INTERVIEW: Die Ausklammerung der spanischen Autoren war unklug.

17.01.2008 -  

Der gebürtige Bremer lebt seit 23 Jahren in Barcelona und ist Sozius und Mitbetreiber der Literaturagentur Ute Körner. Die Präsenz Kataloniens auf der Frankfurter Buchmesse hätte besser genutzt werden können, meint er.

Weshalb kam es zur Polemik?

Zwischen der Einladung nach Frankfurt und der Buchmesse im Herbst 2007 sind drei Jahre vergangen, es hat einen Regierungswechsel gegeben und dadurch hat sich die Ausrichtung verschoben. Die Präsenz ist mit der Entscheidung, nur katalanisch schreibende Autoren auszuwählen, klar politisiert worden.

Es wurden keine Kosten gescheut?

130 katalanische Autoren sind nach Frankfurt geflogen worden und zusätzlich die Verleger und viele viele Kulturpolitiker. Das war sicher die größte Delegation eines Buchmesse-Gastlandes auf der Buchmesse, größer als die der arabischen Länder 2004, als auch schon eine Region eingeladen wurde und nicht ein einzelner Staat. Das Budget wird offiziell mit 12 Millionen Euro angegeben, ich bin sicher, es lag noch höher.

Haben die katalanischen Kulturpolitiker die Einladung überschätzt?

Vielleicht hatten sie sich mehr Wirkung weltweit versprochen. Die Messepräsenz hat immer in erster Linie bilaterale Auswirkungen, in diesem Fall zwischen Deutschland und Katalonien – und weniger auf Drittländer oder andere Sprachen. Aber man hat die Einladung vor allem innenpolitisch sehr genutzt: Presse und Fernsehen waren enorm präsent und haben die Wichtigkeit der katalanischen Kultur in einer Form gezeigt, die die die Realität verzogen dargestellt hat.

Der katalanische Buchmarkt ist sehr präsent?

Die spanische Buchindustrie ist weltweit sehr stark. Das katalanische Verlagswesen macht sicher mindestens 30 Prozent daran aus – aber das sind nicht alles Bücher auf Katalanisch.

Wurden die spanisch schreibenden Autoren in Frankfurt vermisst?

Wichtige spanische Autoren wie Juan Marsé, Eduardo Mendoza, der verstorbene Manuel Vázquez Montalbán sind in Deutschland sehr bekannt, auch deshalb wurde ursprünglich Katalonien eingeladen. Diese Ausklammerung hat man in Deutschland nicht verstanden. Das ist keine kluge Politik gewesen. Da fehlte eine gewisse Perspektive, die Vielfalt zu nutzen. Die Stadt und die Region Barcelona und ganz Katalonien haben eine reiche Kultur und haben immer davon gelebt, dass verschiedene Kulturen aufeinandergestoßen sind.

Inwiefern hätte der Buchmarkt noch mehr Nutzen ziehen können aus der Buchmesse?

Die katalanische Kulturpolitik subventioniert sehr großzügig Übersetzungen in andere Sprachen – Übersetzungen ins Deutsche nehmen beispielsweise nach denen ins Spanische und Französische jetzt den dritten Platz ein. Im Zuge dieser Subvention wird fast immer die gesamte Übersetzung, ein Großteil der Produktion und der Promotion katalanischer Literatur bezahlt, was zur Folge hat, dass die ausländischen Verleger nichts wirklich mehr riskieren müssen. Wenn man den Verlegern alles finanziert und damit das Risiko nimmt, lässt deren Engagement nach. Erfolge brauchen aber das Engagement der Verleger. Wenn das wegfällt, wenn die Verlage nur ihre Pflicht erfüllen und Katalanen einfach im Programm haben, und wenn die dann vielleicht nicht so gehen wie erhofft, heißt es dann hinterher, katalanische Literatur verkaufe sich nicht. Da schadet eine solch satte Subventionierung eher.

Da hätte man mit knapperen Mitteln mehr erreicht?

Ja. Nicht die Kulturpolitik ist entscheidend, sondern das, was auf der Messe selbst passiert. Wenn sich zwei, drei Autoren auf dem deutschen Markt durchsetzen, dann interessieren sich vielleicht auch andere Länder für die. Mehr darf man auch von der Frankfurter Buchmesse nicht erwarten.

Und die spanische Messe Liber?

Die Liber halte ich im Hinblick auf internationale Beziehungen, Lizenzgeschäfte, kulturpolitische Bedeutung für überflüssig. Es ist schon nicht gut, dass sie alterniert zwischen Barcelona und Madrid. Aber schlimmer ist, dass sie eine reine Fachmesse ohne Publikum ist. Der kulturelle Austausch fehlt völlig. Das ist die große Stärke einer Messse wie Frankfurt. Das Rahmenprogramm katalanischer Kultur in Frankfurt war überwältigend.

Inwiefern kann das Fernsehen der Literatur helfen?

Programme wie früher das Literarische Quartett, das Javier Marías zum Boom verhalf, oder jetzt Elke Heidenreich haben manches Buch eines katalanischen Autors in Deutschland und danach weltweit zum Erfolg gemacht und rückwirkend dann auch in Katalonien und Spanien. Ein Beispiel ist Carlos Ruiz Zafón, „Der Schatten des Windes“ und jetzt gerade Maria Barbal „Wie ein Stein im Geröll“ – die dank des Heidenreich-Effektes zum Bestseller wurden.

Die Fragen stellte Clementine Kügler

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