Südamerikaner in Madrid

01.04.2008 - Deike Werner - Studentin 

Als Deutsche in Madrid mit den notwendigen zwei „Instituto Cervantes“ –Sprachscheinen, ging man recht unbeschwert nach Madrid zum „Intercambio“. Wie auch anders – es bereitet ja kein Sprachlehrer oder kein Reiseführer auf das Leben vor Ort vor. Südamerika sah man in Lehrbüchern mit schönen Bildern. Dass aber Madrid „Lehrstube“ für südamerikanische Völker schlechthin ist, bekommt man als Austauschstudent bereits in den ersten Tagen mit. 

Versucht man sich etwas intensiver „unters Volk zu mischen“ - erfährt man rasant schnell, welche interkulturellen Reibungspunkte vorhanden sind. Es entsteht der Eindruck, jede südamerikanische Nation bringt ihre Klischees nach Spanien mit. Verklärte Gestalten wie Pablo Escobar sind die Ursache, warum Kolumbianer hier auf die 3 Cs: Nämlich „Cocaína“, „Corrupción“ und „Café“ reduziert werden. Die venezolanische Frau wird gern als williges Opfer der Kosmetikindustrie bewertet; ein Student aus Rio kann vor allem eines mehr als alles andere: Feiern!! Und die 50jährige ecuadorianische Kellnerin in der Bar nimmt es wohl gewohnt hin, wenn sie sich von einem Trupp in Anzug gekleideter Männer mit: „Ey Chica, pronto!“ beschallen lassen muss. 

Bei einer Taxifahrt durchs nächtliche Madrid wurde ich als Berlinerin anfänglich freundlich über mein Leben ausgefragt. Der Spanier hat ja oftmals ein neugieriges, redseliges Naturell. Alemania –ein für den Taxifahrer lobenswertes, würdiges Land. Radikaler Bruch jedoch als ich ihm erzählte, dass ich einen kolumbianischen Freund hätte. Sagen wir es so: Das Schimpfwort „Sudaca“, das einige Spanier für Südamerikaner benutzen und teilweise Anlass gewalttätiger Auseinandersetzungen sein kann, fiel nicht. Jedoch eklige Spuckgeräusche, die Ausdruck tiefster Abneigung waren und Unfassbarkeit darüber, wie „la Alemana“ das tun könnte, beendeten die Fahrt. (Dies ist nur ein Erlebnis einer inzwischen „kleinen“ Vielzahl.) 

Während die Südamerikaner zwar einerseits ihre Vorurteile gegenüber den eigenen - sagen wir mal „Kontinentsleuten“ mitbringen und in Spanien aufrecht erhalten; sind andererseits Aus- und Abgrenzungstendenzen vor allem auf die nicht vorhandene Akzeptanz der Spanier zurückzuführen. Fragwürdig ist, ob dies nur Ergebnisse einer verfehlten Integrationspolitik sind. Südamerikaner stehen vor allem bei Job- und Wohnungssuche und beim Zugang zu öffentlichen Orten vor immensen Problemen. Verglichen mit europäischen Einwanderungsstaaten hat diese Gruppe der Immigranten in Spanien jedoch den Vorteil einer gemeinsamen Sprache und Religion, was keine drastische Ghettoisierung und eine hohe Einsatzkraft im Dienstleistungssektor zur Folge hat. 

Der Staat ist bemüht, durch die Vergabe von Arbeitspapieren Legalität auf diesem Sektor zu schaffen. Menschen der älteren Generation der Spanier wissen noch, dass viele von ihnen vor nicht allzu langer Zeit nach Lateinamerika auswanderten, um dort zu leben und zu arbeiten. Auch wenn man das Gefühl hat, dass der Staat viele Maßnahmen in die Wege geleitet hat, seine Einwanderer zu integrieren, ist dennoch ein Rassismus vorhanden, der - wenn oftmals auch nur leise in den Köpfen – einem das Gefühl gibt, einige Spanier blicken mit erhobenem Haupt auf den Südamerikaner hinab.

