REPORT: Die unentdeckten Pyrenäen - Vall de Núria

19.05.2008 - Anuschka Seifert 

Im Hintergrund zehn eindrucksvolle schneebedeckte Gipfel, die sich kesselförmig um das kugelrunde Haupttal legen, in dem sich eine Wallfahrtskirche, ein Hotel, eine Herberge, ein Museum und ein Reitstall befinden. Dem Puigmal, auf dem der Legende nach Riesen und Hexen gelebt haben, fehlen gerade mal 87 Meter für einen 3 000er. “Wir hatten Glück”, lacht die 30jährige Ruth Bober, “der Bischof von La Seu d’Urgell, der 1928 den katalanischen Pilgern den vierstündigen Aufstieg zur Wallfahrtskirche von Núria erleichtern wollte, entschied sich gegen eine Straße und für die Zahnradbahn.”

Der Zug, der in Ribes de Freser abfährt, braucht für die 13 Kilometer nach Núria genau 45 Minuten und bewältigt 905 Meter Höhenunterschied. “Zwar kann ich zwischendurch nicht aussteigen und Blümchen pflücken, aber ich freue mich jeden Morgen darüber, durch die engen Gebirgsschluchten mit ihren schroffen Felswänden bis hier hoch zu fahren. Die Luft ist so frisch und klar.“ Ruth atmet tief durch. „Es ist wie ein Traum.“ Sonnenstrahlen tauchen die ersten Bergkuppen in goldgelbes Licht. Selbst Fußfaule lassen sich unter dem Vorwand eines herzhaften Frühstücks von den Bergführern auf die Gipfel locken: „So ganz nebenbei treffen wir dann auch schon mal auf einen Steinadler, auf Schneehühner oder Mufflons“, erzählt Ruths Kollege Joan Cano. 

Ruth schaut plötzlich auf die Uhr. „Joan ich muss los, meine erste Führung hat schon vor fünf Minuten begonnen.“ Schnellen Schrittes geht sie in die Kirche. Dort warten schon 57 Gäste auf sie. Neben der Heiligen Mutter von Montserrat gehört die Heilige Mutter von Núria zu den wichtigsten Madonnen Kataloniens. Sie ist die Schutzheilige der Pyrenäenhirten. „Der Legende nach soll der Heilige Gil (Ägidius), ein Athener, um 700 mit seinem Kreuz nach Núria gekommen sein und vier Jahre lang in einer Höhle gelebt haben.” Ruth hält kurz inne, es ist mucksmäuschenstill.

“Mittags läutete er mit einer Glocke, versammelte die Hirten zum Gebet vor dem selbstgeschnitzten Bild der Heiligen Mutter von Núria und anschließend lud er sie zum Essen ein. Weil er ein orthodoxer Christ war, sind die Wände der Kirche bis heute so ungewöhnlich bunt, in Rosa, Gelb und Blau gehalten. Kreuz, Glocke, das Marienheiligtum und der Kessel sind die Symbole von unserem Tal, die wir jetzt im ersten Stock besichtigen können.” Hier erzählt sie dann, dass die Heilige Mutter von Núria auch von Frauen mit Kinderwünschen angerufen wird. Und schon steckt die erste junge Frau aus der Gruppe ihren Kopf in den Heiligen Kessel. Ruth zieht so kräftigt am Glockenstrang, dass es gleich zweimal klingelt. Sie lacht: “Du weißt ja, was Dir jetzt blüht, es werden bestimmt Zwillinge.”

Weiter geht es ins Hotel, in den berühmten Saló de l’Estatut, in dem wurde anlässlich der Ausrufung der II. Spanischen Republik, 1931, der Entwurf des katalanischen Autonomiestatuts ausgearbeitet, der bis heute unter dem Namen “Statut von Núria” bekannt ist. Unter dem Deckmantel der Kirche wurde hier schon immer für die Unabhängigkeit und für die Eigenständigkeit Kataloniens gekämpft. Ende der 1960er Jahre wollte Diktator Franco die kleine romanische Madonna mit dem ernsten Gesicht krönen. Ruth lacht: “Wir ließen sie verschwinden und forderten katalanische Bischöfe, deshalb kam der Diktator hier nie an.”

La Vall de Ribes-La Vall de Núria

Núria-Tal
Informationen zum Tal, das nur zu Fuß oder durch eine Zahnradbahn zugänglich ist, befinden sich auf der unten angegebenen Website. Ausgangspunkte sind Ribes de Freser (Vall de de Ribes) oder Queralb. Im Vall de Núria befinden sich ein Hotel und eine Herberge, es gibt eine Skistation (auch Skilanglauf). Weitere Angebote: Schlittenfahren, instinktives Bogenschießen, Wandern (auch mit Schneeschuhen), Gipfelbesteigungen, Reitausflüge und Aktivitäten speziell für Kinder. Die schönste zweitägige Trekkingtour (Berghütte) durch wilde Pyrenäenlandschaft liegt für den Bergführer Joan Cano zwischen Núria und Thuès-Entre-Valls (Frankreich). Von dort kann man mit dem “gelben Zug” zurück nach Katalonien fahren.
Tel.: 972 732 020, www.valldenuria.com

Queralbs
Dieses kleine romantische Bergdorf mit romanischer Kirche, in dem auch noch ein paar Hirten leben, befindet sich auf dem Weg nach Núria und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.

Fremdenverkehrsamt Vall de Ribes
Patronat de Turisme de la Vall de Ribes
Plaça del Ajuntament 3, Ribes de Freser, Tel.: 972 727 728, www.vallderibes.com

Unterkunft

Mas La Casanova
Diese restaurierte Masia mit wunderbarem Blick auf die Berge befindet sich zwischen Ribes de Freser und Queralbs eingebettet in Weiden und Wald. Die ehemaligen Bewohnern inspirierten den katalanischen Theaterdramaturgen Ángel Guimerá (1897) zu seinem Theaterstück "Terra Baixa". Für Leni Riefenstahl war dieses Werk Grundlage für den umstrittenen Film “Tiefland”. Heute führen Rosa und Josep diese rustikale Unterkunft.
Tel.: 972 198 077, 626 118 605, www.maslacasanova.com

Mas Ventaiola
Marta Perramon und Isabel Corcoy haben ihren Bauerhof, der noch immer in Betrieb ist und auf dem Hügel oberhalb von Ribes de Freser liegt, komplett renoviert. Familiäres, gemütliches Ambiente. Zur Zahnradbahn kommt man zu Fuß.
Ribes de Freser, Tel.: 972 727 948, www.masventaiola.com 

Foto: Xavier Quintana

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