INTERVIEW: "Qualität steht an erster Stelle"

07.03.2011 - Das Interview führte Philipp Dyckerhoff 

Annegret Jung-Wanders hat am 15. August 2010 die Leitung der Deutschen Schule Barcelona (DSB) von Dr. Dieter Köpper übernommen.

Bitte beschreiben Sie kurz Ihren Werdegang
Schon in der Schule haben mir Sprachen Spaß gemacht: ich habe Latein, Englisch Französisch und Russisch gelernt. Nach dem Abitur in Essen habe ich Germanistik, Wirtschaftswissenschaften, Philosophie und Pädagogik für Gymnasien an den Universitäten Essen und Bochum studiert. Mein erstes Staatsexamen habe ich in Düsseldorf abgelegt. Meine erste Lehrerstelle war in Wesel. Von 1992 bis 1998 war ich zusammen mit meinem Mann, der die gleichen Fächer unterrichtet wie ich, an der Deutschen Schule in Washington tätig. In den USA habe ich mich sehr für das Stiftungswesen interessiert und engagiert: ich habe dann nach der Rückkehr in Deutschland eine Stiftung gegen die Medienverwahrlosung von Kindern gegründet. Gefördert werden Themen wie Kreativität, Musik und Sport.

Bevor ich nach Barcelona kam, war ich 6 Jahre lang Schulleiterin des Gymnasiums in Voerde (Nordrhein-Westfalen), eine ähnlich große Schule wie die DSB.

Wie fühlen Sie sich nach Ihren ersten Monaten in Barcelona?
Ein bisschen „zu Hause“ fühle ich mich nun schon an der DSB. Kritik an der Schule trifft mich bereits in dem Sinne, dass ich mich schon sehr mit der DSB identifiziere. Andererseits habe ich noch gar nicht so richtig Zeit gehabt, in Barcelona anzukommen, da ich sehr viel Zeit an der Schule verbringe. Ich wohne in Castelldefels, fühle mich dort sehr wohl, die Menschen erscheinen mir ausgesprochen freundlich.

Welche Gründe haben Sie für die Übernahme der Leitung der Deutschen Schule in Barcelona motiviert?
Ich habe mich an meiner alten Schule in Voerde sehr wohl gefühlt. Als ich von der Stellenausschreibung für die Schulleitung in Barcelona erfuhr, reizte mich diese Aufgabe sehr: die neue Herausforderung, aber auch die erneute Möglichkeit für weitere Auslandserfahrung. Natürlich sind Washington und Barcelona sehr verschieden, aber beide Schulen interessant.

Was macht die Deutsche Schule Barcelona Ihrer Meinung nach besonders?
Die sehr lange Tradition dieser Auslandsschule, welche sich auch durch das Engagement und anhaltende Interesse der Ehemaligen an ihrer Schule zeigt, ist sicherlich etwas Besonderes. Viele Ehemalige äußern sich immer wieder in dem Sinne, „das ist ja immer noch so wie damals“! Es ist in etwa so wie eine „große Familie“. Als sehr positiv empfinde ich auch den Begegnungscharakter der Schule: Dies stellt eindeutig eine Bereicherung für uns alle an der DSB dar. Hier gibt es viele Menschen mit interessanten Biographien! Die Vielfalt an der Schule sehe ich auch als etwas Besonderes an, diese stellt aber andererseits auch eine besondere Herausforderung dar.

Was unterscheidet die Deutsche Schule Barcelona von Schulen in Deutschland?
Der Begegnungscharakter der Schule sowie die Sprachenvielfalt sind meines Erachtens die wichtigsten Unterschiede. Reizvoll ist auch die Lage der Schule: über der Stadt, mit Blick auf das Meer. Ein weiterer Unterschied ergibt sich durch die verschiedenen Abschlüsse, die an der DSB möglich sind. Viele Schüler sind vom Kindergarten bis zum Abitur dort, alle lernen unter einem Dach.

Was unterscheidet die Deutsche Schule Barcelona von anderen internationalen Schulen in Barcelona bzw. in Spanien?
Die DSB wird von Deutschland gefördert. Andere Privatschulen erhalten gar keine staatlichen Zuschüsse. Die staatlichen Zuschüsse bieten natürlich den Vorteil, dass die Schulgebühren damit geringer sein können, haben andererseits aber den Nachteil, dass man nicht ganz so unabhängig agieren kann. Sonst möchte ich die sprachliche Ausrichtung nennen: der Fokus auf die drei Sprachen Deutsch, Spanisch und Katalanisch.
Mit der Schweizerschule, der Zürichschule und der amerikanischen Schule sind für die Zukunft gemeinsame Aktivitäten geplant.

