Smart City und die Zukunft des Tourismus in Barcelona

18.04.2016 - Rafa Heberling 

Abgeordnete des Rates der Stadt Köln, Partnerstadt von Barcelona, unternahmen letzte Woche auf eigene, private Kosten eine Informationsreise in die Smart City am Mittelmeer.

 

Hierbei kamen einige Dinge zu Tage, die selbst den hier Ansässigen vielleicht noch gar nicht so bekannt sind.

 

Was bedeutet eigentlich Smart City?  Sind das die Elektro-Fahrräder oder die Mülleimer, die melden, wenn sie voll sind? - Auch.

 

Es sind themenübergreifende, breit aufgestellte Projekte, die in erster Linie helfen sollen, mittels moderner IT und Daten-Auswertung das alltägliche Leben in der Stadt zu verbessern. Von Verwaltungsangelegenheiten bis zur Neuordnung und Lenkung der Touristenströme. Straßenreinigung, Abfallwirtschaft, Tourismus, Verkehrssteuerung, Abgas-Emission, Beleuchtung und Wartung des öffentlichen Mobiliars: alles ist betroffen, was Touristen wie Bürger in Barcelona das Leben einfacher machen könnte.

 

Hierzu wurde ein eigenes OS (operating System) namens „Sentilo" als Plattform entwickelt, das in der Lage ist die unterschiedlichen Daten als "Big Data" zu sammeln und auszuwerten. Sentilo wird zum Teil von privaten Unternehmen und zum Teil von der Stadt finanziert und betrieben. Hier geht das Thema sogar hin bis zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, die dabei entstehen können. Das "Rathaus OS“ ist immerhin so erfolgreich, dass es bereits in vielen weiteren Städten getestet wird, Terrassa, Reus und Tarragona haben es bereits „gekauft“ und setzen es ein.

 

Was sich bis hier her vielleicht ein wenig schwammig anhört, lässt sich anhand konkreter Projekten einfacher betrachten:

 

Verwaltung und Bürgerbeteiligung via Internet kann man sich sicher noch leicht vorstellen. Was soll mit dem Tourismus im Viertel passieren, wie soll die Zukunft der Rambla aussehen…? Hier können die Bürger Barcelonas allesamt Ihre Vorschläge online abgeben die auf der Plattform Sentido ausgewertet werden. Wer keinen Computer hat, wird von mobilen Brigaden vor Ort auf dem Markt oder der Rambla (bzw. anderen Straßen) befragt. Verschmolzen mit dem Know-how der Experten aus Wirtschaft und Politik ergibt sich daraus das später umzusetzende politische Konzept.

 

In dem Stadtviertel Les Corts (um das Stadion herum) gibt es einen gründlichen Feldversuch zur interaktiven Verkehrslenkung. Neben Ampelschaltung wird auch das Parkplatz Management mittels Sensoren in der Straße geführt. Die Fahrer der Lieferfahrzeuge für die Geschäfte und die Privatpersonen wissen durch eine kostenlos zur Verfügung gestellte (Smartphone-) App, wo der nächste freie Parkplatz ist, sie können sich in den Ladezonen anmelden und man kann sogar die Parkplatzgebühr sekundengenau via App bezahlen. Dadurch werden unnötige 'Suchrunden' der Autofahrer vermieden, was letztlich zu weniger Schadstoffemission, somit zu besserer Atemluft führt und zu schnelleren Abläufen bei der Warenlieferung. So lassen sich auch bedarfsbedingte Verkehrslenkungen zu Spitzenzeiten leichter anpassen (übrigens kam bei dieser Gelegenheit heraus, dass die 'grüne Welle' eine Kölner Erfindung in den 1970er Jahren war). Eine grüne Welle und verkehrsabhängige Beschilderung wünschen sich die vielen Taxifahrer in Barcelona schon lange.

 

Dabei wird auch die Verkehrslenkung von Bus und Bahn integriert. Bevor man die Sensoren und Videokameras per Funknetz überall in der Stadt verteilt, werden erst einmal schwerpunktmäßig - wie in Les Corts - Versuche ausgewertet, um schließlich die Wirksamkeit und Rentabilität zu testen. So ist man bereits von der Müllcontainer-Vernetzung wieder abgekommen: zu teuer im Verhältnis für das, was es bringt. Die Parkplatzbewirtschaftung hingegen scheint mehr als rentabel auszusehen.

 

Eines der vielen Hindernisse ist die erlaubte Geschwindigkeit der öffentlichen WLAN-Verbindungen. Die sind per Gesetz aus Madrid gedrosselt, um hier alle Städte Spaniens gleichzustellen. Dank moderner Glasfasertechnik könnte Barcelona hier viel mehr liefern als sie dürfen.

