SERIE: 20 Jahre Mauerfall - Zeitzeugenkontakte

04.10.2009 - Wolfgang Jähnichen 

Jahrgang: 1939
Berlin: West
1989: Abteilungsdirektor und Betriebsleiter Verkehr Oberfläche bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und Sicherheitsbeauftragter der BVG
1993/2003: Geschäftsführer der Leipziger Verkehrsbetriebe und des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes
seit 2003: Unternehmensberater, Vorstandsvorsitzender des Fördervereines für das Deutsche Technikmuseum (Berlin)
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Im August 1989 bekam ich von der Senatskanzlei den Hinweis, in der Vorweihnachtszeit sei mit einer sehr großzügigen Passierscheinregelung seitens des Ostens zu rechnen, und ich solle mich mit der Aufstellung entsprechender Fahrpläne darauf einstellen. Zwar existierte bei mir eine Geheimakte „Cleopatra“, die Fahrpläne enthielt, die man im Notfall sofort aus dem Safe hätte holen und in Kraft setzen können. Was sich aber ab dem 9. November ereignete, machte alle noch so ausgefeilten Planungen zu reiner Makulatur. Ich konnte keinen einzigen dieser Fahrpläne auch nur ansatzweise in die Tat umsetzen.

Am Abend jenes 9. November saß ich mit einem Geschäftsfreund in der Grolmannstraße am Ku’damm in „Hecker’s Deele“. Mein Fahrer kam zu uns herein und sagte: „Du sollst zu Momper kommen.“ Ich dachte, dies sei die etwas höfliche Umschreibung von „Vergiss meinen Feierabend nicht“. So nahm ich diese Nachricht zwar akustisch auf, schenkte ihr aber keine weitere Beachtung. Ich hatte schon öfter Termine beim Regierenden Bürgermeister. Aber die waren zwischen unseren Sekretariaten abgestimmt, hatten in der Regel eine Vorlaufzeit von mindestens 14 Tagen und lagen nie nach 20 Uhr. Als aber nach einer Viertelstunde Heinz, mein Vertreter, hereingestürmt kam und mich fragte, ob ich nicht wüsste, was los sei, fiel mir zuerst nur der vermeintliche Ulk mit dem Momper-Besuch ein. Da sprudelte es förmlich aus ihm heraus: „Die Mauer ist offen !“ Meine Antwort: „Jetzt seid ihr völlig von Sinnen.“

Trotzdem begab ich mich zu meinem Dienstwagen, und da hörte ich auch schon, was tatsächlich geschehen war. Ich fuhr auf schnellstem Wege zum Rathaus Schöneberg und schlug mich zu Walter Momper durch. Vor dem Senatssitzungssaal wartete schon mein Kollege von der U- Bahn. Auf uns beiden ruhte die gesamte Verantwortung für den öffentlichen Personen-Nahverkehr in Berlin (West); denn unser zuständiger Vorstand weilte an diesem Tage im Ausland. Wir wurden hereingebeten, wo uns der Regierende Bürgermeister kurz begrüßte und uns die Order gab: „Klaus und Wolfgang, Ihr wisst ja, was los ist. Ich will Euch nur darüber informieren, was der Senat von Euch erwartet. Klaus“, das war der amtierende U-Bahn-Chef, „Du setzt alles, was Du an Fahrzeugen flott machen kannst, auf der U 6 ein.“ Die U-Bahn-Linie 6 befuhr die Transitstrecke durch Ost-Berlin und hielt dabei am Bahnhof Friedrichstraße. „Und Du, Wolfgang, suchst Dir alle Löcher in der Mauer, durch die ein Bus passt und fährst mit Deinen Bussen in die DDR, also nicht nach Ost-Berlin. Und der übliche West-Berliner Berufsverkehr darf dabei natürlich nicht vernachlässigt werden. Und nun raus mit Euch, wir befinden uns mitten in einer Senatssitzung.“

