Katalanisch im Alltagsleben
Hallo, da ich eigentlich nur Katalanen kenne, bin ich natürlich voreingenommen und habe große Sympathie für die katalanische Kultur. Ich denke, man kann nicht von Sprachdiktatur sprechen, denn im Grunde kann doch jeder so sprechen wie er mag - und tut es auch- einzig: man kann nicht immer erwarten, verstanden zu werden und eine Antwort zu bekommen, aber dieses Schicksal kann einen "Preußen" in Bayern oder in Südbaden auch ereilen. - Was übrigens Standard-Deutsch anbelangt, so ist das tatsächlich eine von Dichtern, Wissenschaftlern und Intelektuellen über die Jahrhunderte entwickelte Kunstsprache, die eben bewußt nicht auf einem speziellen Dialekt basiert (manche denken ja, es wäre "Hannoverisch"), sondern Merkmale aller deutschen Dialekte vereint, eine Art Esperanto für Deutschland , und Tatsache ist auch, dass das Niederdeutsche, das in Norddeutschland ursprünglich gesprochen wurde, durch diese Standardsprache eben weitgehend verdrängt wurde. - - Es gibt Katalanen, die sich nur als Katalanen fühlen, solche die sich nur als Spanier fühlen und wieder andere, die sich sowohl als auch fühlen. Dass Katalonien überhaupt existiert und dass es eine katalanische Frage gibt ist in Deutschland erst sein wenigen Jahren und auch nur ganz zaghaft ins öffentliche Bewußtsein gedrungen, und die meisten, die heute nach Barcelona reisen, denken immer noch, sie fahren nach Spanien - zu Sangria, Stierkampf und Flamenco. Die franquistische Propaganda hat über Jahrzehnte dieses Spanienidyll mit sehr großem Erfolg verbreitet. Aus historischen Gründen ist es aber für einen Katalanen nicht so einfach, sich mit Spanien zu identifizieren: Katalonien hat im Bürgerkrieg sehr geschlossen gegen die Franquisten gekämpft und wurde nach der Niederlage wie ein besetztes Land behandelt. Die Sprache wurde verboten, viele spanische Lehrer wurde nach Katalonien geschickt, um aus den Katalanen gute Spanier zu machen, die Überfremdung wurde weiter gefördert. Die Opfer der Franquisten liegen noch verscharrt in den Strassengräben, kein Täter wurde je zur Verantwortung gezogen, kein Opfer je rehabilitiert. LLuis Companys zum Beispiel, der letzte katalanische Präsident -Deutschland hat sich nach dem Krieg bei seiner Lebensgefährtin dafür entschuldigt, ihn an Franco ausgeliefert zu haben, Spanien hat meines Wissens bis heute nicht einmal das Todesurteil gegen ihn aufgehoben. Und es gibt eben auch diesen immer noch weit verbreiteten "Arriba Espana" Nationalismus, der jedem Katalanen und auch jedem Demokraten die Zornesröte ins Gesicht treiben muß. Was viele "espanyolistische" Politiker in Spanien als Transición feiern ist im Grunde eine historische Farce erster Klasse gewesen, die einzig das Ziel hatte, für die franquistische Elite beim nicht mehr vermeidbaren demokratischen Wandel das Beste herauszuholen. - Ein Staat, der sich nie wirklich seiner Geschichte gestellt hat, macht es schwer, sich mit ihm zu identifizieren. - Als Deutsche sollte man sich zurückhalten, den Katalanismus vorschnell abzuurteilen. Aus der Sicht einer kleinen Volksgruppe ist Nationalismus Selbsvergewisserung und Selbstbehauptung und hat durchaus eine gewisse Berechtigung, Nationalismus dagegen von Großstaaten ist eigentlich immer Imperalismus. Franco hatte seinen Sieg und damit den Sieg des "Spanischen Reichs" wesentlich auch deutscher Hilfe zu verdanken (auf Barcelona und Tarragona sind auch sehr viele deutsche Bomben gefallen)... Wie auch immer, jenseits aller Politik habe ich bezüglich Fremdsprachen eine ganz klare und praktische Einstellung: wenn ich in ein Land komme, interessiere ich mich für die Kultur und die Sprache, allein schon aus Respekt vor den Menschen, wenn ich in Dänemark lebe, lerne ich Dänisch, und wenn man nach Katalonien kommt, meine ich, ist es auch nicht zu viel verlangt ein bißchen wenigsten Katalanisch zu lernen. ... Und übrigens: Katalanisch ist keine "Hinterwäldlersprache". Das erste Wörterbuch Deutsch-Katalanisch stammt von 1502. ...