HINTERGRUND: Kampf gegen die Spekulanten

21.06.2010 - Stefanie Claudia Müller 

Angesichts der Tatsache, dass in Spanien private und staatliche Schulden zusammen inzwischen mehr als 200 Prozent vom BIP ausmachen, gerät das hiesige Finanzsystem immer mehr ins Wanken, “was vor allem auf einem Vertrauensverlust unserer europäischen Nachbarn beruht“, glaubt Luis de Guindo, ehemaliger Staatssekretär und Ex-Vorstandsvorsitzender von Lehman Brothers auf der Iberischen Halbinsel. Die Fundamentaldaten von Ländern wie Portugal oder Italien sind wesentlich schlechter, trotzdem schauen jetzt alle auf Spanien.

Dieser Vertrauensverlust ist nach Ansicht der spanischen Regierung gezielt durch einige Spekulanten in die Wege geleitet worden. „Man treibt unser Land in die Enge”, warnt Premier José Luis Zapatero seit geraumer Zeit. Tatsächlich treiben vor allem deutsche Medien und Spekulanten Spanien derzeit in die Enge. Gerade haben jedoch der Internationale Währungsfond und auch die EU Zapatero das Vertrauen ausgesprochen.

Das ist jedoch nur die Ruhe vor dem Sturm. Jeder, der noch Zweifel daran hat, dass diese Euro-Krise viel mehr ist als nur Staatsverschuldung, der sollte den Spiegel-Artikel "Meine Name ist Bond. Greek Bond" lesen. Hier wird nicht nur ¨für alle verständlich und amüsant erklärt, was gerade passiert, es wird auch klar, dass es bei dieser Krise viele Gewinner gibt, darunter auch viele Politiker.

Derweil laufen die Vorsichtsmaßnahmen der spanischen Links-Regierung auf Hochtouren, um einen Zusammenbruch des Finanzsystems wie in Griechenland zu vermeiden sowie das durch den Einsturz des Wohnungsmarktes regenerierte schlechte Image zu verbessern. Nach den vor wenigen Wochen vorgenommenen starken Haushaltskürzungen wurde jetzt im Eilverfahren eine Arbeitsmarktreform verabschiedet.

„Besonders betroffen von der Krise sind die spanischen Sparkassen. Sie sind anders als die meisten größeren spanischen Banken nicht international aufgestellt und leiden damit besonders unter dem Platzen der Immobilienblase. Die kommenden Wochen werden noch hart werden“, warnt der deutsch-spanische Unternehmensberater Luis Weickgenannt, der glaubt, dass der Wohnungsmarkt noch immer überbewertet ist.

Der gleichen Meinung ist die spanische Finanzaufsicht. Sie hat gefordert, dass noch in diesem Jahr die Immobilienwerte in der Bilanz der spanischen Finanzinstitute dem realen Marktwert angepasst werden. Diese Wert-Korrektur um mindestens 20 Prozent wird sich nach Ansicht von Wirtschaftsexperten in einem zehnprozentigen Gewinnrückgang der meisten Finanzinstitute auswirken.

Erst Ende Mai mußte die spanische Bankenaufsicht (Banco de España) die kleinere Cajasur retten. Um weitere Zusammenbrüche zu vermeiden, hat die zweitgrößte Sparkasse des Landes, Caja Madrid, gerade zusammen mit Bancaja, einer mittelgroßen Sparkasse aus Valencia, angekündigt, ein Konsortium mit kleineren regionalen Finanzinstituten zu gründen. Die ebenfalls notleidende Bancaja wurde von der spanischen Zentralbank zu diesem Schritt gezwungen: „Wir müssen jede schlechte Nachricht vermeiden, um unser Standing an den Finanzmärkten nicht noch weiter zu verschlechtern“, sagt de Guindos. Er hat zusammen mit der Unternehmensberatung PWC neue Führungs-Modelle für die spanischen Sparkassen entwickelt und fordert eine schnelle Änderung der Gesetzgebung.

Spanien habe das Problem, dass die Abhängigkeit deutscher und französischer Banken von der hiesigen Entwicklung sehr groß sei. Die erneute Herabstufung der Kreditwürdigkeit Spaniens und die schlechte Bewertung vieler Sparkassen führe dazu, dass die Refinanzierung der Banken über den europäischen Interbankenmarkt immer teurer werde und teilweise der Hahn für einige Banken komplett zugedreht werde. Nach Angaben verschiedener spanischer Wirtschaftszeitungen stehen Spaniens Finanzinstitute bei ihren Wettbewerbern in Frankreich und Deutschland mit jeweils rund 230 Milliarden Euro in der Kreide: „Da verwundert es nicht, dass alle auf uns schauen”, sagt de Guindos.

Inzwischen sind spanische Staatsanleihen, aber auch Unternehmens- und Bankenschuldverschreibungen wegen der hohen Risikoprämie kaum noch zu platzieren. Bei Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit gibt es im Vergleich zu deutschen Schuldverschreibungen bereits einen Unterschied von 200 Basispunkten. Derzeit versuchen die mittelgroßen und kleineren Banken, sich über Spezialmärkte wie Eurex oder dem London Clearing House, wo alle Geschäfte mit Garantien verknüpft sind, zu refinanzieren.

Auch die spanische Börse hat vor sieben Jahren einen solchen alternativen Derivatemarkt eröffnet - Meffclear: „Wir werden alles tun, um unseren eigenen Finanzinstituten über diesen Weg bei der Stabilisierung ihrer Lage zu helfen“, heißt es dort. Derweil wünscht man sich EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia for President, einen der scheinbar wenigen spanischen Politiker, die wirklich verstehen, was gerade passiert mit ihrem Land und die auch ohne politsches Gehetze, sondern mit Patriotismus Lösungen vorschlagen, zum Beispiel: "Wir müssen alle in Spanien lernen, dass wir nicht ständig über unsere Verhältnisse leben können. Das heißt, weniger ausgehen, kleinere Wohnungen, kleinere Autos und für die Unternehmer weniger Kredite aufnehmen und sich lieber aus Eigenkapital finanzieren."

Leider hört Zapatero nicht auf Almunia, sondern immer noch zu sehr auf wenig pragmatisch denkende Politiker wie Miguel Sebastián (siehe Foto), aktueller Industrieminister. Der Mann, der mit viel Polemik die Übernahme von Endesa durch E.ON verhinderte, ist mehr an seiner eigenen Karriere als an dem Wohl seines Landes interessiert. Da ist er natürlich nicht der der einzige. In der rechten Opposition wird derzeit alles getan, um die Wirtschaft des Landes komplett an die Wand zu fahren. Es wird konstant auf Neuwahlen spekuliert statt wirklich patriotisch zu sein und der Regierung einen Staatspakt anzubieten. "Meiner Ansicht nach, ist die Krise bei vielen Spaniern noch nicht angekommen, sie spüren die Dramatik noch nicht stark genug und ändern deswegen auch nicht ihr Verhalten", erklärt Sánchez-Weickgenannt das Phänomen. Das gilt vor allem für den Arbeitgeberverband CEOE, der immer noch von einem Mann geführt wird, der verschiedene seiner Unternehmen an die Wand gefahren und in seine eigene Tasche gewirtschaftet hat. Warum muss Díaz Ferrán nicht gehen?

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