INTERVIEW:  "Neubau erst in sechs Jahren fertig"

16.11.2008 - Stefanie Claudia Müller 

Der 59-jährige Peter Kammann ist seit Sommer 2008 neuer Direktor der Deutschen Schule in Madrid. Unter seiner Regie wird im Falle eines Neubaus der Schule nicht nur der Umzug nach Montecarmelo vorbereitet werden, sondern er will auch stärker die Nutzung der neuen Technologien in den Unterricht einbinden und den Naturwissenschaften ein noch höheres Gewicht im Unterrichtsprogramm der Schule geben.

Was macht die Deutsche Schule in Madrid so besonders? 

Es gibt zurzeit 124 anerkannte deutsche Auslandsschulen und unsere befindet sich sicherlich in der Spitzengruppe. Das beweisen wir nicht nur mit den guten Platzierungen im Wettbewerb „Jugend forscht“. Auch Angebote der Schule wie die Streicherklasse, in der musikalisch talentierte Kinder zusätzlich gefördert werden, machen diese Schule zu etwas Besonderem. Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass in der Deutschen Schule als Begegnungsschule der überwiegende Teil der Schülerschaft Deutsch nicht als Muttersprache spricht. Dennoch aber legen jedes Jahr mehr als 100 unserer Schülerinnen und Schüler die Abiturprüfung ab und erwerben damit einen der international höchsten schulischen Bildungsabschlüsse. Gerade deswegen ist die Nachfrage unter spanischen Familien sehr groß. Es ist nicht allein das Interesse an der deutschen Sprache. Es geht auch um das Lernsystem. Wir fördern sehr stark selbstständiges Denken und Lernen.

Es gibt viele deutsche bzw. deutsch-spanische Familien, deren Kinder nicht in die Deutsche Schule kommen. Warum haben Bewerbungen mit deutschem Hintergrund keinen Vorrang bei der Auswahl? 

Wir sind eine bikulturelle Schule mit hohen Anforderungen an selbstständiges Denken, Konzentrations- und Lernfähigkeit. Beispielsweise wählen nicht wenige Schüler neben den drei Sprachen Deutsch, Spanisch und Englisch, die Pflichtfächer sind, mit Französisch oder Latein eine weitere Fremdsprache. Da die Unterrichts-sprache von wenigen Ausnahmen abgesehen Deutsch ist, haben deutschsprachige Kinder natürlich dennoch Vorteile. Die Beherrschung der deutschen Sprache ist eine notwendige Voraussetzung, um an der Deutschen Schule erfolgreich zu sein. Des-halb und wegen seines pädagogischen Programms ist der Besuch des Kinder-gartens der Deutschen Schule auch die beste Vorbereitung für den Übergang in unsere Grundschule. Aber die Deutschsprachigkeit allein ist keine Garantie für den Schulerfolg. Und es liegt auch in der Verantwortung der Schule, Überforderungen von Kindern durch angemessene Aufnahmeentscheidungen zu vermeiden.

Warum werden denn Kinder zugelassen, die gar keinen Bezug zu Deutschland haben und die auch deswegen teilweise unter dem Leistungsdruck zusammenbrechen?
Genau diese Frage prüfen wir im Zusammenhang mit unseren Aufnahme-entscheidungen. Kinder können nur zugelassen werden, wenn sie bereits gute deutsche Sprachkenntnisse aufweisen. Oder sie kommen über den sogenannten E-Zweig in die 5. Klasse. Ungefähr 80 Viertklässler absolvieren neben dem Besuch ihrer spanischen Grundschule einen einjährigen Sprachkurs an der Deutschen Schule, einen sogenannten cursillo. Aus ihnen wird nach einem Jahr nur eine Gruppe von etwa 20 Schülerinnen und Schüler, die die besten Ergebnisse erzielt haben, ausgewählt. Es sind die Schülerinnen und Schüler mit der höchsten Lernbereitschaft und den besten Begabungen. Sie werden anschließend in den Jahrgängen fünf bis acht, also vier Jahre lang, in einer eigenen Klasse unterrichtet und sind dann auf einem Leistungsstand, der es erlaubt, sie in die Lerngruppen zu integrieren, deren Schüler die Deutsche Schule von Anfang an besucht haben. Weil die Kinder des E- Zweiges sehr motiviert und fleißig sind, gehören sie immer zu den besten Ab-solventen. Auch im vergangenen Jahr war die beste Schülerin der Deutschen Schule wieder eine Teilnehmerin aus dem E-Zweig. Sie hatte einen Notendurchschnitt von 1,0. Besser geht es nicht.

Welche Voraussetzungen müssen Kinder haben, die aus den Vorbereitungskursen in den E-Zweig der Schule kommen? 

Sie müssen sehr lernbereit sein, sprachbegabt, von hoher Konzentrationsfähigkeit und viel Fleiß und Ausdauer mitbringen. Wir beobachten sie ein Jahr lang, achten auf ihre soziale Kompetenz und wie schnell sie sich in die deutsche Sprache einleben. Ein deutliches Indiz sind die Lernfortschritte, die häufig unabhängig von den Vorkenntnissen sind.

Wie ist die Verteilung der Schüler auf der Deutschen Schule zurzeit? Etwa 70 Prozent der Schülerschaft kommen aus spanischen und deutsch-spanischen Familien, ca. 25 Prozent sind deutscher Herkunft. Die Übrigen kommen aus vielen Ländern. Insgesamt sind 22 Nationen an der Deutschen Schule vertreten.

