SERIE: Kommunikationsprobleme (Teil 2)

05.04.2010 - Stefanie Claudia Müller 

Zu sagen, was man denkt, wird in Deutschland als Ehrlichkeit interpretiert, in Spanien gilt es dagegen als unvorsichtig. „Das hat natürlich auch mit der 40-jährigen Diktatur und der nicht vorhandenen Meinungsfreiheit zu tun”, sagt Ingrid Schulze Schneider, Professorin für Kommunikation und Journalismus an der Madrider Universität Complutense. Diese Kultur ist auch auf die Öffentlichkeitsarbeit zu übertragen. Eine starke Zensur während der Franco-Zeit, eine von ihm aufgebaute Journalistenschule, die Medien à la carte produzierte, hat nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die Unternehmen, Zeitungen und Fernsehen stark eingeschüchtert.

Es hat dazu geführt, dass es weder in der Bevölkerung, noch im politischen und wirtschaftlichen Leben eine wirkliche Streitkultur gibt. Auch mehr als 30 Jahre nach dem Übergang zur Demokratie fehlt diese. Wenn Dinge offen ausgetragen werden, dann geht es meist sehr schnell ins Persönliche, es fällt den Spaniern schwer, bei Auseinandersetzungen sachlich zu bleiben. „Konflikte werden deswegen anders ausgetragen, meist viel subtiler als wir das in Deutschland gewohnt sind”, sagt Santiago Iñiguez de Onzoño, Dekan der spanischen Business Schule Instituto de Empresa.

Der wirtschaftliche Druck auf die Medien verstärkt die Zurückhaltung mancher Journalisten. Die Verbindung von Medien und Unternehmen ist in Spanien eher freundschaftlich als kritisch, glaubt Schulze Schneider. Werbung und Inhalt vermischen sich teilweise, ohne dass es für den Zuhörer oder Leser klar ersichtlich wird.

Investigationsjournalismus gibt es nur ganz vereinzelt. Die einzigen Menschen, die hemmungslos kritisiert werden von spanischen Journalisten, sind Politiker. Aber Unternehmensskandale, Korruption oder auch Unregelmäßigkeiten in der Kirche werden oft wegen der großen Abhängigkeiten verschwiegen.

Diese Charakteristika der Medien und Verhaltensweisen der Bevölkerung haben natürlich auch Auswirkungen auf die Pressearbeit. So ist interessant, dass ein deutsches Unternehmen, das in Spanien tätig ist, wahrscheinlich versuchen wird, soviel wie möglich mit Journalisten zu kommunizieren, damit sie die “richtige Information” bekommen und keine falschen Zahlen etc. in den Medien auftauchen.

Die spanische Kollegin in einer deutschen Niederlassung vor Ort würde dagegen versuchen, die Deutschen davon zu überzeugen, genau das Gegenteil zu machen, also möglichst wenig mit den Medien zu kommunizieren, keine Interviews zu geben und nur bei wichtigen Ereignissen Pressemitteilungen auszusenden. Sie würden so argumentieren: „Je weniger Information wir an die Presse geben, desto besser. Sonst kommen nur lästige Nachfragen und eventuell bringt man die Journalisten noch auf eine falsche Spur.”

Diese Vorgehensweise basiert auf der Annahme, dass zuviel Wissen über das Unternehmen eher für Probleme sorgt als dass es die Verkaufszahlen ankurbelt, und natürlich auch auf dem Wissen, dass die meisten Zeitungen sich gar nicht die Mühe machen, exklusive und investigative Artikel zu verfassen und sich somit mit einem Minimum an Informationen zufrieden geben.

Deswegen geben spanische Firmenchefs meist auch keine Interviews, das gilt auch für großen Unternehmen wir Inditex (Zara), Telefónica oder die Bank Santander. Während in Deutschland Führungskräfte unter einem öffentlichen Druck stehen, zu bestimmten kritischen Themen in den Medien Stellung zu nehmen, in Talkshows aufzutreten etc., kennen viele Spanier die Köpfe hinter ihren erfolgreichsten Marken oft gar nicht, empfinden das aber auch nicht als Informationslücke.