 

Dazu kommt ein Plan, der die Touristenströme und auch deren Mobilität dezentralisieren und zur Zufriedenheit aller lenken soll.

 

Bei aller Vielschichtigkeit der Touristen, sowohl Übernachtungsgäste als auch Ausflügler, Einheimische, die zur Shoppingtour aus dem Umland anreisen, Tagesausflügler von den Kreuzfahrtschiffen oder Städtereisenden, Messebesuchern und Urlaubern: die meisten konzentrieren sich auf die üblichen Verdächtigen wie  Sagrada Familia , Rambla, Raval und Gotico und noch ein wenig Stadion bei ihren Besuchen Barcelonas, was hin und wieder zu Problemen führen kann. Der Frischemarkt Boquería, beispielsweise, hat den Besuch von Gruppen größer als 15 Personen inzwischen verboten, damit die fotografierenden Touristen denjenigen nicht mehr im Weg stehen, die eigentlich ihre Einkäufe dort tätigen wollen und das Marktgeschehen schliesslich finanzieren.  So werden mit speziellen Angeboten weitere Schätze der Stadt in kostenlosen Apps promoviert, um dazu zu verlocken, dass die Gäste sich auf mehrere Punkte in Barcelona zu verteilen. Auch die bisher oft vernachlässigten Außenbezirke sollen in den Bars und Restaurants z. B. ein wenig mehr vom Kuchen des Tourismus abbekommen. Der „Bunker“, eigentlich eine alte FLAK Batterie über Barcelona oder der Torre Baró, von wo aus man den schönsten Blick über Barcelona hat, wird dabei schon gut angenommen. Der Einsatz von Twitter, Snapchat, Instagram, Facebook in Zusammenarbeit von Förderprogrammen, die eigens dafür entworfen wurden, hilft bei der schnellen Verbreitung. So war das Video zur modernen Coverversion von „there ain’t nobody…“ kaum im Netz, drehen immer mehr Gruppen Jugendlicher hier ihre Selfie-Videos und alle freuen sich. Die Nachfrage nach diesem neuen Touristen-Hotspot steigt.

 

Vor allem in von Touristen fast vollständig „überlaufenden" Ecken wie Barceloneta und Gótico oder  Sagrada Familia kam es in der Vergangenheit oft zu Bürgerprotesten gegen diese Einnahme-Möglichkeit aus dem Tourismus. Außerdem befürchtet man, dass die Viertel, wie z. B. Sant Martí, die beinahe nur noch aus Hotels oder Ferienwohnungen bestehen, dass man mit den autochthonen Einwohnern auch den Flair vertreibt, der Barcelona schließlich so attraktiv macht. Man bemüht sich vermehrt darum, die Attraktivität des jeweiligen Viertellebens mit seinen Bars, kleinen Geschäften und Sehenswürdigkeiten, die zum Flanieren einladen, zu erhalten. Politisch hat die Auswertung unter Sentilo jetzt bereits ergeben, dass für das an Hotels übersättigte Viertel Sant Martí keine neuen Hotel-Lizenzen mehr vergeben werden. Das wiederum schmeckt z. B. der Hilton-Kette gar nicht, die genau an der Grenze des Viertels den Torre Agbar, das „Zäpfchen“, wie der moderne Tower liebevoll genannt wird, vom Verwaltungsgebäude der Wasserwirtschaft zum Hotel umbauen wollte. In Sant Pere wird fleißig weiter an einem Hotel gebaut, das wohl auch vor Gericht um die Lizenz kämpft, heißt es gerüchtehalber.

 

Selbst zum Kostensparen soll die Auswertung dieser Big Data dienen: wenn etwa eine Laterne gewartet oder getauscht werden muss, könnte man ja vielleicht auch gleich weitere Gewerke koordinieren:  den Kanal mit reparieren oder das Schlagloch in der Nähe entfernen, um durch die Koordination der Gewerke, die sonst selten in Berührung kommen, Kosten zu sparen.

 

Mit staunenden Gesichtern verließen wir zusammen das Rathaus und wunderten uns dann über eine unglaubliche Warteschlange vor dem Bürgerbüro: Systemausfall. Die Automaten und die Verwaltungsakte per Internet hatten an diesem Tag wohl einen "unangekündigten Streik“.Nun,  aller Anfang ist eben schwer…

 

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Bildunterschrift: die Kölner vor dem Schirmhaus an der Rambla. Der Schirmhersteller aus BCN hat mit einem Kölner Schirme-Hersteller und -Vertrieb zusammengearbeitet.

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