Spanien: ist nach der zweiten Parlamentswahl wieder vor der Wahl?

23.07.2016 - Karl H. Lincke 

Am 26. Juni 2016 haben die Spanier zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres ihr Parlament gewählt, nachdem sie sich nach den Wahlen im Dezember 2015 nicht auf die Ernennung eines Ministerpräsidenten einigen konnten.

 

Laut Aussage von deutschen Unternehmen in Spanien haben sich diese durch die instabile politische Lage anscheinend nicht zu stark in ihrer wirtschaflichen Aktivität beinträchtigt gefühlt. Dem Wahlausgang wurde dennoch gespannt entgegengesehen. Für Anspannung sorgte besonders das Wahlprogramm der Partei Unidos Podemos, welches vorsieht, die Reformen der letzten Jahre, die für den leichten wirtschaftlichen Aufschwung in Spanien mitverantwortlich sind, rückgängig zu machen.

 

Wie schon bei der Brexit-Entscheidung lagen die Meinungsforschern daneben, wirklich viel geändert hat sich im Kräfteverhältnis der Parteien im spanischen Parlament aber nicht. Die regierende Volkspartei (Partido Popular, PP) hat entgegen den Prognosen Mandate hinzugewonnen. Jedoch kann sie auch zusammen mit den liberalen Ciudadanos keine Mehrheit im Parlament bilden. Auch ein Linksbündnis aus Sozialisten (PSOE) und Unidos Podemos führt entgegen der Umfragen vor der Wahl nicht zu einer Mehrheit und wäre auf die Unterstützung von regionalen Parteien angewiesen.

 

Die spanischen Medien gehen davon aus, dass es diesmal zu einer Regierungsbildung durch eine Kooperation der Sozialisten mit der Volkspartei kommen wird und halten die Wahl von Mariano Rajoy zum Ministerpräsidenten für wahrscheinlich. Die einzige Alternative wären erneute Wahlen, wofür man die spanischen Bürger sicherlich nicht begeistern könnte, denn schon in diesem Wahlgang war die Politikmüdigkeit an der geringen Wahlbeteiligung spürbar.

 

Die Volkspartei PP ist relativer Wahlsierger

Die Volkspartei (Partido Popular, PP) von Mariano Rajoy verzeichnet einen deutlichen Zugewinn an Stimmen und Mandaten: sie konnte im Vergleich zur Wahl von Dezember 700.000 Stimmen und 14 Mandate hinzugewinnen; sie erreicht aber dennoch keine absolute Mehrheit.

 

Für die Regierungsführung und die Wiederwahl von Mariano Rajoy braucht die PP Unterstützung weiterer Parteien; hierbei werden die Sozialisten der PSOE eine wichtige Rolle spielen.

 

Die Sozialisten PSOE verlieren, bleiben aber zweitstärkste politische Partei

Die Sozialistische Partei hat erneut Stimmen verloren, dennoch bleibt sie die zweitstärkste politische Kraft in Spanien und liegt deutlich vor Unidos Podemos. Ohne die PSOE kann keine andere Partei eine Regierung in Spanien bilden.

 

Unidos Podemos verliert und bleibt deutlich hinter PSOE

Die Linkspopulisten Unidos Podemos unter der Führung von Pablo Iglesias erleben eine herbe Niederlage. Sie haben gegenüber der Wahl vom vergangenen Dezember 1. Mio. Stimmen verloren.

 

Wesentlich schlechteres Ergebnis

Das Ergebnis von Ciudadanos ist wesentlicher schlechter im Vergleich zur Wahl im Dezember 2015. Die liberale Partei ist neben Podemos die zweite neue Partei im spanischen Parteiensystem. Sie gilt als „natürlicher“ Partner der PP: Ciudadanos hat ein gemässigtes, marktwirtschaflich ausgerichtetes Programm sozialer und politischer Reformen. Die Summe der Mandate der beiden Parteien reicht jedoch nicht für eine Regierungskoalition.

 

Gründe für die sehr geringe Wahlbeteiligung

Die geringe Wahlbeteiligung von 69,84% hat das Wahlergebniss beeinflusst.

 

Gründe für die geringe Beteiligung:


    •    Ungünstier Termin, denn in vielen Autonomen Regionen haben die Schulferien schon begonnen;
    •    Politik- und Parteienverdrossenheit aufgrund anhaltender Korruptionsskandale und des politischen Stillstands der letzten Monate;

 

Es handelt sich bei der Wahlbeteiligung um die geringste seit den ersten demokratischen Wahlen in Spanien.

 

Aus deutscher Sicht ist es überraschend zu sehen, wie schwer sich spanische Politiker mit einer grossen Koalition tun. Während man sich in Deutschland mit ihr als Dauerzustand in Bund und vielen Ländern abgefunden hat, scheinen sich die ehemals in Spanien in einem Bürgerkrieg gegenüberstehenden verfeindeten Lager immer noch grosse Animositäten zu hegen.

 

Autor: Karl H. Linck (www.businessinspanien.com)

 
Quellen: ahk.es; Konrad Adenauer Stiftung, Analysen und Berichte, Juni 2016; Commerzbank, Economic Briefing, Juni 2016

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