Die Picos de Europa – grünes Wanderparadies im Norden Spaniens

07.07.2014 - Abdruck in der Zeitschrift ECONOMÍA der AHK Spanien, Juliane Pfordte 

Nur 15 Kilometer von der spanischen Nordatlantikküste entfernt, erstreckt sich das gewaltige Kalksteinmassiv „Picos de Europa“. Dank der reizvollen Kombination aus grüner, ausgedehnter Küstenlandschaft, schroffem Gebirge und weit verzweigten Wanderwegen gelten die Picos als eines der schönsten Wandergebirge Europas.

Inmitten archaischer Weidelandschaften und dichter Wälder, aufgebrochen von tiefen Schluchten und eisblauen Gletscherseen, erheben sich majestätisch die „Gipfel Europas“. Nach der Sierra Nevada in Andalusien sind die Picos de Europa mit 65.000 Hektar der größte der insgesamt 15 Nationalparks und mit Gipfeln von über 2.500 Metern die höchste Erhebung der „Cordillera Cantábrica“. Eingebettet in drei Autonomen Regionen – Asturien im Nordwesten, Kantabrien imNordosten und Kastilien-León im Süden – ist der Nationalpark seit 2003 ausgewiesenes UNESCO-Biosphärenreservat. Für Wanderer bieten die Picos de Europa insgesamt 27 Kurzwanderwege, zwei Fernwanderwege und vier Hochgebirgstouren verschiedener Schwierigkeitsgrade.

Allgäu mit Meer

Reißende Flüsse, Bäche und Gletscher sägten einst die mehr als eintausend Meter tiefen Schluchten in die Felsen, die die Gebirgslandschaft in ihre heutigen Zentralmassive teilen: den „El Cornión“ im Westen, das „Ándara“-Massiv im Osten und die „Urrieles“ im zentralen Teil der Picos. Höchstwahrscheinlich gaben die Seefahrer, die aus der Neuen Welt zurückkamen, den „Gipfeln Europas“ ihren Namen: Nach der langen Überfahrt war die Bergkette das erste, was sie von ihrem Heimatkontinent sahen. Der Nationalpark ist frei zugänglich und kann das ganze Jahr über besucht werden. Wegen der milden Temperaturen im Frühjahr und dem beeindruckenden Farbenspiel im Herbst, wenn die ausgedehnten Mischwälder ihr Blätterkleid feuerrot färben, sind diese Jahreszeiten besonders empfehlenswert für einen Wanderurlaub im ältesten Nationalpark Spaniens. Gute Ausgangspunkte für die zahlreichen Wandertouren sind unter anderem die schönen Küstenstädte Llanes, mit seinemdenkmalgeschützten Ortskern, oder Ribadesella mit seiner von Villen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts gesäumten Strandpromenade. Nur knapp eine Stunde von den Picos de Europa entfernt, bieten der Atlantik und die grünen Hügel der Costa Verde dem Besucher ein einzigartiges Bild von Allgäu mit Meer.

Artenvielfalt auf kleinstem Raum

Die Picos de Europa beherbergen etwa 70 Baumarten, 700 verschiedene Sträucher, Gräser und Kräuter sowie vielfältige Vegetationssysteme. Während im vom feucht-kühlen Atlantikklima beeinflussten Norden Rotbuchen- und Eichenwälderanzutreffen sind, ist die mediterrane Südseite von Stein- und Korkeichen sowie von Stechpalmen geprägt. Zu den etwa 225 Tierarten gehört auch die kantabrische Gämse, das Symbol des Nationalparks. Mit mehr als einhundert verschiedenen Vogelarten sind die Picos auch für Vogelliebhaber ein Paradies: Ob über Felsspitzen kreisende Steinadler, Falken, Geier, Mäusebussarde oder Bergpieper und Mauerläufer – es lohnt sich, das Fernglas in greifbarer Nähe zu haben. Mitten durch den Nationalpark ziehen sich malerische, urige Dörfer, in denen der Beruf des Schäfers noch Tradition hat. Almen – die sogenannten „majadas“ – zeugen von der traditionsreichen Herstellung des Gamonedo-Käse. Der geräucherte Rohmilchkäse aus Ziegen-, Kuh- und Schafsmilch gehört neben dem Cabrales, einem herben Blauschimmel-Käse aus der gleichnamigen Region, zu den bekanntesten Käseproduktionen der Picos.

