Geht so Europa? Offener Brief an das BMF

03.02.2021 - Philipp Dyckerhoff, pdy@pecuniaconsult.com 

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit gut 15 Jahren unterstütze ich Deutsche in Spanien und Spanier in Deutschland bei Themen, die mit ihrem Leben „zwischen“ Deutschland und Spanien zu tun haben. Ich selbst habe über 20 Jahre im Ausland gelebt, davon viele Jahre in unterschiedlichen Ländern der EU.

 

Daher verfolge ich auch immer wieder Änderungen z.B. des DBAs (Doppelbesteuerungsabkommen) zwischen Deutschland und Spanien (DBA). Die Änderung des Artikel 17, Absatz 2 zur Besteuerung von Renteneinkünften führt in der Praxis für die betroffenen Bürger und Bürgerinnen zu großen Schwierigkeiten. Ich hatte ca. 2013 dazu mit dem Finanzamt Neubrandenburg telefoniert und gefragt, wie man denn gedenke, diese Regel umzusetzen. Damals hieß es nur, dass man das noch gar nicht wüsste. Allein das ist schon schlimm genug, dass Gesetze und Regulierungen auf den Weg gebracht werden, ohne dass sich die Verantwortlichen Gedanken zur Umsetzung gemacht haben, geschweige denn diese vorbereitet hätten. Die Prozesse sollten bei Inkrafttreten schon definiert und selbst in Kraft sein – so würde es in jedem Unternehmen bei Umsetzung eines Projektes funktionieren (müssen!).

 

Ich erlaube mir auch, das Büro von Herrn Dr. Schäuble zu kopieren, da er damals als Finanzminister u.a. auch für dieses DBA verantwortlich war.

 

Vermehrt höre ich nun von Deutschen in Spanien, dass sie aus Deutschland Aufforderungen zur Abgabe von Steuererklärungen zu ihren Renteneinkünften für die Jahre ab 2014 bekommen. Abgesehen davon, dass viele der Betroffenen schon älter und damit völlig überfordert sind, zeigt dieses Vorgehen, dass offensichtlich den deutschen Finanzämtern überhaupt nicht bewusst ist, wie die Finanzämter in Spanien funktionieren. Wenn ein Deutscher Rentenempfänger, der in Spanien unbeschränkt steuerpflichtig ist, in Deutschland nun 5% Steuern auf seine deutschen Renteneinkünfte zahlt, müsste er sich dieses Geld vom spanischen Finanzamt wieder zurückholen. Nun ist es aber einerseits recht umständlich und vor allem langwierig, vom spanischen Finanzamt Geld zurückzufordern und andererseits gibt es eine Verjährungsfrist von vier Jahren in Spanien. Ohne es geprüft zu haben, könnte ich mir vorstellen, dass es sogar unmöglich ist, jetzt noch Geld vom spanischen Finanzamt für die Jahre 2014, 2015 und 2016 zurückzufordern, weil die Vorgänge geschlossen sind. Ich denke, diese Details reichen, um Ihnen zu verdeutlichen, was für eine Zumutung eine solche Regelung wie die des Artikels 17 Absatz 2 für die Bürger und Bürgerinnen darstellt. Und dies umso mehr, als dass die deutschen Finanzämter Jahre gebraucht haben, die Umsetzung dieser Regeln überhaupt zum Laufen zu bringen.

 

Folgende Gedanken/Fragen zu diesem Thema:

 

  • Wieso hat die Umsetzung so lange gedauert? Dieser enorme Zeitverzug seitens der deutschen Finanzämter geht nun zu Lasten der Betroffenen. Eine angemessene Regelung sollte vorsehen, dass die Umsetzung mit dem Vorjahr des Jahres beginnt, in dem die Aufforderungen zur Abgabe der Steuererklärungen versendet werden. Ich hoffe nur, dass für die verspätete Zahlung dieser Steuern die deutschen Finanzämter dann nicht auch noch die 6% Zinsen (p.a.) für verspätete Zahlung fordern. Das wäre dann wirklich der Gipfel. Oder hat darüber vielleicht noch niemand nachgedacht und ich gebe Ihnen nun eine „gute Idee“?
  • Ich frage mich, ob sich einer der Verantwortlichen auf deutscher und auch auf spanischer Seite damit beschäftigt hat, wie hoch das Volumen des Steueraufkommens aus diesen 5% (und in Zukunft ab 2030 dann 10%) sein dürfte. Ich wage zu bezweifeln, dass es sich hier um ein großes Volumen handelt. Dem gegenüber steht sowohl auf Seiten der Finanzämter als auch auf Seiten der Steuerzahler ein sehr hoher Aufwand gegenüber, der kaum gerechtfertigt sein dürfte.
  • Wenn dieses Steueraufkommen tatsächlich so relevant wäre für die Bundesrepublik bzw. für Spanien, wäre es doch naheliegend, die Abwicklung auf Ebene der Finanzämter beider Länder zu organisieren. Die Daten liegen den Finanzämtern ja ohnehin vor und der Aufwand für alle Beteiligten, auch für die Finanzämter, dürfte dadurch erheblich sinken.

 

Solche Regelungen führen sicherlich nicht dazu, dass die EU zukünftig besser funktioniert. Es wird seitens der Politik immer von Vereinheitlichung der Steuersysteme gesprochen. Wenn noch nicht einmal in so einem an sich einfachen Fall eine pragmatische Lösung installiert wird, frage ich mich, wie eine Vereinheitlichung bei komplexeren Themen stattfinden soll. Dazu würde dann z.B. Themen gehören, wie die unterschiedliche Behandlung von thesaurierten Kapitalerträgen zwischen Spanien und Deutschland oder auch das Thema der Dividendenbesteuerung. Gerade die „echten“ Europäer, also Menschen aus einem EU-Land, die in einem anderen EU-Land leben, sind doch naheliegenderweise diejenigen, die die europäische Idee vorwärtstragen müssten. Diese Menschen werden aber durch völlig unpraktische Regelungen (nicht nur im Bereich der Steuern) immer frustrierter in Bezug auf das Leben in der europäischen Realität, dass sie vielmehr dazu tendieren, an der EU zu zweifeln.

 

Einfach ist häufig mehr! Ich möchte anregen, in diesem Sinne das DBA Deutschland-Spanien zu überdenken und anzupassen. Gleichzeitig sollten sich die Verantwortlichen darum kümmern, ein einheitliches DBA für alle EU-Mitgliedsstaaten zu entwerfen, bzw. eben gar keine bilateralen Abkommen in diesem Bereich zu machen, sondern eines, das für alle EU-Mitgliedsländer gilt. Dann sollte auch endlich das Thema Schenkungs- und Erbschaftssteuer mit in diese Regelungen aufgenommen werden.

 

Mit freundlichen Grüßen von einem eigentlich begeisterten aber immer frustrierteren Europäer.

 

Philipp Dyckerhoff

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