NUTZWERT: Umgang mit Bilingualität

21.12.2008 - Jenna Steenken 

Je früher Sprachen gelernt werden, umso besser. Wer mit seiner Familie für längere Zeit ins Ausland zieht, steht früher oder später vor der Frage, auf welche Schule oder welchen Kindergarten die Kinder gehen werden. Nicht alle Deutschen wählen automatisch eine deutschsprachige Schule. Je nach vermutlicher Länge des Aufenthalts, Alter des Kindes und bereits vorhandenen Muttersprachen fällt die Entscheidung nicht selten für eine englischsprachige, internationale Schule oder eben eine katalanische aus.

Mehrsprachige Erziehung war vor einigen Jahren noch heiß umstritten. Kritiker befürchteten ein Zurückbleiben in der Muttersprache, Entwicklungsstörungen und Nachteile gegenüber einsprachig aufwachsenden Kindern. Inzwischen sind solche Bedenken durchweg widerlegt. Im Gegenteil, heute gibt es den Trend in die andere Richtung. Dieser wird von dem Ehrgeiz vieler Eltern getrieben, dass die Kleinen möglichst früh möglichst viele Sprachen lernen.

Tatsächlich gilt insbesondere bei Sprachen: Je früher desto besser. Im Kleinkindalter besteht im Gehirn ein Synapsenüberschuss, der eine besonders gute Aufnahme von Lernreizen bietet. Aufgrund der schnelleren Entstehung von Neuronenverknüpfungen im Gehirn können kleine Kinder viel schneller lernen als Größere. Bis zum sechsten Lebensjahr gelingt das Erlernen weiterer Sprachen längerfristig am erfolgreichsten.

Bis etwa zum Ende des 3. Lebensjahres können die Kinder mehrere Sprachen gleichzeitig erlernen. Danach erfolgt das Lernen der Sprachen eher nacheinander. Es gilt, dass man bereits im Alter von zehn keine Fremdsprache mehr akzentfrei lernt. Kinder, die von klein auf eine Zweitsprache gelernt haben, tun sich im allgemeinen leichter, eine dritte oder vierte Sprache zu erlernen.
Aus einem weiteren Grund fällt die Eingewöhnung in eine sprachlich neue Umgebung im Kindergartenalter leichter. Da Kinder im frühen Alter meist keine Vorurteile gegenüber Fremden haben, kommt es selten zu einer Ausgrenzung des fremdsprachigen Kindes. Ganz normal gehen sie ihren Spielen nach und unterhalten sich in der Gruppe so wie immer. Das neue Kind ahmt die Laute und Begriffe nach und erlernt, meist innerhalb kürzester Zeit, die neue Sprache. Wie im Erlernen der Muttersprache auch gibt es hierbei natürlich große Unterschiede in der Geschwindigkeit des Erlernens und Korrektheit der Aussprache.

Auch wenn es länger dauert, ist es wichtig, das Kind nicht zum Sprechen zu zwingen. Meist versteht es mehr als es sich in der neuen Sprache zu sagen traut. Das Kind muss selbst den Zeitpunkt finden, wann es anfängt die neu erlernte Sprache im Alltag anzuwenden. Bringen die Eltern bereits zwei verschiedene Muttersprachen mit, kommt es im Ausland nicht selten dazu, dass Kinder mit vier bis fünf Sprachen aufwachsen.

Emmas Mutter ist Deutsche, ihr Vater ist Italiener, geboren wurde sie in Barcelona. Familiensprache ist Italienisch, mit der Mutter wird deutsch, mit der Haushaltshilfe spanisch gesprochen. Katalanisch versteht sie auch, spricht es aber weniger. Die Fünfjährige geht in den deutschen Kindergarten, weil ihren Eltern wichtig ist, die in ihren Augen schwierigste Sprache auch schriftlich und grammatikalisch perfekt zu erlernen. Auf dem Lehrplan des Kindergartens steht noch Englisch, das durch eine Lehrerin am Wochenende privat zu Hause spielerisch vertieft wird. Wie selbstverständlich geht Emma mit diesen vier Sprachen um, wechselt ohne Probleme je nach Gesprächspartner.

In jedem Fall ist es wichtig, dass eine Fremdsprache spielerisch, kindgerecht und spannend vermittelt wird. Das Lernen soll Spaß machen. Am besten lernt es sich durch viel Korrektes hören und regelrechtes eintauchen in die jeweilige Kultur und deren Sprache. Ganz wichtig ist die Konsequenz der Eltern. Auch wenn das Kind einem Elternteil in der „falschen“ Sprache antwortet, sollte dieses dem Kind in seiner Sprache antworten. Um den Kindern weder Selbstvertrauen noch die Freude an Sprachen zu nehmen, darf das Kind nicht andauernd kritisiert werden. Besser als das direkte verbessern, ist die korrekte Wiederholung des Gesagten seinerseits.

In Katalonien wird in allen Kindergärten und Schulen, egal ob privat oder staatlich auf grundsätzlich auf Katalanisch gelehrt. Spanische Schulen gibt es nicht, sie sind gesetzlich verboten. Internationale Schulen unterrichten in der jeweiligen Landessprache und Spanisch oder anderen Wahlsprachen als Zweitsprache. In Katalanischen Einrichtungen ist in der Regel Englisch erste Fremdsprache, sie wird zum Teil schon ab P2, spätestens ab P6 angeboten. Spanisch wird in vielen Schulen als zweite Fremdsprache geführt, was sich in der geringeren Stundenzahl des Faches ausdrückt.

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