Damals und heute in Madrid

13.04.2011 - Astrid Haupt - http://caleidosastrid.blogspot.com/  

Als ich nach Spanien kam, erschien mir das Leben in Madrid noch gemütlicher als zum Beispiel in Deutschland oder London... denken Sie an das Jahr 2000! Alles war noch ein bisschen von gestern: Die Mode, die Ernährung, die Währung, die Haarschnitte, die erwachsenen Kinder im Haus der Eltern, das Türen-Aufhalten für die Frauen, die ewige Küsserei bei der Begrüßung, der Glaube an Zertifikate und Zeugnisse und an die Kraft des Salzfässchens. Der Respekt vor uns Deutschen und vor unserer schwierigen Sprache. Das Nichtsprechen fremder Sprachen. Der ganze Granit in den Bars, und Pfirsichmarmelade in Porzellanschälchen zum Frühstück. Die Spanier rauchten wie die Schlote, sie recycleten in der Regel nicht. Man aß lang und breit zu Mittag, drei Gänge, plus Café und Likör. Ach und dann ein Nickerchen… 

Es WAR gemütlicher als der Rest der Welt, auch wenn die älteren Spanier bereits versicherten, dass die Dinge schon nicht mehr so waren wie einst...

Und jetzt ist es also wirklich aus damit. Wir haben es geschafft! Das Leben in Spanien ist genauso modern wie überall. Die Siesta stirbt aus. Die Schwulen heiraten. Die Kinder basteln auf Englisch. Der Ausländeranteil ist gestiegen, die Hosen fallen. Es wird nicht mehr auf öffentlichen Plätzen getrunken, wir trennen Müll, und gucken ausländische Programme im Fernsehen. Wir sind überhaupt total vernetzt. Jeder publiziert, die Orthografie ist frei, wir antworten vom Blackberry, alles ist WIFI und die Taxifahrer haben GPS. Die Züge fahren schneller als Flugzeuge, und die Flugtickets sind so günstig wie noch nie. Wir essen Sushi, wir trinken alles außer Sangría. Überall herrscht Rauchverbot und Kampagnen gegen zu viel Cholesterol werden gefahren. Es gibt "Growshops", mitten in der Stadt, makrobiotische Kost, ökologischen Fastfood, Brot aus richtigem Mehl. Überhaupt: Geschäfte kreativster Art, mit komischen Geschenkartikeln, komischer Kleidung und komischen Möbeln. 

Wir haben operierte Augen, operierte Brüste, und Tattoos. Die Hunde passen in die Hosentasche, Emilio Tucci geht, Calvin Klein ist da und was kommt, das ist schon mal dagewesen – es gilt nun, es als erster wieder ans Licht zu holen, wie überall auf der Welt…

Kommentare (1) :

Kommentar von ygjvbcyti 17.09.2011

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