Draußen holte ich erst einmal tief Luft. Unten im Auto saß noch mein Stellvertreter, der dienstälteste Abteilungsleiter des Hauses, seit 40 Jahren BVGer. Ihm sagte ich: „Weißt Du, was wir jetzt gerade als Aufgabe bekommen haben, dagegen ist die Quadratur des Kreises ein Kinderspiel.“ Sein Kommentar: „Am besten, wir fahren erst einmal in die BVG-Hauptverwaltung zur Potsdamer Straße“. Auf der Fahrt dorthin fiel ihm ein, dass in unserem Archiv noch die Unterlagen über den Mauerbau aus dem Jahre 1961 lagern müssten, als uns die westdeutschen Verkehrsunternehmen solidarisch geholfen hatten, den Betrieb aufrecht zu erhalten. Damals waren aus Hamburg, Frankfurt, München, Saarbrücken und überall aus dem Bundesgebiet her die Busse nach Berlin gekommen, um den West-Berlinern den S-Bahn-Boykott zu ermöglichen, mit dem sie ihren Protest gegen die vollständige Teilung der Stadt als deutlich sichtbares Zeichen, das ihnen hierfür noch zur Verfügung stand, zum Ausdruck bringen wollten. Denn auch die S-Bahn in Berlin (West) wurde von der im Ostteil der Stadt residierenden Deutschen Reichsbahn betrieben.

Das war ein genialer Gedanke. Während wir uns im Archiv durch alte Akten wühlten, beorderte ich alle Abteilungsleiter, das Fahrplanbüro, den Außendienst und die Technik zu ihren Dienststellen. Dann riefen wir mitten in der Nacht jene Verkehrsbetriebe in der Bundesrepublik an, die uns schon 1961 unterstützt hatten, und baten um Hilfe. In der Regel meldete sich dort nur der Pförtner. Sie alle waren sofort bereit, uns die Adressen ihrer jeweiligen Chefs zu nennen, die ich dann anrief. Natürlich hatten sie auch schon von der Maueröffnung in Berlin gehört und sagten spontan ihre Hilfe zu. Anschließend kontaktierten wir sofort den Flughafen, dass wir am nächsten Morgen 50 Flugkarten nach allen westdeutschen Flughäfen, die von Tegel aus direkt zu erreichen waren, benötigen. Unseren Personalratsvorsitzenden hatte ich zuvor telefonisch gebeten, 50 seiner Kollegen zu 6 Uhr nach Tegel zu bestellen, um als Lotsen etwa 200 Busse samt Fahrer nach Berlin zu holen und gleichzeitig die westdeutschen Fahrer auf ihrer Tour nach Berlin ablösen zu können. Die „benachbarten“ Betriebe in Hamburg, Hannover, Nürnberg und Kassel brauchten keine Ablösung, da der Weg nach Berlin relativ kurz ist. Anders verhielt es sich dagegen bei den Münchnern, Stuttgartern, den Karlsruhern, den Düsseldorfern, den Saarbrückenern, den Frankfurtern und den Kölnern. Ein Busfahrer darf ja bekanntlich nur maximal 4,5 Stunden unterbrechungsfrei hinter dem Lenkrad sitzen.

Und tatsächlich, am 11. November standen 225 zusätzliche Busse zur Verfügung, die uns halfen, den Verkehr zu meistern, 25 davon wurden von West-Berliner Unternehmen gestellt. Die Fahrzeuge und die dazugehörenden Fahrer hatte ich also zusammen, doch wie und wohin sollten sie fahren? Auf meinem Weg zur Mauer kam ich auch an der Bornholmer Brücke vorbei. Wen traf ich dort? Walter Momper. „Was machst Du denn hier?“, fragte er erstaunt. Ich berichtete ihm von unseren Aktivitäten, was er mit den Worten quittierte: “Etwas anderes hätte ich von Dir auch nicht erwartet“. Gegen 22.30 Uhr war dort bekanntlich der Andrang so stark geworden, dass die Grepos (Grenzpolizisten) die Schlagbäume öffneten. Walter Momper und ich standen da und sahen, wie die Massen über den sonst so streng bewachten Übergang zu uns hereinströmten. Nach 28 Jahren Trennung! Ich heulte vor lauter Rührung wie ein Schlosshund. Eine Frau mit einer Flasche Rotkäppchen-Sekt in der Hand sang, „So ein Tag, so wunderschön wie heute...“ und gab dem an der Grenze stehenden Passbeamten einen Kuss. Ich bin selbst ein Kind der DDR, hatte das Land im Alter von 18 Jahren verlassen. Die Einheit Deutschlands zu erleben, war immer mein sehnlichster Wunsch gewesen, aber daran geglaubt, dass er in Erfüllung ginge, und ich sogar meinen bescheidenen Beitrag dazu leisten könne, hatte ich nie.

