INTERVIEW: Eigeninitiative ist gefragt

19.07.2010 - Clementine Kügler 

Die in Baden Württemberg geborene Künstlerin Johanna Speidel kam 1987 nach Madrid und lebt im multikulturellen Stadtteil Lavapiés.

Du hast deine Ausbildung in Deutschland gemacht?
Ja, ich habe in Karlsruhe Malerei und auch Germanistik studiert.

Was hat dich nach Madrid verschlagen?
Mit einer Freundin zusammen habe ich ein Auslandssemester zum Malen in Spanien gemacht. Die Menschen und die Atmosphäre haben mir so zugesagt, dass ich beschloss, gleich nach dem Studium hierher zu kommen.

Madrid hat viele erstklassige Museen, aber wie sieht es aus für Künstler, die nicht Picasso oder Barceló heißen?
Es sieht nicht rosig aus, speziell in den Krisenjahren. Letztes Jahr wurde MAV gegründet, ein Verein für Künstlerinnen. Dass die Frauen in den Institutionen und Galerien nicht genug sichtbar sind, ist eine beschämende Tatsache, für deren Veränderung weiterhin gekämpft werden muss.
Wenn die institutionelle Unterstützung nicht klappt, müssen wir selbst unsere Projekte erfinden und durchführen. Im Moment organisiere ich das Projekt „Do it yourself II“: Performance-KünstlerInnen interpretieren jeweils ein kurzes Video von einem Videokünstler/in live im Kunstraum Off Limits (www.offlimits.es).
In „Do it yourself I“(2009) porträtierten sich zehn in Madrid und Berlin lebende KünstlerInnen, die mit Video arbeiten, gegenseitig. Daraus entstand ein Kunstpromovideo von 30 Minuten mit deutschen Untertiteln.

Du hast den Kunstverein A.C. La Ternura gegründet. Gibt es einen Zusammenhalt unter Künstlern oder arbeitet jeder für sich allein?

Der Zusammenhalt wächst mit den gemeinsamen Projekten. A.C. La Ternura hat KünstlerInnen in mein Atelier in Andalusien eingeladen, um dort abgeschottet von der Außenwelt auf dem Land über verschiedene Themen zu arbeiten. Es gibt keine Chefin, keinen Chef und es wird auch zusammen gekocht, gegessen und viel Wein getrunken…! Das hilft natürlich.
Viele Freunde von mir organisieren selbst Projekte und sogar Festivals. Im Moment ist die „Tabacalera“ von Lavapiés angesagt, ein altes Fabrikgebäude, das Vereinen und Künstlern für ein Jahr zur Verfügung gestellt wurde. Die Diskussion und das Experiment arbeiten dort Hand in Hand.
Wir bereichern und inspirieren uns gegenseitig und abgesehen davon machen wir alle noch unsere eigenen Arbeiten.

Du stellst in anderen spanischen Städten, in Deutschland und Portugal aus. Was ist anders als in Madrid?

In kleineren Städten wird den KünstlerInnen natürlich mehr Aufmerksamkeit von Seiten der Medien geschenkt, da das Angebot reduzierter ist. In Madrid müssen sich die Kontakte erarbeitet werden. Es wird vor allem über die Institutionen und wichtigen Galerien berichtet, seltener über alternative Initiativen. Große, teure Ausstellungen werden repräsentativ organisiert, aber die hier lebenden KünstlerInnen zu wenig gefördert.
In Portugal fühle ich mich sehr wohl. In Oporto konzentrieren sich die Galerien in einer Straße (Rua Miguel Bombarda) und koordinieren ihre Eröffnungen für den gleichen Tag. Das ist sehr kommunikativ und alles wird gesehen. Die Biennale von Cerveira, zu der ich letztes Jahr eingeladen wurde, hat auch diesen offenen Charakter.

Außerdem bist du Lehrerin am Goethe-Institut. Spiegelt sich die Beschäftigung mit Sprache auch in deinen künstlerischen Arbeiten wieder?

Sprache ist ein Geheimnis, das es zu erforschen gilt. Es spiegelt die Neugierde, die Welt und die Menschen zu entdecken. Die Gebärdensprache interessiert mich speziell, da sie sich durch Gesten der Sprechenden visualisiert. Auch mit Sprache bleibt eine Gesellschaft oft taubstumm. Um dies zu verdeutlichen benutze ich die Gebärdensprache in einigen Fotoinstallationen und einem Video.

Deine Tochter wächst zweisprachig auf?

Ja, das liegt mir sehr am Herzen, damit sie sich mit ihrer Familie in Deutschland problemlos unterhalten kann, sich dort auch integriert fühlt.

Wie hat sich ein Stadtviertel wie Lavapiés verändert?

Die Bewegung ist anhaltend, seitdem ich dort wohne. Die vielen verschiedenen Kulturen bereichern und führen gleichzeitig manchmal zu Konflikten. Durch die inzwischen astronomischen Mietpreise ist es fast ein Luxus, dort zu wohnen. Aber es bleibt kunterbunt, interessant und gut und zentral zum Ausgehen.

Vermisst du Deutschland?

Ich vermisse meine Familie und bestimmte Freunde. Den Geruch meines Lieblingsessens in der Küche meiner Mutter, den Wald und bestimmte Landschaften.
www.johannaspeidel.com

Das Gespräch führte

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