Welches pädagogische System wird an der Deutschen Schule in Barcelona umgesetzt?
Der Lehrplan enthält Elemente aus Thüringen und auch eigene Konzepte. Natürlich sind wegen des deutschen Abschlusses bestimmte Vorgaben aus Deutschland zu erfüllen. 2013 wird das Regionalabitur auf der iberischen Halbinsel eingeführt, das dann zusätzliche genaue Absprachen zwischen den Deutschen Schulen auf in Spanien und Portugal erfordert.

Welche Werte prägen die Deutsche Schule Barcelona?
Einerseits das multikulturelle Umfeld als Leitbild und andererseits Werte wie Respekt, Toleranz und Offenheit. Wichtig ist auch die Vorbereitung unserer Schüler auf das Leben nach dem Abitur: abgerundete Persönlichkeiten sollen sie werden, die in der globalen Welt gut zurecht kommen, eine gewisse Frustrationstoleranz haben und flexibel sind.

Was sind Ihre Pläne für die Weiterentwicklung der Deutschen Schule Barcelona?
Ganz vorne steht für mich der Erhalt der Qualität der DSB. Ein guter Ruf reicht nicht, die Qualität muss auch konsequent gelebt werden. Außerdem halte ich es für wichtig, dass wir die schulische Organisation, den Ablauf des schulischen Alltags, überdenken. Dabei ist es wichtig, einen Abgleich mit den Anforderungen der heutigen Familien zu erreichen (z.B. arbeiten häufig beide Elternteile). Ganz wichtig ist dabei deshalb die Ausrichtung der Schule auch an die Erwartungen der Eltern.
Andere wichtige Themen sind die Erhaltung des Gebäudes, das ja langsam „in die Jahre“ kommt. Und die Öffnung der Schule nach außen, indem wir Kooperationen mit anderen Institutionen fördern. Dabei wollen wir ganz allgemein den Austausch intensivieren, die Klassenzimmer und die Schule weiter öffnen.

Wie spüren Sie die spanische „Krise“ bei Ihrer Arbeit an der Deutschen Schule Barcelona?
Wir spüren auch die „deutsche Krise“: das Geld wird knapper, es wird schwieriger, Fördergelder zu bekommen, eine besondere Herausforderung. Natürlich führt die derzeitige Situation in Spanien dazu, dass es einigen Eltern schwerer fällt, das Schulgeld aufzubringen. Auch werden Zusatzaktivitäten weniger angenommen. Unsere Schüler sind nach ihrem Abschluss an der DSB aber besser vorbereitet auf ihr weiteres Leben. Das lässt hoffen, dass sie nicht zu sehr von dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit betroffen sein werden.

Welchen Einfluss hat die katalanische Sprache und Kultur auf Ihre Arbeit an der Deutschen Schule Barcelona?
Einen wichtigen Einfluss, wir leben schließlich mitten drin! Von einer Mischung der verschiedenen Kulturen und Sprachen an der DSB hängt schließlich auch der Ruf unserer Schule ab. Wie schon vorher gesagt: Das multikulturelle Umfeld ist ein ganz wesentlicher Bestandteil des Lebens an der DSB.

Wie hoch ist der Anteil an Deutschen, anderen Deutschsprachigen, Spaniern und anderen Ausländern an der Deutschen Schule in Barcelona?
Von den etwa 1.400 Schülern sind circa 21 Deutsche, gut 3 deutschsprachige anderer Länder, circa 30 Spanier und Katalonier, ungefähr 48 mit deutsch-spanischem Hintergrund und gut 4 andere Nationalitäten.

Wie – falls überhaupt – arbeiten Sie mit anderen deutschsprachigen Schulen in Spanien zusammen?
Wir arbeiten sehr intensiv zusammen, es gibt einen regen Austausch und regelmäßige Treffen.

Bitte nennen Sie Gründe, warum man seine Kinder auf die Deutsche Schule Barcelona schicken sollte.
Ich denke, dass sich die Gründe aus dem oben Gesagten ergeben: das interkulturelle, multilinguale Umfeld, der Fokus auf die Persönlichkeitsentwicklung zu offenen, flexiblen und toleranten Menschen, aber auch in Bezug auf die fachliche Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler können wir uns an der DSB sehen lassen.

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