Mit Becki, meinem langjährigen Fahrer, der jede Ecke seiner Heimatstadt Berlin genauestens kannte, fuhr ich dann auf unserer Seite der Mauer weiter zu den bekannten, aber von unseren Bussen bislang nicht benutzten Grenzübergängen, um deren Bustauglichkeiten auszukundschaften. Bis dahin fuhren wir nur bis kurz hinter die Übergänge Stolpe an der Autobahn nach Hamburg und Drewitz an der Richtung Helmstedt. Aber wie sollten die Leute denn beispielsweise von Potsdam und Oranienburg zur Autobahn gelangen? Also ordnete ich an, dass nach Möglichkeit bis Oranienburg, Falkensee, Nauen, Mahlow, Teltow, Potsdam und nach Schönefeld gefahren werden solle. Die Schienenverbindungen von Brandenburg nach Berlin (West) waren mit Ausnahme der ausschließlich von Interzonen- und Güterzügen befahrenen Strecken über Wannsee und Staaken von der Deutschen Reichsbahn auf Geheiß der Ost-Berliner Führung alle abgebaut worden.
Anschließend ging es zurück in die Hauptverwaltung, wo unser Fahrplanbüro anhand meiner Angaben per Hand die Streckenführungen skizzierte und Notfahrpläne erstellte.

Es graute schon der Morgen, da machte ich mich auf den Weg zum Brandenburger Tor, kletterte wie so viele West-Berliner über die Mauer und lief über die Linden und die Friedrichstraße, die Hannoversche Straße und die Invalidenstraße durch den Bezirk Mitte. Das Ganze dauerte etwa eine Stunde. Diese Zeit nahm ich mir einfach. Ansonsten gab es so enorm viel zu tun, dass ich in der ersten Woche nach der Maueröffnung maximal 3 Stunden pro Nacht zum Schlafen kam. Aber in dieser Situation sind die Pferde mit mir durchgegangen. Das war so emotional, ich konnte gar nicht anders, einfach unfassbar. Da drüben war ich groß geworden, habe den Bau der Mauer miterlebt und bin dadurch von meinen Verwandten getrennt worden. Offensichtlich hegte nicht nur ich die Befürchtung, dass die Grenze in den nächsten Tagen wieder geschlossen werden könnte. Deshalb waren in der ersten Zeit nach der Maueröffnung so viele Menschen unterwegs, um wenigstens einmal einen Eindruck vom jeweils anderen Teil unserer Stadt zu bekommen.

Dem war ja Gott sei Dank nicht so. Am nächsten Morgen versuchte ich, meine Kollegen in der DDR anzurufen. Wir kannten zwar unsere Kollegen in Prag, Warschau und Moskau, unsere Nachbarn in der DDR jedoch nicht. So musste ich erst einmal über die Fernauskunft die Telefonnummer des zuständigen Kombinatsdirektors erfragen. Es gab ja noch das VEB Verkehrskombinat, das für den gesamten Bezirk Potsdam zuständig war. Das war unser Glück. Heute hätte ich mit 25 Verkehrsunternehmen sprechen müssen. Also rief ich den Herrn Kombinatsdirektor an und stellte mich erst einmal vor. Denn auch er kannte uns West-Berliner nicht. Er bot mir sofort an, für meinen Fahrer und mich ein vom Geldumtausch befreites sog. „Dienstvisum“ besorgen zu wollen. Wie sich später herausstellte, bekleidete dieser Herr – vornehm ausgedrückt – in der DDR eine herausgehobene Funktion, die es ihm ermöglichte, derartige über das Verkehrswesen herausgehende Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Nach 14 Tagen musste ich mich allerdings auf einen anderen Gesprächspartner einstellen.

