NUTZWERT: Führung durch die Altstadt von Barcelona (auf Deutsch)

23.04.2012 - Rafa Heberling 

Es ist Samstag Morgen 10:45Uhr, das Haar ist noch nass, die Hose noch nicht zu: da klingelt schon das Telefon. „Hi, Rafa, bin ich hier richtig? Ich stehe am Arc de Triomf, aber es ist keiner da!“ – „Ja, du bist richtig, aber wir sind erst um 11:00 Uhr verabredet.“ – Ich musste schmunzeln: ein kleines Stück „Deutsch“ mitten in Barcelona.

Kaum um 10:59 Uhr am Triumphbogen angekommen, steht schon ein Grüppchen unter dem Monument. Und gut, dass ein wenig Verzögerung eingeplant war: erst mal eine Viertelstunde Warten, damit alle „gemütlich“ eintreffen können. Die Organisatorin, zum Beispiel, „fliegt“ förmlich um 10 nach ein. Ich wußte schon, dass sie mir sympathisch ist.

Eigentlich bin ich gar kein Stadtführer. Verstehe mich auch nicht als solcher. Doch als Sammler unnützen Wissens habe ich mir bei den vielen unterschiedlichen Anlässen, bei denen ich den Verein der Städtepartnerschaft Köln-Barcelona vertreten habe, anlässlich der vielen Übersetzungen von und für Kunsthistoriker, Architekten, Kuratoren dieses unnütze Wissen bereichern können, dass ich diese Stories gerne weiter gebe. Dabei sind eine Menge Gemeinsamkeiten in der Stadtentwicklung der Partnerstädte aufgefallen, die für mich etwas Magisches haben.

Im Gegensatz zu den offiziellen Führern, die lediglich die Interessen von Turisme Barcelona vertreten, zeige ich gerne, was mich persönlich an der Hauptstadt Kataloniens fasziniert. Gerade das gotische Viertel und das Raval, also die Altstadt hat es mir angetan: hier hat Barcelona für mich seine Alleinstellungsmerkmale.

Eixample und viele moderne Stadtteile unterscheiden sich dagegen kaum von denen in Madrid, Santiago de Chile oder Buenos Aires, oder anderen Metropolen irgendwo auf der Welt. Selbst die Bars dort sind schick und hipp und gleichzeitig beliebig, irgendwie austauschbar. Das kann man von der Altstadt Barcelonas mit seinem besonderen Charakter nicht behaupten.

Dabei ist die Altstadt erst seit wenigen Jahren wieder „begehbar“. Als ich 1997 hier her zog, konnte man die Wohnung eigentlich nur bewaffnet verlassen. Inzwischen ist es idyllisch und kreativ geworden: es lassen sich immer mehr Designer und junge Kreative nieder. Es scheint als nutzten sie die Beständigkeit und Eleganz der alten Mauern, um ihren neuen Kreationen den Nimbus der historischen Nachhaltigkeit dieses Ambientes zu verleihen. Der unvergleichliche Charme der alten Gebäude und Plätze im Casc Antic ist mittlerweile sicherer und eleganter geworden.

Hier sind wir unter dem Monument der Weltausstellung des späten neunzehnten Jahrhunderts (Arc de Triomf) gestartet, auf den unsichtbaren Spuren der alten Stadtmauer entlang, um an der alten Kirche San Pere und dem idyllischen Plätzchen zum ersten Mal zu halten. Von dort aus dann durch die engen Gassen der Altstadt, die mancher aus der Gruppe sich wohl das erste Mal traute zu betreten, so leicht kann man sich hier verirren.

Der nächste Stop dann an dem Palau de la Música, der mehr mit Deutschland zu tun hat, als man vermuten mag: hier hängt die Siegfried-Oper und sogar das Konterfei des in Katalonien um die Jahrhundertwende sehr verehrten Richard Wagner in der Fassade.

