INTERVIEW: "..ein paar kulinarische Schmankerl fehlen."

13.06.2011 - Doris Oberleiter 

„Österreicher trifft man überall, man ist nirgends vor ihnen sicher.“ Mit einem Schmunzeln auf den Lippen sagt diesen Satz jemand, der es wissen muss. Rudolf Lennkh ist Österreichs Botschafter in Spanien. In seinem Amtszimmer im neunten Stock eines Bürogebäudes am Paseo de la Castellana, einer der größten und wichtigsten Straßen in Spaniens Hauptstadt Madrid, gibt Lennkh einen Einblick in Leben und Arbeit als Botschafter und die Beziehung zwischen Österreich und Spanien.

Das Büro von Botschafter Rudolf Lennkh kann sich sehen lassen: ein großer Schreibtisch, eine gemütliche Sitzgarnitur und ein toller Ausblick. „Hier sieht es aus wie in einer beliebigen spansichen Anwaltskanzlei. Schließlich ist eine Botschaft im Grunde auch nichts anderes als eine Firma“, erklärt Lennkh, „unsere Dienstleistung ist der Service an den Spaniern, die einen Anknüpfungspunkt an Österreich suchen, und an den Österreichern in Spanien.“

Wie viele es davon in Spanien gibt, ist keine einfache Frage. „Offen gesagt wissen wir nicht, wie viele Österreicher hier sind“, so Lennkh. Das Problem ist, dass es keine Meldepflicht gibt. Kommen Österreicher nach Spanien, müssen sie sich weder beim Konsulat noch bei der Botschaft melden. An der Botschaft selbst sind rund 6.000 Österreicher erfasst. Die spanische Wahlbehörde hat bei der letzten Wahl zum Europaparlament im Jahr 2009 jedoch rund 10 000 Österreicher registriert. Da dies wiederum nur alle über 18 jährigen waren und all jene, mit Zweitwohnsitz in Spanien ebensowenig berücksichtigt sind, geht Rudolf Lennkh davon aus, dass er noch erheblich mehr Landsleute in Spanien hat.

Haben diese ein Problem, ist die Botschaft ein guter Ansprechpartner: Hier werden Visa ausgestellt, Pässe ausgefertigt, Staatsbürgerschaftsnachweise ausgegeben und alle möglichen Anfragen beantwortet. Daneben werden auch wirtschaftliche und politische Themen bearbeitet und Veranstaltungen organisiert. Und was macht der Botschafter? „Mein Alltag ist ein Beamtenalltag mit starker Außenkomponente. An jedem Tag habe ich zwei bis drei Termine außer Haus“, sagt Rudolf Lennkh. Diese Termine führen ihn häufig auch aus Madrid raus. „Schließlich bin ich Botschafter in ganz Spanien, nicht nur in Madrid.“ So versucht Botschafter Lennkh so oft es geht nach Barcelona oder in andere wichtige Städte oder Regionen zu reisen. Auch Andorra steht auf dem Reiseplan, denn auch hier hat Lennkh den Botschafterposten inne.

Klingt nach keinem schlechten Job. Auf die Frage, wie man Botschafter wird, antwortet Rudolf Lennkh lachend: „In dem man früh genug anfängt!“ Der heute 58-jährige studierte Jurist ist bereits mit 23 Jahren in den österreichischen Auswärtigen Dienst eingetreten. „Der Karriereverlauf ist ein ständiger Wechsel zwischen In- und Ausland. Man verbringt ca. vier Jahre im Ausland, geht wieder zurück nach Wien, wechselt nach einigen Jahren zur nächsten Station und so weiter. Irgendwann Ende 40 kann man dann damit rechnen, als Botschafter oder Generalkonsul eingesetzt zu werden. So war es auch bei mir.“

Die Karriereleiter führte Rudolf Lennkh nach Belgrad, Washington, die Elfenbeinküste und Buenos Aires. Auch in Wien hatte er wichtige Posten inne. So war er 1998 Organisationschef der ersten österreichischen EU-Präsidentschaft und 2006 Chef-Verhandler beim Gipfeltreffen der EU mit Lateinamerika und der Karibik – zwei seiner ganz persönlichen Highlights. 2001 hat Rudolf Lennkh seinen ersten Botschafter-Posten in Mexiko angetreten.