Noch ist die Deutsche Schule mit ungefähr 300 Euro im Monat relativ billig im Vergleich zu anderen Privatschulen. In der neuen Deutschen Schule in Montecarmelo würde es eine Kantine geben, Sportanlagen und größere Klassenräume. Werden sich diese Vorteile im Schulgeld niederschlagen? 

Nein. Ein Faktor, der weiterhin Auswirkungen haben wird, ist sicherlich die Inflation. Es ist aber nicht vorgesehen, das Schulgeld wegen der besseren Ausstattung der neuen Schule zu erhöhen. Hier hoffen wir zum Beispiel durch Energie-sparmaßnahmen die Unterhaltungskosten zu senken, wobei dann das Geld für andere Einrichtungen und modernes Lehrmaterial verwendet werden könnte. Einer der größten Vorteile der neuen Schule wäre das in ihr mögliche Ganztagesangebot. Die hier zum Beispiel durch das Lehrpersonal entstehenden Mehrkosten schlügen sich natürlich auf das Schulgeld nieder. Dem stünde aber eine enorme und be-sonders kundenorientierte Verbesserung des schulischen Angebots gegenüber.

Steht die Finanzierung für den Bau denn? 

Er würde aus Bundesmitteln finanziert. In diesem Monat entscheidet der deutsche Bundestag über diese Frage. Es wäre die bisher höchste Zuwendung für eine deutsche Auslandsschule, die jemals bewilligt wurde. Auch daran kann man die Bedeutung der Deutschen Schule Madrid erkennen. Es sieht in der Frage der Bewilligung sehr gut aus. Natürlich hoffen wir auch darauf, für einzelne Projekte, wie zum Beispiel die Naturwissenschaftsräume, die Bibliothek, Labore und Sportgeräte Sponsoren zu finden. Zu diesem Zweck ist eine Stiftung gegründet worden, Fundación Colegio Alemán Madrid. Es sind bereits Spendenmittel eingegangen. Denn der Wert der Dienstleistungen der Deutschen Schule ist gerade auch den in Spanien ansässigen deutschen Unternehmen sehr bewusst. Auf Grund des beschriebenen hohen Niveaus der Schule ist es für ein Kind eines deutschen Mitarbeiters eigentlich kein Problem, nach einigen Jahren wieder in das innerdeutsche Schulsystem zurückzukehren und dort seine Schulausbildung erfolgreich zu beenden.

Noch muss der Bundestag dem Umzug der Deutschen Schule zustimmen, aber es ist jetzt schon klar, dass das Projekt zu einem zentralen Bestandteil Ihrer Amtszeit werden würde. Wie sieht der Zeitplan aus? Ich denke, dass ich sehr intensiv mit Fragen des baulichen Konzepts und der Ausstattung des Gebäudes und womöglich auch mit der Vorbereitung des Umzuges beschäftigt sein werde. Es ist aber realistisch anzunehmen, dass nicht einmal meine Verabschiedung in der neuen Schule stattfinden würde. Ich rechne mit mindestens sechs Jahren bis zur Fertigstellung.

Sie haben eine große Zeit Ihres Arbeitslebens im Ausland verbracht, haben aber auch in Deutschland als Lehrer und Schulleiter gearbeitet. Was halten Sie vom Leistungsstand der inländischen deutschen Schulen? 

Schüler, die in Deutschland das Abitur erreichen, sind weiterhin hervorragend qualifiziert. Es sind dies gemessen an internationalen Standards nur leider viel zu wenige Jugendliche in den einzelnen Jahrgängen. Deutschland als Exportnation muss hier dringend etwas ändern. Das dreiteilige Schulsystem macht aus meiner Sicht besonders aus diesem Grund keinen Sinn mehr. Durch die bereits nach vier Grundschuljahren erfolgende Sortierung der Kinder in Haupt- , Realschüler und Gymnasiasten, darin sind sich beispielsweise Bildungsforscher und Vertreter der Dachorganisationen der Wirtschaft sehr einig, werden einem nicht geringen Teil der Jugendlichen in Deutschland die Bildungschancen beschnitten. 

An der Deutschen Schule Madrid dagegen kann ein Kind, wenn sich in den Jahrgängen der Sekundarstufe I Lernschwierigkeiten zeigen, als Real- oder Hauptschüler eingestuft werden. Es wird dann vor andere Anforderungen gestellt als seine Klassenkameraden, bleibt aber anders als in Deutschland in seiner Klasse und kann auch vom Unterricht auf Gymnasialniveau profitieren. Sollte es seine Schwierigkeiten überwinden, kann es auch wieder hochgestuft und zur Abiturprüfung zugelassen werden.

Deutschland selbst muss akzeptieren, dass es ein Einwanderungsland ist. Die Kinder ausländischer Herkunft müssen durch Deutschkurse und den Kindergartenbesuch besser auf die deutschsprachige Schule vorbereitet werden. Genau so, wie wir das in unserem Kindergarten tun. Außerdem ist man in Deutschland noch immer zu bürokratisch. Auslandsschulen sind viel dynamischer. Deshalb ziehe ich es vor, hier zu arbeiten.

Das Interview führte

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