HINTERGRUND: Goethe an der Complutense

26.04.2008 - Fides Ochsenfeld 

Es dauert seine Zeit, bis man das relativ kleine Departamento de Filología Alemana im unübersichtlichen Raumwirrwarr der philologischen Fakultät gefunden hat. „In Spanien sind wir ein Minderheitenfach, das man an nur sieben Universitäten studieren kann,“ erklärt dann auch gleich Arno Gimber, Direktor der Germanistik an der Madrider Complutense Uni. Jährlich beginnen hier nur etwa 20 Erstsemester - davon 80 Prozent weiblich - mit dem Studium der "deutschen Sprache und Literatur", die hier seit 1932 (ab 1954 als Germanistik) gelehrt werden. Diese Erstsemester jedoch ziehen die zehn Semester Regelstudienzeit bis zur Licenciatura, dem staatlichen Abschluss in Spanien, in der Regel zügig und mit Erfolg durch, die Abbrecherquote ist gering.

„Diejenigen, die sich für Deutsch entscheiden, haben sich dies meist reiflich überlegt“ sagt Gimber. Und das, obwohl die meisten Jugendlichen zu Beginn ihres Studiums kein einziges Wort der Sprache Goethes und Schillers sprechen. Nur 20 Prozent der Studenten haben die Deutsche Schule in Madrid besucht oder kommen aus Familien, die familiäre Beziehungen zu Deutschland pflegen. Alle anderen seien „Nullanfänger“, so Gimber, deren Ambitionen und Intentionen sehr unterschiedlich seien, manchmal zudem höchst ungenau formuliert würden. „Ich will irgendwas mit Kultur machen“ oder „Mal was Neues ausprobieren“ seien Beispiele hierfür. Doch gebe es auch sehr konkrete Begründungen, wie zum Beispiel das Ziel, „Thomas Mann auf Deutsch zu lesen“.

Generell wird Germanistik hier ohne Nebenfächer studiert, belegt wird für die Dauer von zwei Jahren jedoch eine weitere Fremdsprache. Das Studium gliedert sich in die beiden Teilbereiche Linguistik und Literatur/Kultur, die jeweils 50 Prozent ausmachen. Pflichtkurse wie „Literatura Alemana de la Ilustración y el Sturm und Drang“ und „Fonética Alemana“, die vom hiesigen Kultusministerium vorgegeben sind, stehen neben freiwilligen Vorlesungen wie „La Función de las Artes en la Cultura Alemana“ oder „El Expresionismo Alemán“. Im zweijährigen Grundstudium geht es in erster Linie darum, den Studenten Deutschkenntnisse zu vermitteln.

Wie bei jeder Philologie, die im Ausland gelehrt wird, bestehen auch hier große Niveauunterschiede zwischen der Germanistik in Deutschland und in Spanien. Textarbeit und Interpretation stehen im Vordergrund, wissenschaftliche Theorien werden zurückgestellt. Im Hauptstudium steigt das Niveau – vor allem wegen der verbesserten Sprachkenntnisse. Fast 90 Prozent der Studenten gehen inzwischen im dritten Jahr ihres Studiums nach Deutschland, meist im Rahmen des Erasmusprogramms, durch das die Germanistik der Complutense mit rund 25 deutschen Universitäten kooperiert.

Doch – und dies ist eine Frage, der sich wohl viele der Studenten regelmäßig aussetzen müssen –, was macht man in Spanien mit einem Abschluss in Germanistik? Die logisch erscheinende Antwort „Lehrer sein“ liegt in der Realität gar nicht so nah, zumindest wenn damit die verbeamtete Lehrperson an staatlichen Schulen gemeint ist. In Spanien kommen nur 2,1 Prozent der Schüler während ihrer Schullaufbahn mit Deutsch in Kontakt, Nachwuchspersonal wird nicht dringend benötigt. Anders sieht die Situation an den staatlichen Sprachschulen aus, bei denen Deutsch an dritter Stelle der unterrichteten Fremdsprachen liegt. Auch an den Privatschulen, die immer mehr Deutsch anbieten, haben die Absolventen gute Aussichten auf eine Anstellung. „Zum Teil wird unsere Fakultät sogar mit der Bitte um Nachwuchslehrer kontaktiert“, erzählt Gimber. Kritisch sei hier natürlich das Gehalt zu sehen, das mit dem Beamtenstatus nicht zu vergleichen sei.

In Deutschland boomt der Spanischunterricht – in diesem Bereich tun sich viele Arbeitsmöglichkeiten für die Germanistikabsolventen auf. Regelmäßig schickt die Abteilung Lektoren nach Münster und Bamberg, wo sie zunächst für ein Jahr beschäftigt sind. Vor Ort ergeben sich oft neue Kontakte und Chancen. Doch kann man in Spanien mit einem Abschluss in Germanistik auch auf anderem – einem zugegebenermaßen eher unkonventionellen – Wege Karriere machen. So ist einer von Gimbers Absolventen inzwischen erfolgreicher Filialleiter bei Lidl. 

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