Bilingüismo- Neue Erkenntnisse zum Thema Zweisprachigkeit

07.11.2017 - Katharina Fahling 

Wenn wir daran denken, wie schwer es uns im Erwachsenenalter oftmals fällt, eine neue Sprache zu lernen, steht das offenbar ganz im Gegensatz zu zweisprachig aufwachsenden Kindern: Die Leichtigkeit mit der Kinder Sprachen lernen, scheint uns nur noch mehr darin zu bestärken, so früh wie möglich damit beginnen zu wollen. Doch wann genau ist der richtige Moment? Wenn unsere Kinder geboren werden? Bevor sie sprechen können? Wenn Sie in den Kindergarten kommen? Oder mit sechs Jahren, wenn sie schon lesen können, und sich ihr muttersprachlicher Wortschatz erweitert? Die Antwort der Forscher darauf ist klar: „So früh wie möglich!“ Aber Achtung, bevor Sie Ihr Kind direkt an der bilingualen Schule oder im Englischkurs für Kleinkinder anmelden, gilt es einige Dinge zu beachten:

 

Zunächst sollten wir im Hinterkopf behalten, dass beim Lernen einer Sprache von zwei Ebenen ausgegangen wird, dem Wortschatz und dem Lautsystem. Bezüglich des Wortschatzerwerbes wurde festgestellt, dass die Fähigkeit, neue Wörter zu erlernen, das ganze Leben lang erhalten bleibt. Dafür gebe es also keine Altersgrenze, deshalb spiele es auch kaum eine Rolle, wie früh mit dem Erwerb begonnen werde. Allerdings spielt das Alter sehr wohl eine Rolle, wenn es um das Erlernen des Lautsystems geht. Würden wir alle Sprachen der Welt gemeinsam betrachten, kämen wir auf über 800 verschiedene Laute, von denen jede Sprache etwa 40 nutzt. Lassen Sie uns ein ganz simples Beispiel betrachten: Wenn ein chinesisches Kind nicht in Kontakt mit „L“ und „R“ kommt, kann es weder die besonderen Eigenschaften der Laute wahrnehmen, noch die Sprachen, zu denen sie gehören, und sie daher auch nicht unterscheiden. Dies führt wiederum zu entsprechenden Aussprachefehlern, wenn es Sprachen, die diese Laute enthalten, lernen würde. Im Falle eines bilingualen Kindes besteht allerdings die Gefahr, dass eine der Sprachen verkümmert, wenn es diese plötzlich nicht mehr hört. Es hängt also vor allem vom so genannten Input – damit sind in der Spracherwerbsforschung unter anderem die Art des Sprachkontaktes, aber auch Faktoren wie Intensität gemeint – , wie sich die Sprachen entwickeln.

 

Sprachliche Vorbilder von klein auf

Kinder, die in ein zweisprachiges Umfeld hineingeboren werden, und darin aufwachsen, sind gewissermaßen Spezialisten für diese beiden Sprachen: Wenn die Eltern zwei verschiedene Sprachen sprechen, und in ihrer jeweiligen Muttersprache mit dem Kind kommunizieren, werden sie zu seinen sprachlichen Vorbildern. Das Kind erkennt die entsprechenden Laute, was ihm später eine natürliche Aussprache ermöglicht, da herausgefunden werden konnte, dass es im frühen Kindesalter besonders aufmerksam dafür sei. Das heißt aber auf keinen Fall, dass Kinder, die nicht von Geburt an verschiedenen Sprachen ausgesetzt sind, diese später nicht mehr lernen können. Wenn ein Kind beispielsweise im Alter von zehn Jahren in Kontakt mit einer zweiten Sprache kommt, ist es zwar möglich, dass ihm der Spracherwerb eventuell ein wenig schwerer fällt, aber durch einen aktiven, beständigen Kontakt mit der neuen Sprache kann es ganz sicher auch erfolgreich sein.

 

Englische Zeichentrickfilme reichen nicht

Bilinguale Kinder kommen nicht nur seit der frühen Kindheit mit den sprachlichen Lauten in Berührung, sondern es sind insbesondere die emotionale Komponente und die persönliche Kommunikation, die hier eine zentrale Rolle einnehmen. Die rein auditive Wahrnehmung, das Hören der sprachlichen Laute, reicht also nicht aus, denn für das Erlernen der Phoneme (im Deutschen z.B. der Unterschied zwischen b in »Bein« u und p in »Pein«) und Wörter ist die Interaktion mit anderen Personen unabdingbar. Hingegen ist eine passive Auseinandersetzung mit einer Sprache nicht besonders effektiv: Studien zufolge reiche es nicht, einem Kind englische Zeichentrickfilme zu zeigen, in der Hoffnung, dass es auf diese Weise etwas aufschnappt. Ebenso wenig scheinen englische Hörspiele vor dem Schlafen zu funktionieren.

 

Vor- und Nachteile von Zweisprachigkeit

Abgesehen von der Möglichkeit mit Personen aus verschiedenen Ländern zu sprechen wird durch Zweisprachigkeit eines Kindes nicht nur die Fähigkeit zwei verschiedene Codes, also Sprachen, voneinander zu trennen, erhöht, sondern auch die Konzentration auf eine der beiden Sprachen, ohne dass es dabei zu Sprachmischungen kommt. Dies wird in der Forschung auch Aufmerksamkeitskontrolle genannt, da das kindliche Gehirn auf diese Weise dazu befähigt wird, die relevanten sprachlichen Informationen zu behalten. Zweisprachige Kinder sind demnach daran gewöhnt zu „jonglieren“, um zwischen den beiden Sprachen zu entscheiden, was sowohl ein gutes Training für das Gehirn als auch für spätere Entscheidungen im Leben darstellt.

 

Auf der anderen Seite wurde in Studien festgestellt, dass der Wortschatz von bilingualen Kindern weniger umfangreich sei: Würde man nur die Anzahl der Wörter betrachten, die das Kind kennt, sei diese beim bilingualen Kind natürlich höher, aber geringer im Vergleich zu einem einsprachigen Kind, das 18 Stunden am Tag der gleichen Sprache ausgesetzt ist. Diese Unterschiede würden jedoch mit der Zeit verschwinden, da der Wortschatzerwerb vom Umfeld des Kindes abhängig sei. Das bilinguale Gehirn müsse außerdem mehr arbeiten, da die zweisprachigen Prozesse mehr Energie benötigen würden, da beispielsweise je nach Situation eine Sprache aktiviert, die andere aber deaktiviert werden müsse. Andere Studien haben festgestellt, dass die Bezeichnung von Dingen mit Wörtern bei zweisprachigen Kindern verlangsamt ablaufen würde, da es öfter zu Effekten à la „Es liegt mir auf der Zunge“ komme. Tatsächlich sei ihre Reaktionsfähigkeit bei der Wortfindung geringer, weil das Gehirn zwischen zwei Wörtern, in der einen oder der anderen Sprache, unterscheiden müsse. Wenn ein Kind, das beispielsweise mit Spanisch und Englisch aufwächst, „gato“ sagen möchte, würde in seinem Gehirn gleichzeitig auch das Wort „cat“ aktiviert.

 

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