HINTERGRUND: Starke Frauen ohne Chancen

09.06.2009 - Stefanie Claudia Müller 

„Die Wartelisten sind lang,“ sagt Nícola Varón, Chef der Escuela Tauromaquia in Madrid, einer der bedeutendsten Ausbildungsstätten für Stierkämpfer in Spanien. Rund 100 Schüler gibt es derzeit, eine handvoll davon sind Mädchen. „Sie träumen noch immer davon, einmal so berühmt zu werden wie Cristina Sánchez,“ sagt Varón. Die Madrilenin wurde mit 24 Jahren zur Matadora gekrönt und gilt seitdem als die erfolgreichste Frau in diesem immer noch von Männer dominierten Metier.
Die Tatsache, dass sie sich vor vielen Jahren aus dem Showgeschäft der corridas, wie die Stierkämpfe im Spanischen heißen, zurückzog, stachelt die weiblichen Nachwuchstalente nur noch weiter an.

„Inzwischen gibt es in jeder Stadt eine Torera“, sagt Juan Vicente de la Calle, Manager von verschiedenen spanischen Stierkämpfern. Sánchez Erfolg war auch ein Grund, warum Mari Paz Vega aus Malaga nach dem Rückzug der ersten spanischen Stiertöterin, die inzwischen mit einem portugiesischen Torero verheiratet und Mutter ist, weiter gemacht hat. Inzwischen lebt sie in Zaragoza und ist auch Matadora, kämpft in Mexiko, Venezuela, wo Frauen eher in die Arenen gelassen werden und in kleinen Städten in Spanien. Sie lebt nur für den Stier.

Hinter ihr scharen sich viele novilleras, die Vorstufe zum Matador. Sie kämpfen mit kleineren Stieren. Vielen werden auf der Strecke bleiben, weil sie Angst haben vor diesem letzten Schritt, weil sie sehen wie Mari Paz sich rumschlägt, wie viel Geld, Zeit und körperlichen Einsatz sie liefern muss und wie sehr die spanischen Männer dagegen ankämpfen, dass eine Frau die Arena betritt. „Es ist immer noch schwer, sich in der Macho-Welt Spaniens zu bewähren. Da tragt man nicht nur körperliche Wunden davon,“ sagt Mari Paz Freundin Raquel Navarro, deren Vater einer der Financiers und Hauptmentor der Torera ist.

Ohne einen solchen Mentor hat eine Frau im spanischen Stierkampf überhaupt keine Chance. Die Kontakte des Restaurantbesitzer Julio Navarro sind wichtig, um die Organisatoren der Festivals zu überzeugen, dass sie eine Torera in die Arena lassen. Wie Raquel können auch viele andere aus der Umgebung von Mari Paz es nicht verstehen, wie ein Frau alle diese Strapazen, die Anfeindungen der männlichen Kollegen und der stetigen Gefahr des Stiers standhalten können: „Dafür muss man sehr mutig sein,“ sagt Raquel. Und wenig eitel, denn der Körper von Marí Paz, vor allem ihre Beine sind mit blauen Flecken und kleinen Verletzungen übersät.

Heute ist Marí Paz wie früher Cristina Sánchez das Idol des jungen weiblichen Nachwuchs. Allerdings verfolgt sich einen völlig anderen Stil als die Madrilenin. Sie spielt weniger mit ihren femininen Attributen, schminkt sich nicht gerne und will sich eigentlich äußerlich nicht von einem männlichen Stierkämpfer unterscheiden. Sie will alles nur nicht sexy sein. „Vielleicht ist das ein Fehler,“ sagt ihrer Freundin Raquel. Aber ihr Mentor Julio Navarro lässt Marí Paz, die Freiheit, selber zu entscheiden, was für sie richtig ist.

Julio Navarro freut sich über die wachsende Bereitschaft der Mädchen, mit dem Stier zu kämpfen, aber nach sovielen Jahren mit Mari Paz, die für ihn eine „außerordentlich mutige Torera“ ist, glaubt er nicht mehr daran, dass Frauen hier, wie sie es in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens in Spanien geschafft haben, jemals etwas zu sagen haben werden.

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