Kurz nach diesem Telefonat rief mich dessen Vertreter, der Chef des Potsdamer Verkehrsbetriebs, ein Herr Dukiewicz, an, der – wie sich bald herausstellte – der zuständige Fachmann war. Mit ihm gab es die ersten kollegialen Fachgespräche. Deshalb sagte ich zu ihm unumwunden: „Ihre Fahrer kennen sich genauso wenig bei uns aus, wie meine bei Ihnen. Ich schlage vor, wir treffen uns an der Grenze. Ich lotse Ihre Busse von der Grenze nach Wannsee und Sie nehmen meine Busse in Empfang und weisen ihnen den Weg zum Potsdamer Bassinplatz.“ Wir vereinbarten, um 14 Uhr von beiden Seiten aus den Verkehr aufzunehmen. Um 11 Uhr klingelte bei mit das Telefon: „Herr Jähnichen, der ganze Bassinplatz ist schwarz voller Menschen, die stürmen mir die Wagen, können wir nicht schon sofort mit dem Betrieb beginnen?“ Da ein geregelter Fahrplan sowieso außerhalb unser beider Möglichkeiten lag, sagte ich nach Rücksprache mit meinen Kollegen zu: „Auch die Berliner Busfahrer sind bereit, 3 Stunden eher Potsdam kennen zu lernen“.

Wir verabredeten uns eine Stunde später am Grenzübergang Drewitz. Er kam mit 5 Bussen, und ich mit der gleichen Anzahl. Unsere beiden Autokennzeichen dienten als Erkennungszeichen. Die Grenzer gaben sich sehr hilfsbereit und winkten unsere jeweiligen Busflotten ohne Kontrolle durch, indem wir die sog. Diplomatenspur befahren durften, nicht aber die, die den Alliierten vorbehalten blieb. Ohne diese Hilfe hätten wir sonst tatsächlich erst 14 Uhr den Betrieb aufnehmen können. Und dann fuhr ich vor den Potsdamer Bussen zum Wannseebahnhof her und er vor den Berliner zum Bassinplatz. Dasselbe machten wir mit Nauen und Oranienburg, später auch mit Schönefeld, Mahlow, Teltow und Falkensee. Es war für mich ein besonderes Erlebnis, von Spandau aus den ersten Bus nach Potsdam und später den durch das Brandenburger Tor im Beisein der „Berliner Abendschau“ selbst steuern zu dürfen. Die sagenumwobene Glienicker Brücke, die schon zu DDR-Zeiten „Brücke der Einheit“ hieß – das allerdings mit einem anderen Bezug - befuhr zuerst ein Potsdamer Fahrzeug.

Unsere Fahrer, gewohnt ihre Arbeitszeit genauestens einzuhalten, kannten nur noch eine Devise: „Fahren, fahren, fahren“. Ich hätte mir keine besseren Mitarbeiter vorstellen können; auch unsere westdeutschen Kollegen zogen diesbezüglich voll mit. Sie alle fuhren wie die Weltmeister. Nach 4,5 Stunden musste jeder Fahrer offiziell eine halbe Stunde Pause einlegen, die unter diesen Bedingungen oftmals vergessen wurde. Ich holte alle Fahrer aus der Reserve, und alle aus der Verwaltung, die über einen Führerschein zur Fahrgastbeförderung verfügten, rekrutierte ich ebenfalls: „So, morgen fahrt Ihr Bus. Wenn Ihr Euch nicht traut, geht kurz vornweg zur hauseigenen Fahrschule zwecks „Schnellbesohlung“. Dann wird aber gefahren.“

Am 10. November kamen wir zum Teil gar nicht bis an die Grenze heran. An der Waltersdorfer Chaussee in Rudow beispielsweise ging nichts mehr, weil uns die Besucher zu Fuß auf dieser sechsspurigen Straße über die ganze Straßenbreite entgegenkamen. Die U-Bahn, die alle 1,5 Minuten fuhr, bekam die Massen nicht weg. Also fuhren wir mit unseren Bussen von Rudow bis zum Hermannplatz auf der U-Bahn-Trasse eine Art Entlastungsverkehr. Nur so war es möglich, unsere Brandenburger Besucher, die von dort vornehmlich in die Karl-Marx-Straße zum Einkaufen wollten, zu befördern. Nach 3 Tagen hatte sich das etwas beruhigt, und wir konnten wieder anfangen, nach Fahrplan fahren.

