HINTERGRUND: Wer ist Ana Patricia Botín?

12.06.2009 - Stefanie Claudia Müller 

Warum tut sich eine Frau das an? Ana Patricia Botín ist Ende 40. Sie ist seit 27 Jahren im Bankgeschäft tätig, hat drei Kinder und kommt aus einer sehr reichen und einflussreichen Familie, die vor allem im nordspanischen Kurort Santander ihre Wurzeln hat. Die Präsidentin der viertgrößten spanischen Bank Banesto müsste sich nicht tagtäglich mit Zinsen, Kommissionen und ihren rund 10 000 Angestellten rumschlagen, sondern könnte zum Beispiel öfter mit ihrem Schwager Severiano Ballestero, einem gealterten, aber immer noch sehr populären spanischen Ex-Profispieler auf den Golfplatz gehen. Immerhin hat sie ein sehr gutes Handicap. Als Jugendliche gewann sie zahlreiche Turniere.

Sie könnte aber auch mit ihrer Mutter, der Pianistin Paloma O’Shea, schöne Konzerte besuchen, so wie sie es als Kind oft getan hat. Sie könnte sich selber mehr an den Flügel setzen oder sich einfach mehr um ihre drei Söhne und ihren Mann Guillermo Morenés kümmern - ein gelernter Agraringenieur und Abkömmling des italienischen Marquis von Borghetto, mit dem sie seit 1983 verheiratet ist. Stattdessen treibt Ana Patricia Botín ein unbändiger Ehrgeiz, noch weiter voran zu kommen im Geldgeschäft. Was ihr unter Branchenexperten den Ruf der „eisernen Lady“ eingebracht hat.

Kein Wunder, denn bei der Familie Botín, die seit 150 Jahren Aktionär der größten spanischen Bank, der Santander Central Hispano (SCH) ist, gilt: „Die Bank ist alles.“ Wer sich dort einheiratet, muss wissen, dass das Geld die Ehe bestimmen und die Familie eher zu kurz kommen wird. Von ihren fünf Geschwistern nimmt die Älteste diesen Auftrag am ernstesten. Sie will Erfolg. Als sie mit zehn Jahren eine Klassenarbeit im Mädcheninternat in Genf in den Sand setzt, fühlt sie sich erniedrigt und beschämt. Sie schwört sich, nie wieder zu versagen.

Dass Banesto eine Tochter der Santander-Gruppe ist, macht Ana Patricia noch ehrgeiziger. Sie muss sich vor ihrer Familie, die mit rund fünf Prozent größter Eigentümer ist, beweisen. Immerhin sitzen mit ihr vier aus dem Clan im Verwaltungsrat. Gut sein ist damit auch Ehrensache. Immer wieder macht Ana Patricia Botín in den wenigen Interviews, die sie gibt klar, dass ihr das berufliche Image am wichtigsten ist: „Es ärgert mich, wenn jemand glaubt, ich sei für meinen Job nicht qualifiziert“.

Zwar sagt sie das nicht, aber man kann fühlen, dass sie das Mutterdasein im Vergleich zum Bankalltag eher langweilt: „Gott sei Dank, können wir uns in Spanien immer auf unsere Eltern als Babysitter verlassen,“ sagt die Karrierefrau. Wenn eine Mutter in Spanien beruflich weiter kommen wolle, dann brauche sie deswegen anders als zum Beispiel in den USA oder Deutschland kein schlechtes Gewissen zu haben. Im Gegenteil in Spanien ist es gut angesehen, wenn Frauen arbeiten, egal ob sie Kinder haben oder nicht.

Ana Patricia Botín ist sicher die bekannteste spanische Karrieremutter. Zudem wird sie trotz ihrer Attraktivität, die Männer von ihrem Wissen ablenken könnte, respektiert wie kaum eine andere Geschäftsfrau: „Wenn man mit ihr redet, vergisst man, dass sie eine Frau ist. Sie ist wirklich sehr professionell,“ sagt der Chef der spanischen Sparkassenvereinigung Ceca, Juan Ramón Quintás. Beim internationalen Wirtschaftsmagazin Fortune steht die Braunhaarige mit den funkelnden Augen und dem stolzen Blick nicht umsonst im Ranking der einflussreichsten Geschäftsfrauen der Welt immer ganz vorne.