Das viele Reisen und die häufigen Ortswechsel sind nicht einfach, gerade mit einer Familie. „Berufslaufbahn und Familienleben unter einen Hut zu bringen, ist eine der großen Herausforderungen.“ Lennkh ist verheiratet und hat zwei mittlerweile erwachsene Kinder. „Ich hatte stets viel Glück, meine Kinder haben mich und meine Frau immer begleitet, sie haben den Übergang von einer Schule zur anderen stets gut geschafft und haben dieses Leben auch selbst als spannend und anregend empfunden.“

Seit 2009 arbeitet er als Botschafter in Madrid. „Was Spanien angeht bin ich Wiederholungstäter“, lacht Lennkh. Schon einmal war er hier stationiert und er hat das Land ins Herz geschlossen. Es ist das Kulturleben in Spanien, das reich und anregend ist, die Sprache, in der er sich wohl fühlt und die Liebe zur Schönheit des Landes, die Rudolf Lennkh zum Urteil kommen lässt: „Spanien ist mir einfach sympathisch!“

Mit dieser Sympathie steht Lennkh nicht alleine da. Er teilt sie mit vielen seiner Landsleute: Über eine halbe Million Österreicher kommen jedes Jahr nach Spanien, um hier ihren Urlaub zu verbringen. „Bei einer Gesamtbevölkerung in Österreich von rund acht Millionen ist das eine stolze Zahl“, meint Botschafter Rudolf Lennkh.

Im Gegenzug gibt es jährlich rund 300 000 spanische Besucher in Österreich, die meisten von ihnen machen Städtereisen nach Wien, Salzburg oder Innsbruck. Eine mit diesem Sommerflugplan eingeführte zusätzliche direkte Flugverbindung von Wien nach Madrid, die Arbeit der zwei Büros der Österreich-Werbung in Spanien und das österreichische Kulturforum, das mit verschiedenen Veranstaltungen Österreichs Kulturszene präsentiert, sollen den Austausch noch weiter vorantreiben.

Aber nicht nur in Sachen Tourismus sind die Beziehungen gut. Rudolf Lennkh spricht von einem ausgezeichneten Verhältnis, charakterisiert durch kontinuierlichen Dialog, die gemeinsame Mitgliedschaft in der EU und Zusammenarbeit auf allen Ebenen des staatlichen Tätigwerdens. „Ich bin glücklich festzustellen, dass es keine Probleme zwischen Österreich und Spanien gibt.“

Ein Grund für die Harmonie liegt schon in der geschichtlichen Verbundenheit der beiden Länder. „Die dynastischen Verbindungen im 16. und 17. Jahrhundert sind im Gedächtnis der Spanier sehr gut verankert. Wir sind es gewohnt, mit Sympathie oder gar einer gewissen Zärtlichkeit von Wien nach Spanien zu blicken und auch umgekehrt“, so Lennkh, „zudem hatte Österreich im Laufe der Geschichte Konflikte und Streitereien mit allen möglichen Ländern, Spanien war aber nie dabei.“

Heute hängen die Dauerthemen in der Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene stark mit der Europäischen Union zusammen: Migration, Mittelmeerpolitik und europäische Nachbarschaftspolitik sind zentrale Themen. Und auch auf wirtschaftlicher Ebene gibt es eine Zusammenarbeit auf breiter Basis. Hier sind vor allem die zwei Büros der Wirtschaftskammer Österreich in Madrid und Barcelona von Bedeutung. Der Fokus liegt auf Bereichen, die wichtig und zukunftsträchtig scheinen: Umwelttechnologie und alternative Energien zum Beispiel.

„Spanien ist hier ein sehr interessierter und aufnahmebereiter Markt“, erklärt Lennkh. Bei einer Bioenergiemesse, die jährlich in Villadolid, einer Stadt nordwestlich von Madrid, stattfindet, ist Österreich mit 24 Ständen bereits größter Aussteller. Ein weiterer zukunftsträchtiger Bereich ist die Holzindustrie. Österreich exportiert zwar keine großen Mengen an Holz als Rohmaterial, sehr wohl aber die Technik der Holzverarbeitung. „Die spanische Bauwirtschaft und auch die Architekten sind sehr interessiert.“ Neben Seminaren zu dem Thema, soll demnächst an einer Universität in Galizien auch ein Postgraduate Studiengang zum Thema „Bauen mit Holz“ eingerichtet werden. Das Ganze wird von der österreichischen Holzwirtschaft gefördert und unterstützt.

