SCHREIBWETTBEWERB: Allein

04.10.2009 - C.Regler 

Allein. Jeder kennt das Gefühl des Alleinseins. Ich auch, obwohl man es heute kaum noch glauben könnte, dass auch ich damals oft allein war. Nein, nicht nur allein sogar einsam. Es fing alles so plötzlich an. Ich wechselte die Schule und wurde dicker, ich hatte keine Freunde und alle machten sich lustig über mich. Ich war einsam, allein, verletzt.

Als Kind war das nie so gewesen und ich konnte mir nicht vorstellen, wieso mich jetzt auf einmal keiner mochte. Ich war früher auf eine englische Schule gegangen und wechselte von dieser auf eine spanische. Ich enwickelte mit meinen elf Jahren einen starken Hass gegen die Spanier und ihre Aversion gegen Übergewicht. Jeder Tag war für mich der Horror. Ich ging widerwillig zur Schule und weinte mich jeden Abend bei meiner Mutter aus, die mir immer zur Seite stand.

Mein Hass gegenüber Spaniern verstärkte sich nur noch, als ich auf die nächste spanische Schule wechselte. Ich hatte komischerweise immer nur ausländische Freunde. Marrokaner, Engländer, Franzosen, aber nie Spanier. Ich flog jeden Sommer auf Urlaub nach Deutschland. Dort lernte ich Leute kennen, die nett waren und meine Freunde wurden. Einfach nur, weil ich so war wie ich war. Ich fühlte mich sicher und ich wurde selbstbewusster, aber das Zurückkehren nach Spanien war ein Albtraum.

Ich wollte nicht wieder zu den oberflächlichen Spaniern, ich hasste sie alle. Sie taten mir weh, sie beurteilten mich nach meinem Aussehen. Ich wollte nicht wieder zu denen zurück. Ich redete mit meinen Eltern über meine Gefühle und sie kamen zu dem Entschluss, dass es am besten wäre, mich auf die deutsche Schule in Spanien zu schicken. So konnte meine Mutter, wie sie wollte, in Spanien wohnen und ich deutsche Freunde und ein schönes Leben haben.

Ich ging voller Freude am ersten Schultag in die neue Schule. Doch was mich dort erwartete, wär mir nicht im Traum eingefallen. Es war genauso wie an der spanischen Schule. Alle meinten nur: "Guckt doch mal, wie hässlich die ist" oder: "Geht der da aus dem Weg". Es verletzte mich und ich war wieder einsam.
Ich verstand nicht. Hasste ich jetzt auch die Deutschen? Aber in Deutschland waren doch alle immer so nett zu mir gewesen. Ich war total durcheinander und musste erst einmal meine Gedanken neu ordnen. Konnte ich überhaupt in Deutsche und Spanier unterscheiden? Oder waren es nur einzelne Personen, die anders waren?

Diese Fragen wurden mir von Enin beantwortet. Meiner ersten spanischen Freundin. Anfangs hatte ich Angst, dass sie nur aus Mitleid mit mir befreundet war, doch nach und nach hatte ich mehr Vertrauen zu ihr. Ich erzählte ihr, wie es mir ergangen war in der spanischen Schule, in der deutschen Schule und in Deutschland. Sie verstand mich und wir redeten oft über dieses Thema. Sie erzählte mir auch, dass es ihr genauso ergangen war, jedoch genau andersherum. Sie war in Deutschland in die Schule gegangen und alle waren fies und gemein zu ihr gewesen und sie hatte die Deutschen gehasst.

Dann kam sie wieder zurück nach Spanien, ihrem Heimatland, und hatte viele spanische Freunde, die sie sehr gern mochte. Dann kam sie an die spanische Schule und ihr ging es wie mir hier an der deutschen Schule, bis sie dort eine deutsche Freundin fand. Ausgerechnet eine Deutsche. Schließlich kam sie an diese Schule und freundete sich mit mir an, auch eine Deutsche. Sie habe jetzt deutsche und spanische Freunde und sagte mir, dass es an dem Charakter der einzelnen Person läge, wie sie sich verhält und nicht an der Nationalität.

Ich war so glücklich, dass ich eine Freundin hatte, auch wenn sie Spanierin war, denn durch sie lernte ich viele verschiedene Leute kennen und bekam viel Selbstbewusstsein. Mir fiel aber nach und nach auf, wieso Enin und meine anderen spanischen Freunde und auch deutsche so anders waren, als die, die mich immer gehänselt hatten.

Enin war sehr schlau und gebildet und auch ihre Eltern waren sehr nett. Als ich bei Enin zu Besuch war, merkte ich, dass ihre Eltern einen sehr großen Einfluss auf ihre Art hatten. Sie zeigten ihr höfflich zu sein, egal zu wem und das sah ich dann auch bei anderen Freunden. Warscheinlich waren die anderen immer so gemein gewesen, weil sie es nie anders gelernt hatten. Wenn es so war, dann taten sie mir leid.

Ich fand es interessant, das erkannt zu haben. Jedoch war es mir in diesem Moment egal. Denn ich war glücklich und nicht mehr einsam oder allein und das alles nur wegen einem einzigem Menschen, der mir geholfen hatte, wieder auf die Beine zu kommen und mich dem Leben zu stellen. Da war ich glücklich und ich bin es heute noch. Aber wenn ich zurückdenke, tut es immer noch sehr weh, wenn ich an die Menschen denke, die mir so etwas angetan haben.

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