INTERVIEW: La Maleta Roja bricht Tabus

09.12.2008 - Susanne Merz 

Die Unternehmensgründerin und Geschäftsführerin, Dina Hoernecke, des Erotik-Unternehmens La Maleta Roja, hat eine deutsche Mutter und einen amerikanischen Vater. Aufgewachsen ist sie jedoch in Spanien, lebte aber 10 Jahre mit ihrem deutschen Ehemann in München. Daher ist sie sowohl mit der spanischen als auch mit der deutschen Mentalität vertraut und kennt deren Unterschiede in allen Bereichen, auch im Sexualleben.

Die von ihr gegründete Firma kann nach nur zwei Jahren einen Umsatz von über 2,5 Millionen Euro pro Jahr verzeichnen.

Was macht Ihr Unternehmen?

Die Firma La Maleta Roja vertreibt erotische Produkte in Spanien und Portugal. Dabei geht es hauptsächlich darum, die Frauen zu informieren und zu erziehen, da Spanien ein sehr katholisches Land war, so dass sexuelle Erziehung nur auf der physischen, aber nicht auf der psychischen Ebene stattfand.

Wir legen großen Wert darauf, nicht als Sex-Shop angesehen zu werden. So vermeiden wir in der Darstellung unserer Produkte bewusst die für einen männlichen Sexshop typischen Darstellungen wie langhaarige Blondinen mit gespreizten Beinen und überdimensionalen Silikon-Brüsten. Mit unserem Unternehmen haben wir das Prinzip der Tupper - Parties aufgegriffen.

Die Firma umfasst 13 Mitarbeiter, die in der Hauptgeschäftsstelle in Castelldefels arbeiten und 200 Außendienstmitarbeiterinnen, welche die Frauenrunden persönlich besuchen und ihnen die erotischen Produkte vorstellen. Dabei ist hohes Einfühlungsvermögen erforderlich, da man in die Intimsphäre der Kunden eindringt. Aus diesem Grund sind unsere Vertreter aus den jeweiligen Regionen, da eine Baskin ganz anders denkt als eine Andalusierin, so dass die gemeinsame Basis für den erfolgreichen Verkauf fehlen würde.

Seit wann existiert ihr Unternehmen?

Im Jahr 2004 begann alles mit einem Projekt, da mein Mann und ich neue Herausforderungen gesucht haben. Ich besuchte eine Erotikmesse und kaufte mir einige erotische Produkte und besuchte meine Freundinnen, um herauszufinden, ob spanische Frauen dafür offen wären. Offiziell gegründet wurde das Unternehmen von mir und Sascha Siebenmorgen im Februar 2006.

Wie entstand ihre Unternehmensidee?

Im Fernsehen wurde über ein Unternehmen der gleichen Art in Amerika berichtet, so dass ich mir überlegte, ob das Prinzip auch in Spanien gut ankommen würde. Einige Zeit blieb diese Idee in meinem Kopf, bis wir schließlich begannen, sie mit einer Freundin umzusetzen, die jedoch ziemlich früh wieder ausgestiegen ist. Eigentlich komme ich nicht aus der Erotik-Branche, sondern habe Touristik in Granada studiert und war vor der Unternehmensgründung Hausfrau und Mutter.

Warum haben sie sich in Katalonien/Spanien niedergelassen?


Mein Mann, hatte seine Arbeit in Katalonien, so dass wir damals zusammen hierher kamen.

Was war für sie zu Beginn die größte Herausforderung?

Der Firmenaufbau war mit viel Arbeit verbunden, da man sich um alles gleichzeitig kümmern musste. Zudem hatten wir zwei kleine Kinder, die viel Aufmerksamkeit verlangten. Außerdem beschränkte sich unser Startkapital auf 500 Euro. Dennoch gründeten Sascha Siebenmorgen und ich das Unternehmen ohne einen Kredit aufzunehmen. Die größte Aufgabe war jedoch, die Pionierarbeit, die wir zu Beginn leisten musste. Für mich persönlich war die größte Herausforderung, die Kraft zu finden, offen über Sexualität vor einer Gruppe von Frauen zu reden.

Sprechen Sie Katalanisch/Spanisch?


Ich spreche kein katalanisch, aber Spanisch ist eine meiner Muttersprachen.


Was raten Sie jemandem, der in Katalonien/Spanien eine Firma gründen will?

Ich würde den deutschen Unternehmensgründern raten, die deutsche Denkweise abzulegen. Man muss versuchen zu denken wie ein Spanier, um hier erfolgreich zu sein. Eine Strategie, die für Deutschland entwickelt wurde, lässt sich hier nicht umsetzen, sondern muss „übersetzt“ werden. So wurde auch La Maleta Roja dem spanischen Markt und den Spaniern angepasst, da eine amerikanische Frau anders denkt als eine Spanierin. Auch aus diesem Grund kommen alle unsere Vertreterinnen aus den jeweiligen Verkaufsgebieten, da diese wissen wie man mit den Frauen aus der jeweiligen Region über dieses Thema spricht, inwieweit Distanz gewahrt werden muss und wie man die Frauen erreicht.

Welche Unterschiede zu Deutschland fallen Ihnen hier am meisten auf?


Die Spanier sind spontaner und flexibler als die Deutschen. Die Deutschen versuchen, alles genau zu planen und nach ihrer ausgearbeiteten Strategie vorzugehen. Wobei die Mentalität der Katalanen von allen Spaniern den Deutschen am ähnlichsten ist. So halten die Katalanen Termine ein und haben ein funktionierendes System.

Ein gutes Beispiel für den Unterschied zwischen Spaniern und Deutschen erlebten wir als wir am Anfang der Unternehmensgründung standen. Während eine deutsche Anwältin uns erklärte mit 500 Euro Startkapital und den gegebenen Bedingungen sei es unmöglich, die Firma zu gründen, half uns schließlich ein spanischer Anwalt das Unternehmen zu eröffnen, indem er uns aufzeigte, wie wir über einen Schleichweg
durchstarten konnten.

Ein weiterer großer Unterschied zwischen Spanien und Deutschland findet sich darin, dass in Spanien kein soziales Auffangnetz vorhanden ist. In Spanien wird diese Funktion von der Familie übernommen. Wenn diese nicht vorhanden ist, ist der Fall dementsprechend tief. Generell ist die Familie in Spanien noch wichtiger als in Deutschland, während die Funktion der Familie in Deutschland immer mehr vom Freundeskreis übernommen wird, ist die Familienbindung in Spanien stärker. So verbringen viele Spanier ihre Freizeit mit ihrer Familie.

Zudem haben die Deutschen ein viel größeres Kollektiv- und Gemeinschaftsbewusstsein, was an ihrem Recycling-Verhalten deutlich wird. Während die Spanier sich hauptsächlich um ihre Familien sorgen, haben die Deutschen ein größeres Bewusstsein für die sozialen Probleme der Gemeinschaft. Daher denke ich, das die kollektive Kraft, die in Deutschland wirkt, sich besser eignet um zum Beispiel globale Probleme zu lösen.

Das Interview führte

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