Was die wirtschaftlichen Beziehungen betrifft, macht Rudolf Lennkh eine deutliche Anmerkung: „Wir haben die Wirtschaftskrise in den Beziehungen zu Spanien auf geradezu dramatische Art und Weise zu spüren bekommen.“ Lag der Wert der österreichischen Exporte nach Spanien 2007 noch bei 3,3 Milliarden Euro, waren sie im Jahr 2009 auf 1,8 Milliarden Euro abgesunken. „2010 waren wir schon wieder auf dem Weg der Besserung. Die 2-Milliarden-Marke wurde bereits überschritten, aber es gibt noch viel zu tun, um wieder dorthin zurückzukommen wo wir waren“, sagt Botschafter Rudolf Lennkh.

Die Wirtschaftskrise habe Spanien in überproportionalem Ausmaß getroffen, stellt er fest. Was die Zukunft angeht, ist er aber zuversichtlich: „Spanien fährt ein Konsolidierungsprogramm der öffentlichen Finanzen und ich habe großes Vertrauen darauf, dass dieser Kurs auch tatsächlich eingehalten wird, egal welche Regierung im Amt ist. Ich sehe Anzeichen für eine Stabilisierung und auch auf den Finanzmärkten ist Vertrauen gegenüber Spanien spürbar. Was jedoch besorgniserregend ist, ist die hohe Arbeitslosigkeit, die das Schicksal vieler Familien bedroht.“

Die Arbeitslosigkeit bringt viele Spanier dazu, den Schritt ins Ausland zu wagen. Auch die österreichische Botschaft hat Anfragen erhalten und österreichische Sprachlehrer in Madrid verzeichnen eine höhere Nachfrage für Deutschkurse. „Die Voraussetzungen in der EU außerhalb seines Heimatlandes zu arbeiten, sind denkbar einfach.

Bei einer ähnlichen Wirtschaftslage wie in Deutschland, einer Arbeitslosenquote von unter fünf Prozent und einer Vielzahl an Jobinseraten in Zeitungen, gibt es demnach auch in Österreich Möglichkeiten“, kommentiert Rudolf Lennkh. Obwohl der Botschafter das Streben ins Ausland durchaus befürwortet, schätzt er die Ursache als sehr traurig ein. „Mir wäre es lieber, die Jugendlichen würden freiwillig und aus persönlichem Interesse heraus nach Möglichkeiten im Ausland suchen. Die Internationalisierung passiert im Moment unter einem negativen Druck des Arbeitsmarktes. Nichts desto trotz ist es toll, wenn jemand den Mut und die Entschlossenheit hat zu sagen: Ich probier‘s, ich pack meinen Koffer und geh ins Ausland.“

Bis Rudolf Lennkh wieder seine Koffer packt, wird es, wenn es nach seinen Wünschen geht, noch einige Jahre dauern. Schließlich ist er Wiederholungstäter was Spanien angeht und er liebt das Land. So wie er alle Länder in denen er stationiert war, geliebt hat. „Jedes Land war für sich eine tolle, bereichernde Erfahrung“, sagt er. Und Österreich? „Nein, ich vermisse eigentlich nichts. Sicher, ein paar kulinarische Schmankerl gehen mir schon ab und auch die typischen Christkindlmärkte gibt es hier nicht, aber erstens gibt es Flugzeuge und zweitens kann man hier in Spanien ohne weiteres leben, ohne Entzugserscheinungen zu bekommen.“

Das Gespräch führte Doris Oberleiter

 
Bild: Flickr

Kommentare (0) :

Artikel kommentieren
Artikel-Archiv
  • 31.05.2021 [Kommentare: 0]

    Eine verlorene Generation: Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit in Spanien

    Als wäre die junge Generation noch nicht genug die letzten Jahre gebeutelt worden; Wirtschaftskrisen, strukturelle Veränderungen, Fehlanpassungen des Arbeitsmarktes. Seit Jahren ist die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien hoch. Vor der Eurokrise (ab 2010) lag sie schon über 20%, vor der Corona-Krise bei über 30%. Während der Corona-.. Artikel weiterlesen

  • 02.03.2020 [Kommentare: 0]

    El sereno, der Nachtwächter Spaniens

    "Serenooooo, clap,clap, clap!" Bis in die späten siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts war die Figur des Serenos (Nachtwächter) und seine nächtlichen Rufe nach ihm in den Hauptstädten der Provinzen in Spanien sehr verbreitet. Für viele sind die Nachtwächter noch heute Teil ihrer Kindheitserinnerungen. Der Sereno war der Wächter, .. Artikel weiterlesen

  • 18.11.2019 [Kommentare: 0]