Vorbei am Antic Teatre zum Mercat de Santa Caterina, der mit seiner Renovierung ein geschwungenes Dach als Hommage an Gaudí erhielt, über die Pl. de las Lanas durch die Montcada am neuen Museum für zeitgenössische europäische Kunst in der Carrer Barra de Ferro vorbei, wo es abends zum Erstaunen vieler Teilnehmer der Tour in den Mauern des alten Palastes Konzerte und Lesungen gibt. Hier im Viertel sitzen eine Menge Kreative, die weit über die Grenzen Barcelonas hinaus bekannt sind: Mey Hofmann zum Beispiel. Sie fing vor 25 Jahren alleine an, eine Kochschule zu leiten. Inzwischen hat die Frau mit deutschem Großvater und seinem Namen über 50 festangestellte Sterneköche als Lehrkräfte und betreibt die einzige Kochschule Europas mit Stern im schwierigen Guide Michelin. Direkt an der Sta. Maria del Mar, der „Arbeiterkirche“ des Mittelalters. In jeder deutschen Bahnhofsbuchhandlung steht der Roman „die Kirche des Meeres“ im Schaufenster. Viele aus der Gruppe betraten zum ersten Mal die Kirche, die dem Entdeckerschiff von Kolumbus den Namen gab. Vorbei an der ewigen Flamme, an der Stelle, an der die Stadtmauer den Mastbrechern der spanisch-französischen Allianz in zehnfacher Übermacht 1714 erlag, bis hin zum alten, emblematischen Mercat del Born, der seit 40 Jahren eine Baustelle ist. Die vielen Besonderheiten Barcelonas, vor allem die archäologischen Funde, die Eigenheiten, die helfen die autochthonen Menschen hier besser zu verstehen, findet man in genau diesem übersichtlichen Stückchen Barcelona mit seinen vielen Bars und Restaurants zwischen den Geschäften.

Man trifft auch auf die besten Croissants (Goldmedaille) in der c/Flassaders bei der Patisserie von Mey Hofmann und gerade die Ecke herum: eine Designerin für Damenoberbekleidung, Mertxe Hernandez. Sie unterrichtet Design an der Uni und stattet unter anderem den weltberühmten Cirque de Soleil aus. Dabei verkauft sie ihre Unikate in dem kleinen Geschäft hier in der C/ Rec zu erschwinglichen Preisen. Ein Designer-Kleid um 75 Euro als Unikat finde ich persönlich jedenfalls nicht auffällig teuer.

Ein wenig weiter, gerade über die Via Laietana hinweg, betreten wir hinter der noch sichtbaren römischen Stadtmauer den ältesten Teil Barcelonas. Das Museum MUHBA wurde bereits für die gleichzeitige Präsentation der archäologischen Forschung im Betrieb ausgezeichnet. Hier gibt es übrigens eine Zusammenarbeit mit der Kölner archäologischen Zone – ebenfalls so nah am Rathaus wie in Köln.

Auf den Spuren der Dreharbeiten zum Film „Das Parfum“ war so mancher erstaunt, dass hier im Innenhof des katalanischen Alpenvereins die Säulen des einstigen Augustus-Tempels freigelegt wurden. Das alte jüdische Viertel, in dem man die vielen Baustufen der Jahrhunderte von den Römern bis in die Gegenwart mit ihren Satellitenschüsseln am deutlichsten betrachten kann, vorbei an der Basilika Maria del Pi, über die Rambla durchs alte Hospital, vorbei am FAD und bis in den Innenhof des CCCB, von dem aus man durch eine architektonische Besonderheit über die Dächer des Raval bis ans Meer schauen kann.

Hier genau haben wir fast 5 Km zu Fuß hinter uns gebracht, und viel gesehen, viel frische Luft geatmet und die Füße einfach platt… Nur noch ein kleiner Teil der Teilnehmer ist nach der Tour mit in das „Carmelitas“, das von einem Galeristen betrieben wird, um den Appetit nach dem Genuss so viel frischer Luft ein wenig zu stillen.

Es hat mir Spass gemacht, „mein“ Barcelona den Teilnehmern näher zu bringen. Hoffe, dass es den Teilnehmern der Tour genauso viel Freude gemacht hat.

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