SERIE: Spanien heute

07.06.2009 - Madrid für Deutsche 

Harald Barrios: Grundzüge des politischen Systems

Wählerverhalten
Das Verhalten der Wählerschaft in Spanien weist einige Besonderheiten gegenüber den übrigen europäischen parlamentarischen Systemen auf. So liegt beispielsweise die Wahlbeteiligung durchweg niedriger als in anderen Ländern Westeuropas (mit Ausnahme Großbritanniens und der Schweiz). Das bekannte Muster, dass die Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen signifikant höher ist als bei Wahlen auf Regional- oder Kommunalebene, wiederholt sich freilich auch in Spanien. Die Beteiligung an gesamtstaatlichen Wahlen schwankt von einem Wahltermin zum nächsten beträchtlich.

Es zeigen sich überdies erhebliche regionale Unterschiede. Der befürchtete Trend zu einem stetigen weiteren Sinken der Partizipation bei allgemeinen Wahlen blieb indes aus. Inzwischen hat sich auch die Beunruhigung über eine potentielle Gefährdung der jungen Demokratie gelegt, die mit dem hohen Anteil an Nichtwählern begründet wurde. Als mögliche Ursachen für die mangelnde Wahlbeteiligung werden von der spanischen Wahlforschung die relativ schwache Verwurzelung der Parteien in der Bevölkerung sowie ihre damit einhergehende geringere Mobilisierungsfähigkeit und die hervorgehobene Rolle der politischen Eliten im Transitionsprozess genannt.

Die Wählerpräferenzen weisen weder eine Tendenz zur Fragmentierung, noch eine hohe Polarisierung auf. In den meisten Autonomen Regionen dominieren zwei Parteien. Die wichtigsten Ausnahmen stellen das Baskenland und Katalonien dar, wo jeweils starke regionalistische Parteien existieren.

Die Wahlergebnisse, die neben einer Reihe kleinerer Parteien einer Mitte-Rechts- (zunächst UCD, heute PP) oder Mitte-Links-Partei (PSOE) als stärkste politische Kraft eine ebenfalls zur Mitte hin orientierte starke Oppositionspartei gegenüberstellten, spiegeln auf nationaler Ebene die ideologische Verortung der spanischen Wählerschaft. Demnach siedelt sich die Mehrheit um ein gedachtes politisches Zentrum an, wobei das Maximum leicht links von der Mitte liegt. Die stark ausgeprägten regionalen Unterschiede stellen eines der wichtigsten Charakteristika des spanischen Wählerverhaltens dar, so dass sogar von mehreren nebeneinander bestehenden “Wahl-Spanien” gesprochen wird.

Besonders markante Abweichungen vom Durchschnitt ergeben sich im Baskenland und in Katalonien hinsichtlich des Fragmentierungsgrades und der politischen Orientierung. In Katalonien sind zudem zwischen den regionalen und den allgemeinen nationalen Wahlen große Unterschiede in den Wählerpräferenzen festzustellen. Der entscheidende Erklärungsfaktor für die Existenz deutlicher regionaler Unterschiede im Wählerverhalten ist neben sozioökonomischen Ursachen im fortgesetzten Konflikt zwischen dem spanischen Zentralstaat und dem peripheren Nationalismus der historischen Regionen zu sehen.

Lesen Sie weiter in:
Walther L. Bernecker (Hg.)
Spanien heute, Vervuert Verlag Ffm 2008
ISBN 978-3-86527-418-2

Erhältlich bei Auryn (s. Adressverzeichnis)
Libreria Iberoamericana www.ibero-americana.net

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