    Spanien auf dem 4. Platz in der Rangliste der besten Länder für Expatriates

    Die Schweiz steht an erster Stelle, während Singapur in der von HSBC veröffentlichten Jahresstudie auf Platz zwei zurückfällt. Spanien ist das viertbeliebsteste Land, in dem Expatriates, die von ihren Unternehmen für eine Zeit ins Ausland entsandt werden, leben und arbeiten. Dies ist das Ergebnis der jährlichen HSBC-Expat-Studie. Das ist.. Artikel weiterlesen

  • 07.05.2019 [Kommentare: 0]

    Das Paradox des spanischen Arbeitsmarkts - Jungendarbeitslosigkeit

    Studien sagen voraus: Rund die Hälfte der hochqualifizierten Arbeitsplätze in Spanien wird in Zukunft unbesetzt bleiben. Die Generation, die in zehn Jahren in den Arbeitsmarkt eintritt, erhält keine entsprechende Bildung um vor den Anforderungen hochqualifizierter Jobs zu bestehen. Bis zu 104.000 freie Stellen wird es bis 2028 geben. .. Artikel weiterlesen

  • 11.12.2017 [Kommentare: 0]

    Madrid und Barcelona verhandeln mit „Uber“ und „Cabify“ über eine neue Lizenz

    Madrid und Barcelona planen eine spezielle, zweite Lizenz für Mietwagen mit Fahrer, wie der Service von „Uber“ und „Cabify“ häufig offiziell genannt wird. Auf diese Weise hoffen die Städte eine der wichtigsten Forderungen der regulären Taxifahrer zu erfüllen, denn diese hatten Ende November für 24 Stunden gestreikt, und in diesem.. Artikel weiterlesen

  • 02.03.2015 [Kommentare: 1]

    ¡Bienvenidos! Der Deutsche Gewerkschaftsbund bietet Hilfe für Spanier in Deutschland

    Über die spanische Wirtschaftskrise und die damit verbundene Arbeitslosigkeit ist in den vergangenen Jahren reichlich geschrieben worden: Fast 26 Prozent der Spanier im erwerbsfähigen Alter hatten Ende 2014 keine Arbeit, bei den 15- bis 24jährigen sind es ohne Studenten und Schüler sogar 53,5 Prozent, was grossen Anlass zur Sorge gibt... Artikel weiterlesen

  • 14.01.2015 [Kommentare: 0]

    HINTERGRUND: Der Beruf einer Dramaturgin in Spanien

    Mein Name ist Eleonora Herder. Ich bin in Barcelona aufgewachsen und arbeite als freie Theaterregisseurin und Dramaturgin zwischen Barcelona und Deutschland. In Barcelona arbeite ich unter anderem am Gran Teatre del Liceo und seit einem halben Jahr als Dramaturgin des Regisseurs Àlex Rigola. Meine hiesige Zusammenarbeit mit Rigola.. Artikel weiterlesen

  • 23.08.2013 [Kommentare: 0]

    NEWS: Die Zukunft von Spanien verlässt das Land

    Nach jüngsten Angaben des Nationalen Statistikinstituts (INE) stieg die Arbeitsimmigration unter Spaniens Jugendlichen seit dem Einsetzen der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 um 41 Prozent an. Unterdessen ist die Jugendarbeitslosenquote zwischen 2008 und heute von 29,1 Prozent auf aktuell 56,14 Prozent angestiegen.Wie die spanische Zeit.. Artikel weiterlesen

  • 22.05.2013 [Kommentare: 0]

    NEWS: Hessen verstärkt die Zusammenarbeit mit Madrid auf dem Ausbildungsmarkt

    Bereits im letzten Jahr hatte Hessen beschlossen, junge Menschen in Spanien für Jobs in diesem Bundesland zu begeistern. Damit wollte es dem drohenden Fachkräftemangel entgegenwirken. Mit der Region Madrid, in der jeder zweite Jugendliche arbeitslos ist, wurden Vereinbarungen über 15 Pilotprojekte besiegelt. Hit Hilfe der I.. Artikel weiterlesen

  • 25.01.2013 [Kommentare: 0]

    INTERVIEW: Ratgeber für deutsch-spanische Geschäftsbeziehungen

    2007 haben Sie Ihr Unternehmen "alma hispano-dialog" gegründet und bieten heute interkulturelle Coachings für Fach- und Führungskräfte an. Was brachte Sie auf diese Marktlücke?Alexandra Metzger: Als frühere Einkäuferin in einem großen Automobilkonzern in Deutschland bekam ich schnell mit,.. Artikel weiterlesen