Da es noch keine Handys gab, bat mich die Senatskanzlei, Bescheid zu geben, wenn wir von der Ostseite neu eingerichtete Übergänge entdeckten. Das war ein Informationsaustausch auf Gegenseitigkeit; denn praktisch täglich öffneten sich neue Löcher in der Mauer. Die Frage für mich war nur, ob sie auch mit Bussen zu befahren waren. Wenn ein solcher Übergang geöffnet wurde, waren wir 2 Stunden später mit unseren Bussen vor Ort. Das konnte nur so gut funktionieren, weil zwischen Senat und BVG ein direkter Kontakt bestand, und alle meine 8 000 Mitarbeiter an einem Strang in dieselbe Richtung zogen.

Um die Finanzierung dieses zusätzlichen Verkehres haben wir uns in den ersten Tagen wenig Gedanken gemacht. Wenn ich in dieser Situation den Regierenden Bürgermeister gefragt hätte, „Wo bekomme ich das Geld dafür her“, hätte ich sicherlich die Antwort erhalten: „Fahre! Über das Weitere sprechen wir später.“ Ich brauchte Walter Momper aber eine solche Frage gar nicht zu stellen; denn in der Zwischenzeit hatte sich der Finanzsenator schon eingeschaltet. Das betraf auch unsere westdeutschen Kollegen. Sie konnten befriedigt feststellen, dass sich ihr Berlin-Einsatz für sie auch finanziell auszahlt.

Während der ersten Tage war zumindest in Ost-West-Richtung die Fahrgeldeinnahme unerheblich. Es wurde nur gefahren, gefahren, was das Zeug hielt. Erst nach einer Woche konnte man wieder ans richtige Kassieren denken.

Die westdeutschen Fahrer waren alle in innenstadtnahen Pensionen untergebracht. Auch das musste bezahlt werden. Die diesbezüglichen Rechnungen wurden ebenfalls vom Senat beglichen.

Da vor der Währungsunion an eine zwischenbetriebliche Abrechnung auf Geldbasis nicht zu denken war, einigten wir uns mit unseren Nachbarbetrieben in Brandenburg auf eine Art Naturalausgleich. Die BVG fuhr in der Fahrplanperiode genau so viel Kurse und damit Kilometer wie der entsprechende Brandenburger Nachbarbetrieb.

Dass die Maueröffnung zu der Wiedervereinigung unseres gesamten Vaterlandes führen würde, hätte im ersten Moment wohl keiner voraussehen können. Ich hatte damals lediglich erwartet, dass zur DDR ein ähnliches Verhältnis entsteht, wie das zwischen Deutschland und Österreich. Es kam anders. Und dafür bin ich allen dankbar, die dazu beigetragen haben. Und ein wenig stolz war ich schon, als das Berliner Abgeordnetenhaus etwa 14 Tage nach Maueröffnung in einer Plenarsitzung mir offiziell seinen Dank dafür aussprach, die unvorstellbare Verkehrsmenge so gut bewältigt zu haben. Ein Dank, den ich selbstverständlich sofort an alle meine Mitarbeiter und unsere westdeutschen Kollegen weitergab.

Der Mauerfall veränderte mein Leben grundlegend. 1993 übernahm ich die Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe, des zweitgrößten deutschen Straßenbahnunternehmens und anschließend auch des Mitteldeutschen Verkehrsverbundes, dessen Bedienungsgebiet sich auf die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erstreckt. Ich kam in ein ehemals volkseigenes Kombinat mit einer betont staatstragenden Führung, aber auch mit hochmotivierten Mitarbeitern, in einen Betrieb, dessen Fahrzeugpark allerdings mit westlichem Standard nicht zu vergleichen war. Dieses Unternehmen neu aufzubauen und wirtschaftlich zu führen, das war eine Aufgabe, die mein Leben nicht unerheblich geprägt hat. Meine Berliner Erfahrungen, die ich nach der Maueröffnung auch bei der BVB, der „Ost-BVG“, sammeln konnte, haben mir dabei sehr geholfen.

Mit freundlicher Unterstützung der Zeitzeugenbörse, Berlin: www.zeitzeugenboerse.de

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