Aus ihrem sehr aufmerksamen Blick ist es abzulesen, dass sie am liebsten alles kontrollieren würde, vor allem wenn es um ihr Image geht. Bei Veröffentlichungen will sie die Photos selber auswählen. Vertut sich ein Journalist mit dem Alter, wird sie ärgerlich: „Wenn er mich jünger macht, dann finde ich das natürlich nicht so schlimm.“ Ihr Äußeres soll korrekt sein und keine Aufmerksamkeit erregen. Die Bankerin mag schlichte Kostüme und dezente Farben. Ihre dichtes halblanges dunkelbraunes Haar liegt stets perfekt auf den Schultern oder ist zum Zopf zusammen gebunden. Die Schminke ist sehr dezent.

Das stete Heischen nach Erfolgen scheint auch ein ständiges Messen mit dem Vater Emilio Botín zu sein, der seit 24 Jahren Präsident der Santander-Gruppe ist und dem sie nicht nur äußerlich sehr ähnlich ist. Während ihre zwei jüngeren Schwestern dem künstlerischen Weg der Mutter gefolgt sind, strebte Ana P schon früh ihrem Vater nach. Noch ist er seiner ältesten Tochter um Längen voraus. Der über 70-Jährige hat die ehemals sechstgrößte Bank Spaniens zur Nummer 1 des Landes gemacht. Weltweit steht die Santander auf Platz 5. Vor fünf Jahren war es noch der 14. Platz.

Ana P, wie sie genannt wird, scheint es zu wurmen, dass ihr Vater ständig im Rampenlicht steht. Vielleicht auch ein Grund, warum sie, obwohl sie als seine Lieblingstochter gilt, nicht gerne über ihn spricht. Bei einer Pressekonferenz reagierte sie auf die Frage einer Journalistin zu dem Ziel ihres Vaters, Banesto zu einer der profitabelsten Banken in Spanien zu machen, fast hysterisch: „Frag ich Sie, ob Ihr Vater ein guter Journalist war?“ In einem anderen Interview antwortet sie auf die Frage, ob ihr Vater sich in die Banesto-Geschäfte einmische: „Ich ziehe es vor darüber zu reden, ob Banesto unabhängig ist. Und da kann ich nur mit Ja antworten, zu 100 Prozent.“

Dass sie Fragen zu ihrem Vater wütend machen, liegt auch daran, dass immer noch nicht klar ist, ob sie seine Nachfolgerin an der Spitze der Santander-Gruppe wird. Es ist ihr größtes Ziel, die vierte in der Botín-Dynastie zu werden - ihr Urgroßvater hatte die Bank gegründet. Aber viele Bankexperten bezweifeln noch, dass ihr Vater tatsächlich eine Frau an die Spitze einer so mächtigen Bank setzen werde. „Auch wenn sie einen sehr guten Job gemacht hat,“ wie Baldomero Falcones bestätigt, der lange in hochrangigen Funktionen für die Santander gearbeitet hat. Zur Diskussion steht deswegen auch verstärkt ihr Bruder Javier, der gerade im Verwaltungsrat den Platz seines Onkels Jaime eingenommen hat.

Ana Patricia ist in jedem Fall die Erfahrenere von den beiden Kandidaten. Javier ist gerade Mitte 30. „Sie hat sich unabhängig von ihrer Familienzugehörigkeit einen großen Namen in der Finanzwelt gemacht. Heute leitet sie mit Erfolg eine sehr wichtige spanische Bank,“ sagt Marinilka Kimbro, Dozentin an der Madrider Businessschule Instituto de Empresa. Ihre Ausbildung sei mehr als solide. Sie durchlief Eliteschulen in England, den USA, Österreich und der Schweiz, studierte am Bryn Mawr College in den USA und machte in Harvard einen MBA. Damit ist sie ihrem Vater in einem Punkt bereits deutlich überlegen: Sie spricht vier Sprachen, darunter auch ein bisschen Deutsch und hat zudem in vielen verschiedenen Ländern gelebt.

Emilio Botín dagegen muss sich seit seiner forschen Offerte für die britische Abbey-Bank vorhalten lassen, dass er schlecht Englisch spricht. Außerdem hat er sein Leben lang für die gleiche Bank gearbeitet. Mit 26 Jahren war seine Tochter dagegen bereits Vize-Präsidentin bei der US-Investmentbank J.P. Morgan, wo sie für Lateinamerika zuständig war. Erst vier Jahre später wird sie zum Mitglied des Verwaltungsrats bei der von ihrem Vater Emilio geführten Banco Santander ernannt. Und das immer noch in einer von mehrheitlich von alten Männern dominierten spanischen Wirtschaft. Mit 33 Jahren steigt sie zur Chefin der Banco Santander de Negocios (BSN) auf.

