübt werden soll oder man seinem Gesprächspartner widersprechen möchte. Eine offene Ablehnung gilt als unhöflich, daher werden statt eines direkten „Nein“ Formulierungen wie „Das könnte schwierig werden“, „Ich werde mein Bestes tun, kann es aber nicht versprechen“, „Das müssen wir noch einmal genauer besprechen“ benutzt oder wie in unserem Beispiel: „Jetzt nicht, aber später versuche ich es“.

Wer an einen indirekten Kommunikationsstil gewohnt ist, achtet neben dem Kontext auch auf non-verbale Signale und kann im Normalfall die Botschaft „zwischen den Zeilen“ entschlüsseln: Er weiß, wann ein „vielleicht“ wirklich „vielleicht“ oder „wahrscheinlich“ oder „nein“ bedeutet. Welche Auswirkungen dieser Kommunikationsstil auf Aspekte wie Feedback, Kritik und Reklamationen hat, werden wir in einem der nächsten Artikel beleuchten.

Solange Personen mit gleichem Kommunikationsstil miteinander kommunizieren, gibt es im Normalfall keine Probleme. Schwierigkeiten und Missverständnisse können sich ergeben, wenn Menschen mit unterschiedlichem Kommunikationsstil aufeinandertreffen: Jemand aus einer direkteren Kultur, der es gewohnt ist, die Informationen explizit in Worte gefasst zu bekommen, kann die Nachricht des indirekteren Gesprächspartners nicht immer richtig oder vollständig entschlüsseln.

Wer einen Kollegen um ein Feedback zu einem dreigliedrigen Essay bittet und die Antwort bekommt: „Teil 1 und 2 sind wirklich gut“, kommt nicht immer auf die Idee, dass dies eine implizite Kritik des dritten Teils beinhaltet („gäbe es etwas zu kritisieren, hätte er es mir ja gesagt“). Eine Person mit indirektem Kommunikationsstil wird hier oftmals als unaufrichtig bzw. unehrlich („warum sagt er mir nicht, was er denkt?“) oder charakterschwach („er traut sich nicht, nein zu sagen“) wahrgenommen. Umgekehrt empfindet jemand aus einer indirekteren Kultur Menschen mit direktem Kommunikationsstil oftmals als brüsk, unhöflich, dominant oder aggressiv. Folgen können Missstimmungen, Konflikte und die Beeinträchtigung der Zusammenarbeit sein.

Wenn Sie als Deutscher mit Spaniern zusammenarbeiten, beherzigen Sie folgende Tipps:

Kommunizieren Sie auf der einen Seite „negative Botschaften“ wie Ablehnung oder Kritik indirekter, als Sie es in einem deutschen Kontext tun würden. Seien Sie auf der anderen Seite aufmerksam, was mögliche Botschaften „zwischen den Zeilen“ betrifft.
Sowohl das indirekte Kommunizieren als auch das Entschlüsseln von versteckten Botschaften lässt sich trainieren und gehört zu den festen Bestandteilen meiner Spanientrainings für Deutsche. Hilfreich ist auch, sich bewusst zu machen, dass bestimmte Reaktionen keine „Charaktersache“ sind, sondern schlicht das Ergebnis einer spezifischen Kommunikationskultur. Wie fasste ein Spanier so schön am Ende eines Deutschlandtrainings zusammen, was ihm im Laufe des Tages klar geworden war: „Los alemanes no son bordes, simplemente tienen otras normas de comunicación!!!”

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