UNI-SERIE: Teil 1 - Universidad Complutense de Madrid (UCM)

Montagmorgen, gegen halb neun. Auf dem Campus der „Complu“, wie die größte und bekannteste Universität Madrids im Volksmund genannt wird, geht es zu wie in einem Ameisenhaufen. Hunderte, nein Tausende von Studenten aller Altersklassen quellen im Minutentakt aus der universitätseigenen Metrostation hervor, schieben sich über die gepflasterten Bürgersteige und quetschen sich in bereits überfüllte Busse, die sie zu ihren – zum Teil weit entfernten – Fakultäten bringen sollen.

Der Lärmpegel ist enorm, es wird gelacht, geplaudert und telefoniert. Mit wilden Gesten werden die Aktivitäten des zurückliegenden Wochenendes diskutiert und der Stoff der bald anstehenden Klausuren erörtert. Eine halbe Stunde später ist es still. So still, dass man den Wind in den Wipfeln der alten Bäume, die einen großen Teil des 320 Hektar umfassenden Geländes ausmachen, rauschen hören kann. Der Unterricht hat begonnen.

Mit derzeit rund 90 000 eingeschriebenen Studenten sowie fast 6 500 Professoren ist die Complutense die größte Präsenzuniversität Spaniens (lediglich die nationale Fernuniversität zählt mehr Studenten) und nach der Università Sapienza in Rom sogar die zweitgrößte in Europa. Die unvermeidlichen Charakteristika einer staatlichen Massenuni – Menschenansammlungen, endlose Schlangen vor zentralen Einrichtungen, überfüllte Vorlesungssäle – sind denn auch kontinuierlich präsent, was durch die zentrierte Lage natürlich noch begünstigt wird.

Auf dem Hauptgelände im Stadtteil Moncloa befinden sich die meisten Fakultäten und universitären Einrichtungen. Einige Fächer, so die Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie, wurden auf den Campus in Somosaguas, östlich der Casa de Campo gelegen, ausgelagert. Buslinien verbinden die beiden Standorte miteinander. Neben den zahlreichen Unigebäuden befinden sich auf dem innerstädtischen Campus, der selbst wie eine eigene kleine Stadt wirkt (maßgeblich unterstützt durch den Namen der Metrostation „Ciudad Universitaria“), auch Wohnheime, Festsäle, Labore, Mensen und Sportanlagen. Letztere erstrecken sich über insgesamt 260 000m² und haben mit Feldern für Fußball, Rugby, Basketball, Tennis, Handball und Beachvolleyball, mit Leichtathletikstrecken und Fitnessräumen Einiges für sportbegeisterte Studenten zu bieten.

Ihren Ursprung hat die Hochschule im Mittelalter. Bereits 1293 gründete König Sancho IV. von Kastilien das Studium Generale in Alcalá de Henares. 1499 wandelte Papst Alexander VI. die Einrichtung auf Bitte des ehemaligen Schülers Kardinal Cisneros in eine Universität um, die, in Anlehnung an den lateinischen Namen (Complutum) des Ortes, den Namen Universitas Complutensis erhielt. Dieser ziert noch heute das Wappen rund um den charakteristischen weißen Schwan. Zunächst bestand die Universität aus fünf Fakultäten: Kunst und Philosophie, Theologie, Kanonisches Recht, Philologie und Medizin.

1836 siedelte die Hochschule unter dem Namen Universidad Central nach Madrid über, wo sie entlang der Calle San Bernardo im Stadtzentrum ansässig wurde. Einige der Gebäude stehen heute noch, in den meisten sind Regierungsministerien untergebracht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die Räume jedoch zu eng für die steigenden Studentenzahlen, so dass im Jahr 1927 mit den Bauarbeiten auf dem heutigen Campus in Moncloa begonnen wurde. Während des Bürgerkriegs wurden etliche neu erbaute Gebäude des Universitätskomplexes schwer beschädigt oder zerstört. Zeitweise verlief die Hauptverteidigungslinie direkt durch das Gelände, die Internationalen Brigaden hatten ihr Hauptquartier in der Philosophischen Fakultät. Nach dem Bürgerkrieg erfolgte eine lange Phase des Wiederaufbaus, die erst in den 1970er Jahren endete.

Heute kann man an der Complutense insgesamt 78 verschiedene Studiengänge in 21 Fakultäten und fünf Escuelas Universitarias belegen, was sie zur Uni mit dem breitesten Studienangebot des Landes macht. Außerdem bietet die Hochschule 175 Doktorprogramme und 222 „títulos propios“, die in magíster, especialista und experto unterteilt sind. Neben den klassischen Studiengängen wie Rechtswissenschaft, Medizin, Volkswirtschaftslehre, Theologie und Philosophie werben auch moderne Fächer wie Spanisch-Französisches Recht, Audivisuelle Kommunikation oder Arbeitswissenschaften um Studenten. Außerdem gehört die Complutense zu einer der wenigen Hochschulen Spaniens, an denen man das Studium der Germanistik aufnehmen kann (mehr Info). Doch wie schneidet die Madrider Traditionsuni im Vergleich mit anderen Hochschulen ab?

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Spanien kaum Hochschul-Rankings. Am aussagekräftigsten gilt das jährlich veröffentlichte Ranking der Tageszeitung El Mundo, das neben den staatlichen und privaten Hochschulen auch 50 verschiedene Studiengänge erfasst. Musste die Complutense sich in den letzten Jahren mit dem vierten Platz in der Rubrik „Beste Universität“ zufrieden geben, scheint sie sich nun wieder emporgeschwungen zu haben: Im aktuellsten Ranking von 2008 belegt die Hochschule wie schon in den Jahren 2003 und 2004 den ersten Platz. Auch in einzelnen Fächern, wie Pharmazie, Veterinärmedizin, Mathematik, Geschichte und Philosophie hat sie die Spitzenposition inne. Auf dem zweiten Platz liegt sie unter anderem bei Physik, Journalistik und Kunstgeschichte, auf dem dritten bei Medizin, Biologie und Psychologie. In Rechtswissenschaft und Wirtschaft kann die Complutense offenbar nicht ausreichend punkten, hier ist sie unter den ersten fünf Plätzen nicht zu finden.

Für einen ausländischen bzw. Erasmusstudenten kann es an der Complutense aufgrund ihrer Größe schon mal etwas unübersichtlich werden. Nach seiner Ankunft sollte man sich daher direkt an das Oficina de Relaciones Internacionales oder an die Erasmusbüros in den einzelnen Fakultäten wenden. Hier bekommt man wichtige Informationen und Hilfestellungen, auch was das Wohnen betrifft. Und sollte man sich einmal aufgrund von unorganisierten Professoren und gestressten Mitarbeitern kurz vor dem Nervenzusammenbruch befinden: Nicht verzagen, das Studium hier haben schon ganz andere geschafft! Weiter gehts, denn wer möchte nicht gerne an der berühmten Universität studiert haben, an der schon so illustre Persönlichkeiten wie Lope de Vega, José Ortega y Gasset, Gregorio Marañón oder Javier Solana den Worten der Professoren lauschten...?!

Website der Universität:
http://www.ucm.es/