Kommentare (6) :

Kommentar von Christina Kurth 02.04.2008

Kommentar von Ute 02.04.2008

Kommentar von Isabel 13.04.2008

Kommentar von Deike 14.04.2008

Kommentar von Deike 14.04.2008

Kommentar von Anna 30.05.2008

Blog kommentieren
Blog-Archiv
  • 09.11.2020 [Kommentare: 0]

    Corona-Bombe

    „Kannst du Emma heute von der Schule abholen?”, erreichte mich unerwartet eine Nachricht von Emmas Vater Hugo, als ich erst gefühlte fünf Minuten im Büro war und noch nicht einmal ansatzweise ein Viertel meiner täglichen Festivalarbeit erledigt hatte.. Blog weiterlesen

  • 05.10.2020 [Kommentare: 0]

    Klassengesellschaft

    Neulich saßen wir mit unserem diesjährigen Festivalteam, das aus Luis, mir und drei Praktikanten besteht, in der Pause wieder in unserem Stammcafé in Alcalá, San Diego Coffee Corner, ein modernes Lokal an einer der Ecken der zentralen Plaza de los Ir.. Blog weiterlesen

  • 03.06.2020 [Kommentare: 0]

    Die Suche nach den Schuldigen

    Jetzt weiß ich, wieso ich während der Quarantäne nach Jahren endlich wieder gut und fest schlafen konnte, der Geräuschpegel war zehn Wochen lang deutlich niedriger. Am ersten Freitag in Phase 1 war wieder einiges los auf den Straßen Montecarmelos... Blog weiterlesen

  • 26.04.2019 [Kommentare: 2]

    Spanien bringt mich in Versuchung

    Schon seit fast einem Jahr bin ich zur vegetarischen Ernährung übergegangen, aus ethischen und ökologischen Gründen. Das heißt, ich versuche es zumindest. Mir war schon bewusst, dass es in Spanien etwas schwieriger werden würde – aber, dass ich so.. Blog weiterlesen

  • 04.02.2019 [Kommentare: 0]

    Die Chinos – eine Welt für sich

    Als ich neulich mit einer Freundin von Zuhause telefonierte, erwähnte ich beiläufig den Chino in meiner Straße. “Chino?” fragte sie. Ach ja – die Chinos haben wir ja in Deutschland gar nicht. Doch wie beschreibt man dieses “Phänomen” am besten? Die.. Blog weiterlesen

  • 14.01.2019 [Kommentare: 0]

    Es ist nie zu spät!

    Immer wieder die gleiche Diskussion: “¡A las 7 de la tarde no se cena!” – Um sieben Uhr nachmittags isst man noch kein Abendessen! “Ich hab aber jetzt schon Hunger!” “¡Es porque has comido hace horas!” - Du hast ja auch schon vor ‘ner Ewigkeit .. Blog weiterlesen

  • 08.08.2018 [Kommentare: 0]

    Im deutschen Exil – ganz scharf

    Manchmal lebt unsere Familie ja das deutsch-spanische Kauderwelsch. In sämtlichen Belangen. Sei es, dass der Nachwuchs sprachlich spanische Dörfer für mich auffährt: Papa, kannst Du mir endlich die Kuchenfarben bringen?? Was, wie?! [Papa sucht.. Blog weiterlesen

  • 04.07.2018 [Kommentare: 0]

    Von der WM zur Ahnenforschung

    Nach dem Ausscheiden der deutschen und nun der spanischen Nationalmannschaft wird es natürlich für unsere deutsch-spanische Familie ganz schwierig mit dem Weiterfiebern. Doch die Jungs halten ganz gut mit. Zu EM 2016-Zeiten nach dem Aus der Deutschen.. Blog weiterlesen

  • 27.11.2017 [Kommentare: 0]

    Rosamunde Pilcher im spanischen Fernsehen

    Als ich einmal an einem Nachmittag am Wochenende wahllos durch das spanische Fernsehprogramm zappe, werde ich plötzlich stutzig: Sind das nicht deutsche Schauspieler da auf dem Bildschirm? Heißt das etwa, dass ich mir gute deutsche Filme im.. Blog weiterlesen

  • 16.10.2017 [Kommentare: 0]

    Pendeln im Fernzug

    Es ist 06:42 Uhr und der Fernzug AVANT setzt seine Fahrt in Richtung Madrid nach einem kurzen Aufenthalt in Ciudad Real fort. Er ist fast komplett ausgebucht, aber von Chaos bei der Sitzplatzsuche keine Spur. „Wie praktisch! Ich muss ja gar nicht um.. Blog weiterlesen