Spanien – "ein Land der Kellner und Prostituierten"

08.04.2012 - Berliner Morgenpost 

Madrid und Barcelona sind nicht allein im Kampf um die spanische Fußballmeisterschaft erbitterte Rivalen. Die beiden Metropolen stehen auch im Wettkampf um ein gigantisches Bauprojekt, bei dem es um Milliardensummen geht. Der amerikanische Kasino-Tycoon Sheldon Adelson will in Spanien ein "Mini-Las-Vegas" errichten, das entweder in der Nähe der Hauptstadt oder vor den Toren der katalanischen Metropole entstehen soll.

Das Projekt soll nach spanischen Medienberichten zwölf Hotelkomplexe mit insgesamt 36.000 Zimmern, sechs Kasinos mit 1065 Roulette-Tischen und 18.000 Spielautomaten, neun Theater, bis zu drei Golfplätze und ein Stadion mit 15.000 Plätzen umfassen.

Investitionen von 18 Milliarden Euro

Das "Eurovegas", wie das Vorhaben in Spanien genannt wird, soll Investitionen in einer Größenordnung von 18 Milliarden Euro bis 2022 bedeuten und Schritt für Schritt in mehreren Phasen realisiert werden.

"Auf dem Weg zu einer definitiven Entscheidung haben wir 90 Prozent zurückgelegt", sagte Michael Leven, Präsident des US-Konzerns Las Vegas Sands und rechte Hand des Multimilliardärs Adelson, der Zeitung "El Mundo".

Noch vor dem Sommer will der Konzern sich festlegen. Mit den Bauarbeiten könnte im kommenden Jahr begonnen werden. Das Vorhaben werde direkt und indirekt 260.000 Arbeitsplätze schaffen, heißt es.

Die Amerikaner stellen harte Bedingungen

In Zeiten von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit scheint das Milliardenprojekt ein Geschenk des Himmels zu sein. Aber die Amerikaner stellen harte Bedingungen. Dazu gehören Sonderkonditionen bei Steuern, Arbeitsverträgen und Sozialabgaben, eine Lockerung der Vorschriften für den Kampf gegen die Geldwäsche oder eine Ausnahmeregelung vom strikten Rauchverbot.

Der 78-jährige Adelson betreibt Kasinos in Las Vegas, Macau (China) und in Singapur. Auf der Liste der US-Zeitschrift "Forbes" rangiert er unter den reichsten Männern der Welt auf dem 14. Platz mit einem geschätzten Vermögen von 24,9 Milliarden Dollar (18,7 Milliarden Euro).

Mit dem Projekt in Spanien will der Selfmademan, der von jüdischen Einwanderern aus der Ukraine abstammt und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist, auch in Europa Fuß fassen.

Madrid hat Vorteile gegenüber Barcelona

Die Regionalregierungen von Madrid und Katalonien schickten am vorigen Wochenende Delegationen nach Las Vegas und unterbreiteten dort ihre Kandidaturen. Nach dem "Casting" scheint Madrid im Vorteil zu sein, denn die Kandidatur von Barcelona hat aus Sicht der Amerikaner einen Schwachpunkt: Die katalanische Metropole hat für das Projekt einen Landstrich vorgesehen, der in unmittelbarer Nähe des Flughafens liegt. Und dort dürfen aus Gründen der Flugsicherheit keine Wolkenkratzer errichtet werden.

Genau das aber wollen die Amerikaner. "Für ein Hotel mit 3000 Zimmern braucht man 50 Stockwerke", zitierte die Zeitung "El Periódico" den Multimilliardär. Madrid ist den Katalanen auch in einem anderen Punkt voraus: Die Hauptstadt verfügt über die besseren Flugverbindungen in alle Welt.

Allerdings weist auch die Madrider Kandidatur eine Schwachstelle auf: Die vorgesehene Fläche liegt in der Nähe der größten Müllkippe von ganz Spanien. Barcelona wirbt dagegen mit seiner Lage am Meer und führt ins Feld, dass die katalanische Metropole Millionen von Touristen anzieht und einer der bedeutendsten Anlegehäfen für Kreuzfahrtschiffe ist.

"Ein Land der Kellner und der Prostituierten"

Allerdings rührt sich in beiden Städten auch Widerstand gegen das Mega-Projekt. Die Gegner, darunter Umweltschützer und Anhänger der Bewegung der "Empörten", schlossen sich zur Plattform "Eurovegas No" zusammen. "Während Länder wie Deutschland in Innovation investieren, bleibt Spanien mit einem Vorhaben wie 'Eurovegas' ein Land der Kellner und der Prostituierten", meinte ein Sprecher.

Spanien hat mit großen Vorhaben der Freizeitbranche nicht gerade gute Erfahrungen gemacht. In den vergangenen Jahrzehnten waren Vergnügungsparks bei Tarragona, Benidorm, Madrid und in Sevilla entstanden. Mit Ausnahme von Port Aventura bei Tarragona machten alle Millionenverluste und wurden zu einer Belastung für die Steuerzahler.

Vor gut vier Jahren wollte eine Gruppe von Anlegern schon einmal ein "europäisches Las Vegas" in der Form eines riesigen ägyptischen Tempels errichten. In einem wüstenähnlichen Gelände bei Saragossa sollten dafür 17 Milliarden Euro investieren werden. Der Beginn der Wirtschaftskrise machte dem Vorhaben ein Ende, noch bevor der erste Spatenstich getan war.

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