TIPP: Die vorweggenomme Erbfolge und ihre Risiken

22.07.2011 - Matthias Wohlfahrt / Wohlfahrt Abogados 

Des Öfteren übertragen Eltern im fortgeschrittenen Alter Vermögen auf ihre Kinder. Dies wird zum Einen von den Anwälten empfohlen, da sich Verfügungen auf den Todesfall von „warmer Hand“ besser gestalten lassen. Zum Anderen ist zu beobachten, dass Vermögenswerte sehr unüberlegt übertragen werden.

Wie es so oft in der Juristerei ist, ist jeder Fall einzeln zu betrachten. Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, ob jemand, der nur ein Haus besitzt, dieses als einzigen Vermögensgegenstand weitergibt oder ob jemand aus einem großen Vermögen einen kleinen Teil weitergibt.

Zu den grundsätzlichen Möglichkeiten im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge.

Deutsche Staatsbürger können z.B. an deren Abkömmlinge alle 10 Jahre steuerfrei 400.000,00 übertragen. Haben Vater und Mutter Vermögen, so sind dies 800.000,00 alle 10 Jahre pro Kind. Aus dieser Möglichkeit können auch für spanische Immobilien interessante Konstruktionen gestaltet werden. Aus steuerlichen Gründen ist eine solche Konstruktion durchaus zu empfehlen.
Bei kleineren Vermögen (z.B. ein deutscher Staatsbürger besitzt nur ein Haus in Spanien) wird oftmals das Eigentum am Haus an die Kinder übertragen und der Übertragende behält sich den Nießbrauch vor.


Kritik und Bedenken an den Möglichkeiten in Ziffer 1.

Bei den Vorabübertragungen z.B. an die Kinder, aber auch unter Sicherungsaspekten an die Ehefrau wird immer davon ausgegangen, dass „der Reihe nach“ gestorben wird. Dies ist aber leider nicht immer so – Schicksalsschläge können erhebliche, nicht eingeplante Steuerfolgen mit sich bringen – . Stirbt zum Beispiel das einzige, vorabbedachte Kind bei einem Unfall, erben die Eltern. – Ein ganz normaler Erbfall, der Erbschaftsteuer auslöst – . So ist dann das Steuersparmodell zum Steuerverdoppelungsmodell geworden.

Ehemänner gehen gleichsam ständig davon aus, dass Ehefrauen länger leben. Dafür gibt es aber keine Garantie. Was kann man tun? Für diesen Fall sollte im Übertragungsvertrag eine so genannte „Rückfallklausel“ vereinbart werden. Dann entgeht man der Steuerpflicht. Hier sind viele Besonderheiten zu beachten, damit es nicht zu teuren Überraschungen kommt.
Bei den kleineren Vermögen, wie oben beschrieben, herrscht aus welchen Gründen auch immer, ein man könnte fast sagen, Übertragungszwang. Je kleiner die Vermögen desto mehr beschäftigen sich die Erblasser mit diesem Thema.

In vielen Fällen bitte ich den Mandanten, der z.B. sein Einfamilienhaus an seine Kinder übertragen möchte, sich diesen Schritt noch einmal gründlich zu überlegen, da er sich damit vermögenslos macht. Üblicherweise bekommt man dann zur Antwort, dass man es mit einer funktionierenden Familie zu tun hat und wann immer diese Konstruktion geändert werden muss, die Familie damit einverstanden sein werde.
Ich habe gerade einen Fall bearbeitet, wo der Vater an seine beiden Kinder seinen einzigen Vermögensgegenstand, nämlich ein großes Haus an der Costa del Sol, übertragen hat. Lediglich der Nießbrauch für den Vater wurde vereinbart. Weiterhin wurde in einem Protokoll über einen „Familienrat“ festgehalten, dass die Kinder, wenn der Vater sich entscheidet doch zu veräußern, all dies bestimmen kann (obwohl er nicht mehr Eigentümer ist). Die Kinder würden dann das Geld ausgekehrt bekommen. Für den Fall, dass der Vater pflegebedürftig wird, sollte dieses Geld dann eben zur Pflege verwendet werden.
Der Fall ist eingetreten, der Vater konnte nicht mehr alleine in dem Haus leben und hat einen Käufer gefunden, sogar zu einem sehr guten Kaufpreis. Die Kinder weigern sich unter Außerachtlassung der Vereinbarungen im Familienrat und es kommt zu einer Pattsituation. Die Immobilie konnte nicht verkauft werden.

Weiterhin ist zu bedenken, dass bei einem Verkauf der Nießbrauchsberechtigte immer mitunterzeichnen muss, da der Nießbrauch auch einen bestimmten Wert im Verhältnis zum Eigentum hat. Kann der Nießbraucher aufgrund des fortgeschrittenen Alters z.B. nicht mehr unterschreiben (weil er geschäftsunfähig wird), so ist auch hier ein Verkauf ausgeschlossen.
Auch bei diesem zweiten Beispiel hinsichtlich kleinerer Vermögen gibt es eine Menge zu beachten.

Grundsätzlich geht meine Meinung allerdings dahin, dass viel zu schnell und unüberlegt an die junge Generation Vermögenswerte übertragen werden. Zwar hört man wie so oft, es handele sich um eine normal funktionierende Familie. Was allerdings durchaus fast immer außer Acht gelassen wird, ist, dass die Familienverhältnisse sich durch Eheschließungen und Scheidungen sowie überraschende Todesfälle ändern können. Wie oft höre ich, dass der Bösewicht nicht die eigene Tochter sondern deren Ehemann ist, der einen gewaltigen Einfluss auf sie ausübt.
Mein Tipp an meine älteren Mandanten, die mit solchen Gedanken spielen, kann nur sein: überlegen Sie sich bitte zweimal, ob sie insbesondere bei kleineren Vermögenswerten Ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit aufgeben wollen. Das Leben und dessen Verlauf können Sie nicht beeinflussen!

Eines ist aber sicher: Sie müssen sich in diesen komplizierten Angelegenheiten insbesondere in den sich überschneidenden Rechtssystemen Spanien/Deutschland und den entsprechenden Steuersystemen unbedingt beraten lassen. Die steuerliche Betrachtungsweise ist insbesondere im Erb- und Schenkungsteuerrecht bei jeder juristischen Konstruktion sozusagen spiegelbildlich anzulegen.

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