Das hängt nach Anischt von Schulze Schneider auch mit der langen Diktatur zusammen, in der jeder versuchte, seine Familie voranzubringen und sich nicht so sehr darum geklümmert hat, was für Probleme andere haben und welche Schwierigkeiten es in der Gesellschaft gibt. Die zivile Verantwortung sei durch die Isolierung verloren gegangen. Aber es sei auch das Resultat der schulischen und universitären Ausbildung in Spanien allgemein, die nicht das kritische Hinterfragen fördere, glaubt Esther Robles, Leiterin des Pädagogik-Instituts der Universität Camilo José Cela in Madrid. Die Schüler und Studenten würden nur abschreiben, was der Lehrer sagt, aber selten Zwischenfragen stellen. Das ganze Ausbildungssystem sei auf Auswendiglernen, nicht aber auf Reflexion ausgerichtet.

„Hinzukommt, dass viele Journalisten meist nur Journalismus studieren, deswegen oft wenig Kapazität haben, um komplexe wirtschaftliche oder juristische Sachverhalte zu verstehen, weil ihnen schlicht das Hintergrundwissen fehlt", sagt Schulze Schneider. Das Volontariat existiert nicht in Spanien, die meisten Journalisten machen jahrelang Praktika, wo sie aber wenig Ausbildung genießen, sondern oft als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden. In vielen Zeitungen sieht man, dass Pressemitteilungen, auch wegen mangelnder personeller Besetzung, fast unverändert abgedruckt werden, was natürlich sehr im Sinne der Unternehmen ist und wieder bestätigt: Es ist nicht notwendig, Interviews oder zusätzliche Information zu geben.

Spanische Presseabteilungen sind oft genervt von ausländischen Korrespondenten, die meist kritische Berichte abliefern müssen und deswegen mehr hinterfragen als üblich und auch Stellungnahmen von Verantwortlichen einfordern. Hier muss man wissen, dass man zwischen 14 und 17 Uhr meist niemanden in einer spanischen Kommunikationsabteilung erreichen kann, da Mittagspause ist. Es gibt auch oft keine "Notmannschaft", was deutlich macht, wie die Arbeit dieser Abteilung ausgelegt ist. In Deutschland könnten sich Pressesprecher eine solche Organisation gar nicht leisten.

Diese unterschiedliche Sichtweise auf die Medien erklärt auch, warum Unternehmenssprecher in Spanien nicht primär dazu dienen, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, die Philosophie des Unternehmens nach außen zu bringen. Sie sind kein Sprachrohr, sondern sie haben vor allem die Aufgabe, keine wichtigen sensiblen Informationen nach draußen sickern zu lassen und dem Geschäftsführer bzw. Vorstandsvorsitzenden dadurch den Rücken freizuhalten. Oft untersteht ihnen auch der Bereich Public Relations, teilweise auch die Werbung.

Die Tatsache, dass zwischen Marketing und Öffentlichkeitsarbeit nicht so stark getrennt wird, macht klar, welche Bedeutung Pressearbeit bei vielen Unternehmen hat, sie wird von vielen nur als eine Art Werbeinstrument gesehen. Der Umgang mit den Journalisten ist eher einfach, man ist befreundet und oft ist es auch so, dass viele Medien es als ihre Pflicht ansehen, über eigene Unternehmen nicht schlecht zu schreiben. Es erklärt auch, die in Nordeuropa und gerade in Großbritannien oder den USA eher verpönte Praxis, großzügige Geschenke an Journalisten zu vergeben, auf Einladung des Unternehmens zu verreisen oder von Telekommunikationsunternehmen I-Phone etc. geschenkt zu bekommen. „Moral und Ethik spielen in den spanischen Medien eine geringere Rolle", fasst die Kommunikationsexpertin Schulze Schneider zusammen. 

Hier der Link zum 1. Teil

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