Bloß nicht umziehen!

03.07.2007 - Stefanie Müller - scm-communication 

Wer ein Unternehmen gründet, der muss auf viele Dinge achten: Dass das finanzielle Risiko nicht zu groß ist, dass die Idee schnell Geld einbringt und dass sie nicht so leicht kopiert werden kann. Wer in Spanien ein Unternehmen gründen will, der muss allerdings noch ganz andere Fallstricke beachten: die schlechte Zahlungsmoral der Kunden (soll in Deutschland inzwischen auch ein Fallstrick sein...) und den katastrophalen Service der Telekommunikationsunternehmen, ganz egal welcher Nationalität, ganz egal welcher Größe.Telefónica, Orange oder Jazztel, sie sind im Kundenservice alle gleich schlecht und viel zu teuer für das, was sie eingentlich bieten. Aus nächster Nähe habe ich in den vergangenen Monaten verfolgt, wie eine junge deutsch-spanische Designfirma an den Rande des Wahnsinns getrieben wurde, weil die Unfähigkeit der Telekommunikationsanbieter an ihrem eigenen Image gekratzt hat. Erst 2,5 Monate nach Einzug in ihr neues Büro funktionierte die DSL-Leitung einwandfrei. Für ein Unternehmen, das vor allem übers Internet arbeitet, ist das eine Katastrophe. Vier Wochen nach Vertragsabschluss hatte Orange ihnen noch immer keinen Router geschickt, nach Wechseln zu Jazztel, kam der Router zwar schneller, aber es war der falsche, nicht der, welcher vertraglich vereinbart worden war. Wenig Entschuldigung, keine Entschädigung und viele Ausreden für einen wirklich schlechten Service. „Wie schlimm wird das eigentlich noch?“, fragten sich die Gründer immer wieder. An manchen Tagen standen ihnen die Tränen in den Augen, wenn sie wieder nicht arbeiten konnten, weil nichts funktionierte und wütende Kunden unflätige Nachrichten auf ihrem Handy hinterließen.Schließlich kauften sie sich selbst den richtigen Router, mussten dann aber noch mal ein paar Wochen auf den korrekten Anschluss von Jazztel warten. Die Situation spitzte sich zu, als eines Morgens auch noch das Telefon tot war. Erst mit der Drohung, den Vertrag sofort zu kündigen, kam ein Techniker raus, um das Problem zu beheben. Dafür brauchte er zwei Tage, zwei Tage war die Leitung einfach tot. Und dann die große Überraschung: Als das Unternehmerpaar am Montag zur seiner Freude das Klingeln des Telefons vernimmt, was bedeutete, es gab wieder eine Linie, meldete sich am Ende eine erboste Stimme: „Wie ist da nicht Juan López? Ich wollte doch mit Juan López sprechen und ich habe auch seine Nummer im Display.“„AAAAAHHHHHHHH, ich werde wahnsinnig..“, schrie die Deutsche dem Spanier ins Ohr. Sie schrieb die Nummer auf, die auf dem Display des Anrufers auftauchte und musste nach einiger Recherche feststellen, dass der Techniker am Freitag wohl zwei Kabel verwechselt hatte. Wer die Design-Firma anrief, landete jetzt beim Privatmann Juan López und umgekehrt. Ein unglaublicher Imageschaden für ein auf seinen Ruf bedachtes und mit seiner Qualität preisenden Designunternehmens. Juan López hat auch mir in den Rest gegeben. Meine Redaktion in Deutschland war auch schon ganz verwirrt. Dort spricht kaum jemand Spanisch und mit Herrn López kamen sie nicht klar.Nur noch ein Ausweg schien möglich: die Presseabteilung des Telefonanbieters, in diesem Fall Jazztel, anrufen. Das ist immer mein letzter Weg, wenn ich in Spanien mit Beschwerden nicht weiterkomme. Ich schreie nur noch in den Hörer, so genervt bin ich von den vergangenen Wochen. Drohe auf lächerliche Weise und bin auch fest entschlossen, höchstpersönlich bei dem in der Nachbarschaft angesiedelten Unternehmen vorbeizuschauen, um meinem Ärger Luft zu machen.Damit drohe ich auch... Am anderen Ende wird man ganz klein. Ich gestehen ein, dass ich mich bei dem Anruf im Ton vergriff. Eigentlich müssen sie ja woanders anrufen. „Das weiß ich, das haben wir schon gemacht, die helfen aber nicht, deswegen sind sie jetzt dran..“, mein Spanisch überschlägt sich. Meine Handynummer wird aufgeschrieben. Auf der Festnetznummer ist ja nur noch Juan López zu erreichen.Die genervten Kollegen von der Designfirma rufen derweil wieder bei der Jazztel-Abteilung für die Kündigungen an. Und dann nach 24 Stunden geschieht das Wunder. Worauf wir drei Wochen warten mussten, funktioniert auf einmal innerhalb von einem Tag: Highspeed-Internet und Telefon funktionieren einwandfrei. Das Fazit dieses Abenteuers, übrigens nicht mein erstes mit der spanischen Telekomwelt, schließlich bin ich mit meinem Büro schon ein paar Mal umgezogen: Liegt einem die eigene Gesundheit am Herzen, sollte man sich besser nicht vom Platz bewegen und auch wenn man verdammt hohe Rechnungen bezahlt, sollte man besser nicht den Telekommunikationsanbieter wechseln und besser beim Ex-Monopolisten Telefónica bleiben. Denn es kann immer noch schlimmer kommen....Dieser Tatbestand erklärt vielleicht auch, warum es hier so wenig Wettbewerb auf dem Telefonmarkt gibt und die Preise für Mobilfunk und Festnetz sowie DSL daraus folgend mit die höchsten in Europa sind.

Kommentare (5) :

Kommentar von Isabel 03.07.2007

Kommentar von volker 04.07.2007

Kommentar von Tim 12.07.2007

Kommentar von Pit 17.07.2007

Kommentar von stefanie 24.07.2007

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