Covadonga: Wallfahrtsort und Eingangstor in die „Gipfel Europas“

Ein beliebtes Ausflugsziel in den Picos de Europa sind die kleinen Gletscherseen Enol und Ercina, die sogenannten Lagos de Covadonga. Die eineinhalbstündige Tour um die Seen ist ideal für Familien. Sie sind über eine Landstraße von dem historischen Ort Covadonga aus zu erreichen. In der „Heiligen Höhle“ soll sich der adlige Westgote Don Pelayo mit seinen Truppen im Kampf gegen die Mauren verschanzt haben. In der legendären Schlacht von Covadonga im Jahr 722 bereitete er den Arabern die erste Niederlage. Zusammen mit dem 100 Jahre später in Galizien entdeckten angeblichen Grab des Apostels Jakobus beflügelte dieser Erfolg die Rückeroberung Spaniens durch die Christen. Die Schlacht von Covadonga in den Picos de Europa gilt als Beginn der Reconquista. Deshalb ist Covadonga mit der gleichnamigen Basilika, in der die Statue der Madonna, die Pelayo in der Nacht vor der Schlacht hier erschienen sein soll, ein Nationalheiligtum und wichtiger Wallfahrtsort. Die Stadt Covadonga, die in den Sommermonaten dem Ansturm der überwiegend spanischen Besucher kaum standhalten kann, ist auch eines der zentralen Tore zum Nationalpark.

Atemberaubende Cares-Schlucht

Neben demBesuch Covadongas gehört die Ruta del Cares im Zentralmassiv zum Pflichtprogramm der Wanderer, gilt diese Tour doch als eine der schönsten Wanderungen in Spanien. Auf dem Weg zum Ausgangspunkt Poncebos versprechen mehrere Aussichtspunkte entlang der Straße einen Blick auf den berühmtesten Berg der Picos, den Picu de Uriellu, des roten Abendlichts wegenmeist Naranjo de Bulnes, Orange von Bulnes, genannt. Darüber hinaus bietet sich ein Abstecher in das gleichnamige Dorf an, das rund 20 Einwohner umfasst und bis 2001 ausschließlich zu Fuß erreichbar war. Seither überwindet eine Bergbahn (Funicular) in sieben Minuten den Höhenunterschied von 400 Metern. In Poncebas beginnt der Weg durch die atemberaubendeCares-Schlucht zur Ortschaft Caín in León. Hin- und Rückweg addieren sich auf fast 28 Kilometer mit rund 600 Höhenmetern. Die „Göttliche Schlucht“, auf Spanisch Garganta Divina, trennt den zentralen Teil der Picos vomWestmassiv. Der hoch über dem Fluss Cares befestigte Pfad ist stellenweise nur zwei Meter breit und windet sich entlang der steilen, feuchten Felswände bis nach León – die über hundert Meter in die Tiefe abfallende Schlucht stets in Sichtweite.

„Märchenhaftes Königreich der Gämsen und Adler“

Die Ernennung zum Nationalpark verdanken die Picos demMarquis von Villaviciosa Pedro Pedal. Auf sein Betreiben hin und anlässlich des Gedenkens an die Schlacht von Covadonga erklärte König Alfonso der XIII dasWestmassiv der Gebirgskette zum ersten Nationalpark Spaniens, damals „Parque Nacional de la Montaña de Covadonga“ genannt. Das Grab von Gründungsvater Pedal kann heute am Aussichtspunkt „Mirador de Ordiales“ besichtigt werden. Der Schriftsteller und Politiker beschrieb den Ort als „märchenhaftes Königreich der Gämsen und Adler“. Und märchenhaft ist auch das Panorama, das Besucher in 1.764 Metern Höhe erblicken: Im Westen erheben sich im Hintergrund des senkrecht abfallenden Tals des Flusses Río Dobra die Gipfel des Naturparks Ponga, im Nordwesten erstreckt sich das malerische Bergmassiv der Sierra del Sueve und im Norden die wilde Steilküste des Atlantik.

Abdruck in der Zeitschrift ECONOMÍA der AHK Spanien

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