SCHWERPUNKT- Spanische Ausbildung: Kirche mischt sich massiv ein

26.09.2007 - Clementine Kügler 

Der Protest der Kirche und vieler katholischer Eltern gegen den neu eingeführten Staatsbürgerkundeunterricht hat mit der historischen Verflechtung von Kirche und Staat im Bildungssystem zu tun. Die spanische Verfassung von 1978 spricht von einem konfessionslosen Staat, der aber den von der Mehrheit der Bevölkerung praktizierten Katholizismus unterstützt. Auf diese verfassungsmäßige Erwähnung hatte die katholische Kirche damals erfolgreich bestanden. Seitdem darf sie die Religionslehrer an den Schulen einstellen oder entlassen, aber der Staat bezahlt sie.Mehrere Fälle von Religionslehrern machten Schlagzeilen, denen gekündigt wurde, nachdem sie sich von ihrem Ehepartner scheiden ließen, also von einem Recht Gebrauch machten, das nicht sanktioniert werden darf. Aber die Kirche beharrt darauf, das diese Lehrer kein Vorbild für die Gesellschaft sein können. Somit finanziert heutzutage der Staat den von der Kirche bestimmten und vermittelten moralischen Inhalt. Diesen Einfluss sehen Kirche und konservative Elternverbände durch das neue Pflichtfach mit seinen ebenfalls wertebewussten, aber nicht mehr ausschließlich der katholischen Moral entsprechenden Inhalten gefährdet. Der Religionsunterricht ist an öffentlichen spanischen Schulen freiwillig und alternativ wird Ethik-Unterricht angeboten. Beides ist an katholischen Privatschulen nicht der Fall.Die Intoleranz der katholischen Kirche gegenüber Themen wie Homosexualität, Abtreibung und Empfängnisverhütung wirkt sich direkt in Unterrichtsinhalten aus. Die Regierung Zapatero hat mit dem Recht auf Eheschließung Homosexueller, das die Adoptionen von Kindern einschließt, ein Familienkonzept ermöglicht, das manche konservativen Spanier auf die Barrikaden scheucht. Die in Staatsbürgerkunde geförderte Toleranz gegenüber der Homosexualität gehört zum roten Tuch für die Kirche.Ein Priester in der Provinz Toledo drohte deshalb sogar, den Kindern, die an Staatsbürgerkunde teilnehmen, nicht auf die Kommunion vorzubereiten, musste dieses absurde Androhung jedoch auf Anweisung seines Erzbischofs, Antonio Cañizares, zurücknehmen. Dabei gehört Cañizares ebenfalls zum rechten Flügel der Kirche und behauptet, das Fach sei Teufelswerk. Der Präsident der Spanischen Bischofskonferenz, Ricardo Blázquez, verteidigt dagegen die katholischen Privatschulen, die sich nicht am Protest beteiligen. Deren Dachverband FERE hat am Inhalt der Lehrbücher mitgearbeitet und findet, dass die Unterrichtsgestaltung flexibel genug sei und nicht gegen katholische Ideologie verstößt.Auf diese Ideologie legen viele Eltern Wert, die ihre Kinder in die konfessionellen Eliteschulen und Universitäten schicken. Aber auch progressive Familien schätzen die Privatschulen. Sie haben einen guten Ruf, da die Lehrer-Schüler-Relation günstiger ist und mehr Geld für Lehrmittel und Ausstattung vorhanden ist. Manche Schulen und Universitäten gehören zur Laienorganisation Opus Dei. Colegios MadridAn den öffentlichen Schulen nimmt übrigens ein großer Teil der Kinder freiwillig am Religionsunterricht teil, weil die Freunde das tun oder sie neugierig sind. Ob daran die Staatsbürgerkunde etwas ändert, hängt auch vom Verhalten der Kirche ab, ob sich die gemäßigten Sektoren durchsetzen können oder nicht.

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