HINTERGRUND: Urlaub in Zeiten der Seuche

31.08.2009 - www.fr-online.de / Martin Dahms 

Manchmal verbreiten sich Gerüchte schneller als ein Virus. Das erste Gerücht kann schon nach einem ersten Blick aus der Welt geräumt werden: Nein, in Lloret de Mar läuft nicht jeder mit Mundschutz herum, zurzeit jedenfalls nicht.

Doch das zweite Gerücht ist vielleicht keines. 17 Jugendliche sollen nach ihrer Rückkehr aus Lloret de Mar nach Kiel an der Schweinegrippe erkrankt sein, außerdem mindestens ein Junge aus einer Reisegruppe aus Dortmund und sieben weitere Jugendliche aus einer Frankfurter Gruppe. Ist der Party-Urlaub an der Costa Brava zum Risikounternehmen geworden?

Spanien war Ende April das erste europäische Land mit Schweinegrippefällen. Spanische Jugendliche hatten das Virus aus ihrem Mexikourlaub mitgebracht. Drei Monate später setzt sich die Kette nun fort: Jetzt sind es deutsche Jugendliche, denen nach einem Spanienurlaub die neue Krankheit diagnostiziert wird. Das Robert-Koch-Institut schreibt, dass der Anstieg der Neuerkrankungen in Deutschland zurzeit zum ganz großen Teil von Reisenden verursacht werde, "die nach der Rückkehr aus dem Urlaub (gegenwärtig vor allem aus Spanien)" an der Schweinegrippe erkrankten.

Ein Land ist so gefährlich wie das andere

Von einem Spanien-Urlaub will im Moment trotzdem niemand abraten. Die deutsche Gesundheitsministerin Ulla Schmidt sagt, anstecken könne man sich in Deutschland ebensogut wie im Ausland. Die deutsche Botschaft in Madrid weist auf ihrer Internetseite nur auf allgemeine Vorsichtsmaßregeln hin. Die Weltgesundheitsorganisation hält die Grippe sowieso für "unaufhaltsam", womit ein Land genauso gefährlich oder ungefährlich wäre wie das andere. Gibt es dennoch Gründe, Spanien zu meiden?

Nach den jüngsten Zahlen von Mitte der Woche sind in Spanien bis jetzt knapp 1500 Menschen an der Schweinegrippe - die hier "Grippe A" genannt wird - erkrankt, was im Verhältnis zur Einwohnerzahl besonders viele sind. Vier Menschen sind daran gestorben, die letzten beiden vor einer Woche. Eine von ihnen war eine junge Nigerianerin mit Wohnsitz Madrid, die ihren Urlaub auf Mallorca verbrachte. Ihr Fall war den Behörden so unheimlich, dass sie eigens die Weltgesundheitsorganisation darüber informierten: Sie starb in kürzester Zeit, ohne dass sie durch Vorerkrankungen geschwächt gewesen wäre. "Das Beunruhigende ist, dass sie eine junge gesunde Frau war", sagte die spanische Gesundheitsministerin Trinidad Jiménez. Seit dem Tod der Nigerianerin sind Mallorca und die Schweinegrippe nun medial miteinander vereint. Und: Ja, auf Mallorca gibt es Leute, die aus Vorsicht schon mit einem Mundschutz aus dem Urlaubsflieger steigen.

In Lloret de Mar an der Costa Brava, einem der beliebtesten Sommerurlaubsziele der europäischen 16- bis 25-Jährigen, ist bisher keine allgemeine Sorge zu spüren. Eher Ratlosigkeit über die Nachrichten aus Deutschland, dass sich ausgerechnet hier deutsche Jugendliche an der Schweinegrippe angesteckt haben sollen. "Als wir davon hörten, haben wir sofort eine Krisensitzung der deutschen Reiseveranstalter mit den städtischen Behörden auf die Beine gestellt", sagt Aaron Ebermann, der Costa-Brava-Koordinator von Rainbow Tours. "Vom Rathaus bekamen wir gesagt: Nein, es gebe bisher keine Fälle in Lloret de Mar."

"Hier bei uns? Das wüsste ich"

Eine Sprecherin des Rathauses bestätigt: Nein, bisher wisse man nichts von Schweinegrippe in Lloret. Das zuständige katalanische Gesundheitsministerium informiert über 175 Fälle in Katalonien seit dem Beginn der Grippewelle Ende April. Drei Menschen, zwei Männer in Taragona und einer in Barcelona, lägen zurzeit mit Schweinegrippe auf der Intensivstation. Wo genau die anderen, leichteren Fälle aufgetreten sind, sagt das Ministerium nicht.

"Grippe A hier bei uns?", fragt die 28-jährige Marian, die in einem Hotel in Lloret arbeitet, erstaunt. "Das würde ich doch wissen! Ich habe zwei Kinder, ein und drei Jahre alt, und echte Panik vor der Grippe. Meine Schwester arbeitet im Krankenhaus in der Nachbarstadt Blanes, dort soll es einen leichten Fall gegeben haben. Aber hier nicht."

Unter den jugendlichen Touristen in Lloret wird über die Schweinegrippe gesprochen. "Wir haben von Infektionen hier gehört", sagt ein 17-Jähriger aus der Gegend von Darmstadt. "Für alle Fälle sollen wir nach unserer Rückkehr nach Deutschland auf Schweinegrippe getestet werden. Aber Panik schieben wir deswegen nicht."

Fakt ist: In Lloret gäbe es ideale Bedingungen für die Ausbreitung der Krankheit. Hierher kommen Zehntausende junge Leute aus ganz Europa, um die Nächte in gedrängt vollen Diskotheken zu vertanzen. Sie teilen ihre Getränke und suchen den Kontakt zum anderen Geschlecht, je näher, desto besser. Wenn es stimmen sollte, dass es hier bisher keine Fälle gegeben hat, ist es nur eine Frage der Zeit, bis es soweit kommen wird.

Das allerdings lässt sich über fast jede Stadt der Welt sagen.

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