HINTERGRUND: Das spanische Abtreibungsgesetz

07.02.2008 - Jenna Steenken 

Mit der Legalisierung von Abtreibungen unter bestimmten Voraussetzungen durch ein Gesetz von 1985 war es lange ruhig in Spanien um dieses brisante Thema. Seit aber in den letzten Wochen gleich mehrere in Barcelona sesshafte Ärzte wegen illegaler Abtreibungen festgenommen wurden, wird dieses Thema in der Politik, in Frauengruppen und Medien neu ausgefochten. 

Laut des Gesetzes von 1985 ist Abtreibung in Spanien in drei Fällen legal. Liegt eine Schwangerschaft durch Vergewaltigung vor, darf bis zur 12., bei fetaler Fehlbildung bis zur 22. Schwangerschaftswoche abgetrieben werden. Im dritten Fall jedoch, nämlich wenn die physische oder psychische Gesundheit der Frau auf dem Spiel steht, ist sie bis zur 24. Woche möglich.
Dies ist eine Regelung, die weit über den Fristen der meisten europäischen Länder liegt. 

In den Augen der Befürworter dieser Regelung handele es sich trotzdem um eine strikte Gesetzgebung, da die Frau ihren Wunsch auf Abtreibung zu rechtfertigen habe und vor Experten belegen müsse, dass ihre Gesundheit gefährdet sei. Kritiker wie der Gynäkologe J.L. Carbonell halten dagegen: „99 Prozent der Abtreibungen werden begründet mit einer angeblich großen Gefahr für die psychische Gesundheit der Frau. 

Das heißt, ein Psychater muss in einem Gutachten feststellen, dass diese Frau großen Schaden nehmen kann, wenn die Schwangerschaft fortbesteht. Das kann schon mal stimmen, aber für die überwiegende Mehrzahl der Fälle trifft es nicht zu.“ Nicht nur er weiß, wie leicht man an solche Expertisen kommen kann, wenn man will. Den jetzt verhafteten Ärzten wird unter anderem vorgeworfen, Gutachten erstellt zu haben, ohne die Patientinnen vorher gesehen zu haben. Auch ist die Frist der 24 Wochen oft deutlich überschritten worden. 

Die Aufdeckung der illegalen Abtreibungen in privaten „Spezialkliniken“ hat das Thema neu angeheizt. Fraueninitiativen setzen sich dafür ein, dass Abtreibung grundsätzlich eine freie Entscheidung der Frau sein sollte. Sie fordern weiter, dass Abtreibungen in die Krankenkassenleistungen mit aufgenommen werden und nicht wie bisher aus weitestgehend eigener Tasche bezahlt werden müssen. Frauenrechtlerinnen wie Monsterrat Cervera befürworten Abbrüche bis zur 24. oder sogar 26. Woche. 

Das spanische Institut für Familienpolitik bezeichnet es als eine echte gesellschaftliche Katastrophe, dass sich die Zahl der Abtreibungen im katholischen geburtenarmen Spanien seit 1997 von damals 50 000 mehr als verdoppelt hat. Immer mehr Teenager und Immigrantinnen treiben ab, Folgen einer verfehlten Aufklärungspolitik, meint Frauenrechtlerin Beatrix Simó. 

Nun steigt der Druck auf die Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero. Der will den Abtreibungsparagrafen aus dem Jahr 1985 ändern. Während die Konservativen mehr Kontrollen beim bestehenden Recht fordern, wird bei den Sozialisten der Ruf nach einer neuen Fristenregelung für die ersten drei Monate laut. Im zweiten Schwangerschaftstrimester dürfe dann nur noch in wenigen Sonderfällen abgetrieben werden. 

Das Thema Reform des Abtreibungsrechts stand schon in Zapateros letztem Wahlprogramm. Doch nach den Protesten nach der Einführung der Homo-Ehe und der Blitzscheidung in Spanien wollte der Regierungschef keine weiteren gesellschaftlichen Reizthemen mehr anfassen und den Klerus nicht noch mehr provozieren. 

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