Mit 38 Jahren führt sie schließlich die gesamten Investment-Geschäfte des spanischen Geld-Riesen. „Hier hat sie ihr Element entdeckt, allerdings hat sie ein paar Mal das Risiko des lateinamerikanischen Kontinentes unterschätzt,“ sagt Juan Ignacio Sanz, Dozent für Finanzwissenschaften an der Businessschule Esade in Barcelona. Der in roten Unternehmensfarben leuchtende Bankriese Santander, der vor allem mit dem Privatkundengeschäft sein Geld verdient, ist bekannt für sein eher konservatives Vorgehen bei der Gewinnung von Marktanteilen. Ana Patricias Jonglieren mit Millionen in Argentinien und Mexiko hat manchem alten Santander-Funktionär in nervöse Wallungen versetzt. Drei Milliarden Euro gab sie für Zukäufe von lateinamerikanischen Banken aus. Verluste auf dem hoch volatilen Kontinent blieben nicht aus und haben an ihrem Image gekratzt.

Das war auch ein Grund, warum Ana P sich im Jahr 1999 nach der Fusion der Santander mit der spanischen Bank Banco Central Hispano (BCH) aus dem aktiven Geschäft zurückziehen musste und nur ihren Sitz im Verwaltungsrat behielt. Sie hatte zu der Zeit bereits 50 Prozent des Personals unter sich. „Natürlich spielte auch eine Rolle, dass sie eine Frau und dass sie eine Botín ist,“ sagt der Chef der Sparkassenvereinigung Ceca, Quintás. Die Führungskräfte der BCH hatten Angst, dass die Familie bei der neuformierten BSCH zuviel Einfluss haben würde. Ihr Vater musste sie opfern, was sie ihm bis heute nicht verziehen hat. Ein schwerer Schlag für die erfolgsverwöhnte Finanzfrau.

Aber dennoch war es für Ana Patricia kein Grund, sich eine Auszeit zu gönnen. Im Gegenteil, die agile Spanierin gab internationalen Fachmagazinen Interviews in der Hoffnung, eine andere renommierte internationale Bank würde auf sie aufmerksam werden und ihr ein gutes Angebot machen. In der Zwischenzeit versuchte sie mehr oder weniger erfolgreich am Hype der New Economy mitzugewinnen, gründete einen eigenen Risikokapitalfonds und wurde Mehrheitsaktionärin und Chefin bei Coverlink, einer spanischen Web-Beratungs- und Investmentfirma.

Ihr großer Moment kam, als die Schwierigkeiten zwischen der Topriege der BCH und der Santander nicht mehr zu übersehen waren und ein Team gehen musste. Ihr Vater griff tief in die Tasche und zahlte 164 Millionen Euro Abfindung, um den ehemaligen CEO und den Präsidenten der BCH loszuwerden. Damit schaffte er wieder Platz für seine Familie und damit auch für seine Lieblingstochter, bei der er nach ihrem Rausschmiss vor drei Jahren, noch etwas gut hatte. 2002 machte der als launischer Autokrat bekannte Banker sie zur Präsidentin von Banesto, der wichtigsten Tochterbank der Gruppe, die vor allem wegen ihrer soliden und profitablen Geschäftsbank zu einem Juwel der Gruppe geworden ist.

Die Investmentbankerin sollte dort das Privatkundengeschäft schätzen lernen, ohne das sie als mögliche zukünftige Chefin der Santander nicht auskommen würde. Ihre Resultate bei Banesto sind bisher blendend. Ihr ambitiöses Ziel: „Wir wollen bei der Rentabilität besser werden als die Santander.“ Damit sagt sie indirekt, dass sie endlich auch beweisen will, dass sie mindestens genauso gut ist wie ihr Vater. Allerdings wird sie auf die Nachfolge noch etwas warten dürfen. Denn es hat schon fast Familientradition, dass ein Botín erst durch den Tod von seiner Bank geschieden wird. Schon Großvater Emilio II ließ den Sohn erst dann an die Macht, als er mit 90 Jahren verstarb.

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