Was kommt in die Oskartonne?

08.12.2008 - Clementine Kügler, Übersetzerin 

Mein letzter Beitrag zum Straßenverkehr hat offensichtlich zu Missverständnissen geführt. Aber ich wollte klarstellen: Ich liebe es, in Spanien zu leben, was ein Recht, zu kritisieren, meiner Meinung nach nicht ausschließt. Das Bild von der fliegenden Gans zum freien Flug der Schweine hat aber offensichtlich nur mich erheitert (à la Kasparavicius und seine surrealen Kinderbuchillustrationen). Ich bitte diejenigen um Entschuldigung, die ich verletzt haben mag. Keinesfalls bin ich eine Spanienhasserin. Als ich herkam, habe ich mich sogar sehr schnell angepasst. 

Manchmal leider auch an das mangelnde Umweltbewusstsein. Wie ist das zum Beispiel mit dem Müll? Wir haben eine Tonne, die steht am Eingang, da kommt alles rein und wenn man die nicht abends rausstellt, stinkt es. Getrennt wird nicht? Getrennt... was? Da wurde ich auch manchmal faul und nutzte diesen Allesschlucker, aber meistens habe ich Papier und Glas und immer Batterien und Medikamente, wie aus Deutschland gewohnt, gesammelt und in die zuständigen Container gesteckt. Wenn man nachts durch die Straßen lief und beobachtete, wie die Müllabfuhr die unzähligen Kneipenkübel mit Glasflaschen – und Kneipen haben wir allein im Zentrum Madrids angeblich mehr als in ganz Norwegen – in den normalen Müllwagen kippte, dann war wieder klar, weshalb sich kaum jemand die Mühe macht, seine Sachen zu den Containern zu bringen, wenn man sie überhaupt noch da findet, wo sie letztes Mal standen.

Das ganze Thema tauchte hier in Madrid immer nur schwammig auf. Die Container waren mal da, mal nicht. Die Flut der Plastiktüten nahm eher zu als ab. Das Reinigen mit Chlor und Ammoniak steht weiterhin auf der Tagesordnung. Beim Strom- und Wasserverbrauch ist Spanien einer der Spitzenreiter der EU, Fahrradfahren wird erst in der letzten Zeit zum anerkannten Fortbewegungsmittel... um nur ein paar beliebige Punkte herauszugreifen, die anders sind als in Deutschland. Und der Müll? Der Sperrmüll wurde von den Zigeunern mitgenommen, bis die Stadt das schließlich organisierte. Ein fahrbarer „Punto limpio“ steht jetzt einmal in der Woche vormittags vor dem Teatro Español und dort kann man Sondermüll wie alte Radios, kaputte Handys oder Batterien abgeben, aber keine Computer oder Drucker. Die sollen zum Sperrmüll, sagt der Hombre limpio. Und nun greift Madrid plötzlich durch.

Das Rathaus droht mit Strafen und Mülldurchwühlen ab Januar, wenn man den Abfall nicht richtig trennt. Eine typisch deutsche Eigenheit, dachte ich. Das Kontrollieren liegt doch den Spaniern gar nicht. Und vor allem wie? Gelbe Tüte Plastik-Verpackungen, Grün Glas, Blau Papier und Karton und abgesehen von Medikamenten, Batterien, Computern und Handys alles in den Restmüll. Nein?! Kommt also jetzt die völlig verölte Plastikfolie vom geräucherten Lachs in den Restmüll, der ja irgendwann mal nur noch organisch sein soll, oder in die gelbe Tüte, die dann sofort entsorgt werden müsste, obwohl ich dazu mehr als 50 Meter durch die Nachtluft laufen muss? Das Rathaus meint, jeder hätte in 50 Meter Entfernung Container stehen, aber die messen die Meter so wie die Metro die Minuten, die sind auch länger als beim Normalbürger, sagt mein spanischer Nachbar.

Und kaputte Glühbirnen? Und kaputtes Glas, das man auch noch gut in Zeitung einwickeln muss, damit sich nicht jemand daran schneidet? Mitte November kam El País mit einer Umwelt-Beilage und schreibt sehr richtig, dass beides nicht in den Glascontainer gehört, verrät aber nicht, wohin denn nun. Am nächsten Tag lag die Sonntagsbeilage von El País übrigens wieder völlig unnötig eingeschweißt in Plastikfolie in der Zeitung! Warum werden auch so viele Werbesendungen eingeschweißt und zwingen einen, sich spätestens für die Müllentsorgung dann doch mit den ungelesenen Sendungen aus dem Briefkasten zu beschäftigen? Und wo kommen Holz oder alte Zahnbürsten hin? Die Suche im Internet nach Tipps zu sinnvoller Trennung, führt zu ellenlangen deutschen Debatten über die Vorteile der Oskartonne. Aber ich weiß nicht, was eine Oskartonne ist.

Und jetzt vor Weihnachten kann man wieder staunen, wie offensichtlich auch ganz und gar umweltschädliche Unternehmen Jahr für Jahr ihr Geschäft machen. Ein Großteil des Kinderspielzeugs, das in der Fernsehwerbung um die Gunst der Eltern wirbt, funktioniert mit Batterien und wird durchaus gekauft. Wir haben vor dem Büro einen Jungen, der auf einem batteriebetriebenen Plastikwagen den Bürgersteig auf und ab fährt. Das Geräusch ist ähnlich, aber nicht ganz so laut wie bei den Pusterohren, die die Madrider Stadt zum Entfernen von abgefallenem Laub nutzt – und deutsche Gartenbesitzer auch sehr schätzen.

Es wäre schön, wenn die Stadtregierung sich rund um das Thema Recycling und Energieverschwendung mehr Gedanken machen würde und die Leute immer wieder aufklärte, dass man Batterien nicht einfach aus dem Autofenster schmeißt und weshalb auch CDs ein langfristiges Umweltproblem darstellen und nicht überall gratis beiliegen sollten. Angeblich gibt es schon lange Kontrolleure, die zwar noch keine Strafen austeilen, aber die müssten doch sehen, dass bei der Müllentsorgung immer noch hoher Informationsbedarf besteht.

Falls jemand eine Liste hat, auf der mit Farben und Abbildungen klar wird, was in welchen Kübel kommt, damit auch Leute, die nicht lesen können oder die Sprache nicht beherrschen, die Umwelt schützen können, wäre ich für einen Hinweis dankbar.

Kommentare (9) :

Kommentar von Isabel 09.12.2008

Kommentar von HELMUT 09.12.2008

Kommentar von Elke 10.12.2008

Kommentar von Isabel 10.12.2008

Kommentar von daniel 10.12.2008

Kommentar von Isabel 10.12.2008

Kommentar von daniel 10.12.2008

Kommentar von Katja 18.12.2008

Kommentar von Tina 30.12.2008

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