HINTERGRUND: Back at home – Zurück nach Hause, zurück nach Spanien

21.02.2013 - Susanne Schwarz 

Deutschland lockt mit freien Ausbildungesplätzen und Stellenangeboten: Unfassbar für den spanischen Bürger, angesichts dessen, was sich in seinem Land seit Jahren abspielt. Kein Wunder also, dass die Zahl der Spanier nicht steigt, sondern in die Höhe schnellt, geht es darum der heimatliche Misere den Rücken zu kehren und das Heil in Deutschland zu suchen. Junge Spanier, die nun die Zeche für jahrzehntelange Korruption und Misswirtschaft zahlen müssen, sehen den einzigen Ausweg in der Flucht. Und jeder, der die Situation hierzulande nüchtern betrachtet, kommt nicht umhin, diese Intention zu verstehen.

“Grau ist alle Theorie”, heisst es. Farbig wird es in der Realität. Sara Gómez kennt diese Realität. Sie studiert Journalismus, Fachbereich Politik und Wirtschaft, in Barcelona. Sie kommt aus Igualada, ist weltoffen und “Deutschlanderfahren”. Wie so viele, schätzt sie die deutsche Kultur und das Land an sich. Die energische Wirtschaftslokomotive, die unverdrossen anschiebt, Dampf macht, es fertig bringt, in Krisenzeiten den Mittelstand zu stärken, ein hohes Kunst – und Kulturbewusstsein zu pflegen, sozial vorbildlich engagiert zu sein. Deutschland hat etwas, was Anderen verloren geht: Kraft.

Diese Kraft lockt. Sie lockt Spaniens junge, gebildete Klientel. 2012 wurden in Deutschland knapp 50.000 Spanier registriert, die Arbeit suchten. In den sechziger Jahren gab es eine ähnliche, spanische Einwanderungswelle. Damals war es die Modernisierung der Landwirtschaft – der technische Fortschritt – der viele heimatliche Arbeitsplätze schluckte. Heute, 2013, bricht das Land unter dem was man “korrupte Misswirtschaft” nennt, zusammen. 55 der jungen Spanier bis 25 Jahre, sind arbeitslos. Eine unfassbare Bilanz politischen Quertreibens. Eine ganze Generation ist verraten und verkauft.

.So wie Marta Riaño, Kunststudentin aus Barcelona, die im eigenen Land keine Zukunft sah, den deutschen Hoffnungsschimmer griff und in München Arbeit fand. Oder Oriol Senar, der sein Studium in Maschinenbau in Barcelona beendete und nun in Deutschland arbeitet. Viele machen sich auf, fasziniert von der Kraft und viele kehren wieder um. Es ist die Distanz zu den Mitmenschen, die den Spaniern es so schwierig macht. Sie sind es nicht gewohnt, dieses reservierte Auftreten des Deutschen, welches erst verunsichert und dann vereinsamt. Es sind nicht allein die Temperaturen, die frieren lassen.

Eine Wohnung zu finden ist schwer, die Ansprüche der Vermieter sind streng. Marta Riaño staunte nicht schlecht, über persönliche Dinge Auskunft geben zu müssen. Aber ohne behördlich gemeldeten Wohnsitz keine Arbeit. Die Sprache, die sie Willens sind zu lernen, die so fremd und hart klingt und so schwierig zu verstehen ist. Sprachen lernt man leichter, ist man in dem jeweiligen Land, in Kontakt mit den Menschen. In Spanien ist das einfach. Da spielt das Leben sich draussen ab, die Menschen sind offen und das Gespräch ist schnell gefunden. Deutschland ist schwieriger. Weniger offen, weniger “draussen”. Sara übernimmt in ihrer Reportage ein Zitat des jungen Ingenieur Oriol: ”Són amables quan els coneixes però trencar el gel sempre és difícil” – “Sie sind liebenswürdig, wenn du sie kennst, aber das Eis zu brechen, ist schwer”. Für ihn wird Deutschland nur eine Zwischenstation bleiben. Marta Riaño ist nach Hause zurückgekehrt. Will es hier schaffen. Die Hälfte aller, die Spanien via Deutschland verlassen haben, kehren zurück. Immer wieder gescheitert an dem, was Oriol und Marta erlebten und erleben. Und doch ist da eines, das weiss inzwischen auch Oriol: Gelingt es, das Eis zu brechen, hat man einen ehrlichen Freund gefunden.

Wenn wir Deutsche überlegen, warum wir in diesem Land so gerne verweilen, die einen kürzer, die andern länger, und so mancher für immer, ist der wichtigste Faktor, der genannt wird, die Sehnsuch nach Wärme. Und gemeint sind nicht alleine die Temperaturen. So mag man vorschnell urteilen, dass “der Spanier” sich gefälligst am Riemen reissen solle und sich eben anpassen müsse, wo man ohnehin schon das spanische Fass ohne Boden übergebührend bedienen müsse. Doch dann vergiesst man, dass “der Spanier” eine andere Entwicklung hat, eine junge Demokratie, die eigentlich jetzt erst laufen lernt. Das Vereinte Europa findet in den Köpfen seiner Bürger statt und nicht in den finanziellen Schlachtplänen der Politiker und Banken.

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