HINTERGRUND: Katalonien: Calçots – vom Garten direkt in den Mund

21.01.2012 - ARENA (Irmgard Penning) 

Zum Winter in Katalonien gehört ein Gaumenschmaus der besonderen Art. Von Ende Januar bis in den März reicht die Saison der weißen Frühlingszwiebel. Die milden, länglichen Stangen ähneln dem Porree, haben aber etwas dickere Knollen. In den Geschäften werden sie gebündelt und noch voller Erde, aus der sie gezogen wurden, zum Kauf angeboten.

„Calçots“ („kal´sots“ gesprochen) sind die Sprösslinge einer voll entwickelten Zwiebel, die wieder in die Erde eingesetzt wurden, bevor sie auf den Markt kommen. Ihren Namen haben sie von den calças – wie man auf Katalanisch Hosen, insbesondere weibliche Unterhosen bezeichnet. Bei einer calçotada, einem traditionellen winterlichen Volksessen in Katalonien, geht es darum, einer Unmenge dieser Zwiebeln sprichwörtlich die Hosen auszuziehen und diese zu verspeisen.

Der Volksmund berichtet, dass dem Bauern Xat de Benaiges in dem mittelalterlichen Städtchen Valls, der Hauptstadt des Alt Camp in der Provinz Tarragona, Ende des 19. Jahrhunderts ein paar Zwiebeln vom Grill ins Feuer rutschten. Er fischte sie aus der Glut, zog ihnen die verbrannte Haut ab, aß sie und war ganz erstaunt über den köstlichen Geschmack. Wenn nämlich die äußere Haut der Stangen in offener Flamme verbrennt, versiegelt der entstandene Ruß das Innere, so dass dieses saftig und weich wird. So war die calçot geboren!

Die richtige Zubereitung ist damit eine wichtige Voraussetzung für den Genuss einer typischen calçotada. Wir vertrauen uns hierzu einem der Restaurants an, die mit einem Menu dieser Art werben und bei dem die übergroße Anzahl parkender Autos zu der Vermutung Anlaß geben, hier würde etwas umsonst serviert. Wir betreten das Lokal und staunen über das fremdartige Aussehen der Gäste. Sie sitzen vergnügt an Tischen, haben ein Lätzchen umgebunden, die Hände stecken in durchsichtigen Plastikhandschuhen und vor jedem liegt eine Dachziegel, auf der sich eine Menge schwarz verkohlter Stangen befinden. Daneben steht eine Schale mit einer rötlichen Sauce. Na das kann ja heiter werden!

Schnell kommen die Dachziegel auch zu uns. Neugierig beobachten wir das Geschehen am Nachbartisch, um herauszufinden, wie man mit diesem Gericht umgeht. Nach einigem Üben mit nun schwarzen Fingern und Rußflecken im Gesicht haben wir den Dreh raus. Wir packen eine Stange am Bart, also am ihrem Ende. Mit der anderen Hand ziehen wir die schwarz verbrannte äußere Schicht ab. Übrig bleibt das zarte Herz. Dieses tauchen wir in die bereitgestellte Romesco- oder Salvitxada-Sauce, legen den Kopf in den Nacken, öffnen den Mund weit, lassen die längliche, von Sauce triefende Zwiebel hineingleiten und beißen sie am grünen Ende ab.

Es versteht sich von selbst, dass wir bald nicht nur Rußspuren, sondern auch Spuren der Sauce und des Gemüsesaftes auf unseren Gesichtern, Armen und Händen haben. Die Sauce ist eine kalorienhaltige Köstlichkeit, die aus Tomaten, Öl, Knoblauch, Mandeln und Haselnüssen besteht. Damit wird sie zum starken Kontrapunkt des ansonsten kalorienarmen, vitaminreichen, entschlackenden Zwiebelgemüses.

Rotwein oder Cava begleiten diese außergewöhnliche Vorspeise. In den meisten Restaurants wird inzwischen der Rotwein in Flaschen bzw. Gläsern gereicht, so dass wir zumindest von den typischen Rotweinflecken verschont bleiben, die sich der Ungeübte beim Trinken aus dem porron, der langhalsigen Flasche mit keilförmigem Trinkrohr an der Seite, unweigerlich zuzieht.

Nach dem Genuss der calçots kommt in der Regel noch Gegrilltes auf den Tisch. Den Abschluss bildet eine leckere crema catalana. So können wir nicht mehr Piep sagen, als wir fröhlich, aber pappsatt Stunden später das Lokal verlassen.

Um eine richtige öffentliche calçotada zu erleben, brauchen wir uns nicht auf den Weg bis nach Valls zu machen. Solche Feste finden wir auch im Ampurdan. Im Februar findet z.B. jährlich die „Fira del Calçot de Vilasacra“ stand. Auf den weitläufigen Feldern rund um den kleinen Ort zwischen Figueres und Ampuriabrava an der C260 gelegen, wachsen und gedeihen die Zwiebeln.

Zum Fest werden die calçots auf großen Holzkohlengrills direkt vom Feld weg auf der Straße gegart, in Zeitungspapier eingeschlagen, damit sie warm bleiben und dann im Stehen verzehrt, wobei oft tollkühne Kunststücke zu beobachten sind. Es finden Wettbewerbe statt, in dem um die leckerste selbst gemachte Sauce ebenso hart gerungen wird, wie um die besondere Auszeichnung, die meisten Stangen in einer vorgegebenen Zeit verdrückt zu haben. Natürlich werden die Zwiebelbündel auch roh zum Kauf angeboten.

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