TIPP: Kaspar according to Handke

13.06.2011 - Stefanie Claudia Müller 

Wenn man in der ersten Hälfte des Theaterstücks nur mit wiederholenden Sätzen gequält wird und nach der Pause mit Schweigen, dann man kann schon ein bißchen auf dem Stuhl hin und her rutschen. Wenn 30 Minuten lang nichts gesagt wird, fallen einem auch schon mal die Augen zu. Das passiert wohl auch vielen Lesern der Werke des in Österreich groß gewordenen Schriftstellers Peter Handke.

Viele der Zuschauer des auf Handkes Text basierenden Stücks "Kaspar" sind schon nach der ersten Stunde Sprech-Terror nach Hause gegangen. Vielleicht auch, weil die spanische Übersetzung, Untertitel auf einer Digitalleinwand, gar nicht mitkam mit der Schnelligkeit des Sprechens der Schauspieler und teilweise ganze Sätze ausgelassen wurden. Die Sprache funktioniert schematisch, das Deutsch wirkt häßlich. Einen schönen Abend verbringt man wahrscheinlich in Madrid anders.

Aber Theater ist halt nicht immer erholsam, deutsche abstrakte Kunst schon gar nicht, und bei manchen Stücken muss man einfach viel nachdenken, um den Sinn zu verstehen. So ist es auch bei Handke: Das Findelkind Kasper ist eine Frau, sie wird zur Marionette der Gesellschaft. Interpretieren kann man das Stück wie man will, die Aussagen sind in jedem Fall sehr tiefsinnig und vielfältig, das Werk hat Nachwirkungen und bietet viel Diskussionsstoff. Die Leistung der Schauspieler ist überragend. Sie müssen in der zweiten Hälfte eine Stunden lang gebückt, auf Knien oder angekettet durch die Gegend laufen. Wenn das Zuschauen schon anstrengend ist, wie mögen sich dann die Schauspieler nach der 2,5 Stunden langen Aufführung fühlen.

Es geht um die Sprache, um den Kasper Hauser - Effekt. Was wäre, wenn wir nie Sprechen gelernt hätten als Kinder und plötzlich die Welt zum ersten Mal entdecken? Wie manipulierbar wären wir? Was wäre, wenn plötzlich alle stumm wäre um uns herum und sich alle nur noch durch Gesten verständigen würden? Macht uns nicht erst die Sprache zu Menschen?

Das Stück "Kaspar" macht aber auch deutlich, dass beides alleine für sich nicht geht. Nur Sprechen und Schweigen zusammen machen den Menschen zu einem Sozialwesen. Wer ausschließlich schweigt oder nur spricht, wirkt ermüdend, wie ein Roboter. Es entsteht Agressivität und Monotonie. Das auf der Bühne in brüllendem Deutsch oder schleifenden Bewegungen dargestellt, kann abschrecken. Aber "Kaspar" läßt wohl niemanden unberührt.

Der Ort dieses teilweise gruseligen Geschehens um "Kaspar" findet im Madrider Theater Abadía statt, einer Kirche. Eine ideale Bühne für Handkes Werk, das dort noch bis zum 4. Juni zu sehen ist. Jeden Abend um 20.30 Uhr.

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